Ankauf von Mirage-Kampfflugzeugen. Schweizerische Desiderata.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 21, doc. 103
volume linkZürich/Locarno/Genève 2007
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E-01#1998/199#2* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)-01/1998/199 2 | |
Dossier title | Ankauf von "Mirage" Flugzeugen in Frankreich (1960–1975) | |
File reference archive | A.14.41.32.F.U'ch. • Additional component: France |
dodis.ch/15498
Der Generalsekretär des Politischen Departements, R. Kohli, an den schweizerischen Botschafter in Paris, P. Micheli1
Ankauf von Mirage-Kampfflugzeugen. Schweizerische Desiderata
Wie Ihnen bekannt sein dürfte, befassen sich das Militärdepartement und der Bundesrat schon seit einiger Zeit mit der Frage der Beschaffung neuer
Kampfflugzeuge3, wobei zunächst der Ankauf oder noch eher der Lizenzbau einer Hunderterserie solcher Flugzeuge zur Diskussion steht. Nach eingehenden Vergleichen und Untersuchungen verschiedener ausländischer Modelle4 ist das Militärdepartement zur Überzeugung gelangt, dass das französische «Mirage III-C»-Kampfflugzeug für die schweizerischen Verhältnisse technisch und taktisch am besten geeignet wäre. Eine vor wenigen Tagen aus Paris datierte UPI-Meldung, wonach der Entscheid zugunsten des «Mirage» schon gefallen sei, war zwar noch verfrüht und möglicherweise eine zweckbedingte
Indiskretion interessierter französischer Kreise. Es ist aber denkbar, dass der
Bundesrat ungeachtet beträchtlicher handelspolitischer Hemmungen – in handelspolitischer Hinsicht wäre der Ankauf des schwedischen «Draken» besonders erwünscht gewesen5 – demnächst den Beschluss zur Beschaffung einer ersten Hundertserie «Mirage» fassen wird6. Die Gesamtauslage für die Serie würde sich auf über 1 Milliarde SFr. belaufen, wovon auch im Falle eines Lizenzbaus in der Schweiz immerhin noch 150–200 Millionen SFr. nach
Frankreich ausbezahlt würden.
Wir glauben annehmen zu können, dass Frankreich nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern offenbar auch aus Prestigegründen grossen Wert auf die
Lieferung seiner Flugzeuge an andere europäische Länder legt. Sie berichteten uns Ihrerseits am 10. Juni 19607, dass nach Feststellungen der belgischen
Botschaft in Paris Freilassungen minderjähriger belgischer Fremdenlegionäre immer dann erfolgten, wenn FrankreichBelgien günstig zu stimmen wünschte; während der Zeit, als Belgien mit Frankreich über den Ankauf französischer
Flugzeuge verhandelte, sei es beispielsweise ganz unerwartet zur Freilassung von sechs Fremdenlegionären gekommen. Aus einem ähnlichen Bestreben heraus wurde dem Herrn Bundespräsidenten8 schon vor einiger Zeit seitens des Generals de Bénouville zu verstehen gegeben, dass er bereit wäre, sich bei den französischen Behörden zur Förderung gewisser im schweizerisch-französischen Verhältnis hängiger Fragen zu verwenden9. Wir sind auf diesen – schon zeitlich verfrühten und auch sonst etwas heiklen – Vorschlag zwar damals im
Einvernehmen mit Volkswirtschafts- und Militärdepartement nicht eingetreten.
Wir fragen uns aber doch, ob bei Anlass der Verwirklichung unserer Flugzeugbeschaffungspläne nicht versucht werden könnte, im geeigneten Zeitpunkt gewisse mit Frankreich hängige Differenzen ins Reine zu bringen.
Wir möchten es allerdings vermeiden, zwischen dem Flugzeugankauf und unseren Desiderata anderer Natur ein direktes Junktim herzustellen. Indessen könnte die im Hinblick auf das Flugzeuggeschäft eventuell erhöhte französische
Bereitschaft zu einem Entgegenkommen in anderen Fragen vielleicht zu einer gleichzeitigen Förderung unserer Belange benützt werden.
Unsere Wunschliste soll dabei keineswegs überladen werden. Vor allem wäre es uns daran gelegen, wenn die Angelegenheit Bernard10, die uns beträchtliche
Sorgen bereitet, aus der Welt geschafft werden könnte. Die französische Leistung sollte dabei wenn möglich unserer Forderung einer Entschädigungszahlung in der Höhe von 260’000 Fr. entsprechen. Sie finden in der Beilage11 eine kurze, für den skizzierten Zweck verwendbare Aufzeichnung über den Fall.
Sodann hoffen wir, dass auch die Angelegenheit Mertz12 (Aufzeichnung ebenfalls beiliegend13), die rechtlich schon seit einiger Zeit geregelt erscheint, aber wegen des Ihnen bekannten französischen Widerstandes immer noch blockiert ist, endlich ordnungsgemäss erledigt wird.
Schliesslich ist es eines unserer ständigen Anliegen, dass die Rekrutierung minderjähriger Schweizer (unter 20 Jahren) zu Fremdenlegion unterbleibt und dass die noch Dienst leistenden Minderjährigen aus der Legion entlassen werden14. Sie haben erst dieser Tage wieder einen zeitlich günstig fallenden
Vorstoss in dieser Richtung unternommen. Wir haben uns auch gefragt, ob nicht die Information aus Mülhausen, wonach von Paris aus Weisung gegeben worden sei, keine minderjährigen Schweizer mehr anzuwerben, irgendwie mit der Flugzeugfrage zusammenhängt. Jedenfalls könnte der Anlass benutzt werden, auch in dieser Hinsicht Ihre Demarchen zu sekundieren. Die nötigen
Unterlagen befinden sich bereits in Ihren Händen. Wir lassen Ihnen trotzdem anbei noch eine neue Zusammenstellung der in Betracht kommenden Fälle zukommen15.
Was die Art des Vorgehens anbelangt, so möchten wir es Ihnen überlassen, die geeignete Wahl zu treffen. Wir würden es aber vorziehen, wenn Sie an diesem etwas ungewohnten Prozedere, das sich für Sie unter Umständen unangenehm auswirken könnte, keinen persönlichen Anteil nehmen. Ein möglicher
Weg bestünde darin, dass Ihr Militärattaché16 mit General de Bénouville zu gegebender Zeit Kontakt suchen würde, um diesen über die beiden ersterwähnten
Geschäfte in passender Weise zu orientieren, während die Fremdenlegionsfrage von Oberst Musy wohl eher direkt bei den zuständigen Militärstellen anhängig zu machen wäre. Jedenfalls glauben wir, dass es angesichts des Umfangs der in Aussicht stehenden schweizerischen Flugzeugbestellung den französischen
Behörden eigentlich möglich sein sollte, in allen drei angeführten Fragen, die für sie im ganzen gesehen doch nur untergeordnete Bedeutung aufweisen, unseren Wünschen Rechnung zu tragen. – Wir behalten uns im übrigen vor,
Ihnen demnächst eventuell noch einen vierten Fall («Electricitéde France»)17 für den vorliegenden Zusammenhang zu melden.
Was den Zeitpunkt eines eventuellen Vorgehens im oben angedeuteten
Sinne anbelangt, wo wird zunächst der formelle Beschluss des Bundesrates
über die Flugzeugbeschaffung18 abzuwarten sein. Wir werden Sie darüber, wenn es so weit ist, unverzüglich benachrichtigen. Es ist also für den Moment noch nichts zu unternehmen. Doch lag uns daran, Ihnen vorsorglicherweise schon jetzt die allenfalls benötigten Angaben und Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
P. S. Wir erhalten soeben von der Firma Brown Boveri & Cie. eine Darstellung ihrer Schwierigkeiten bei der Lieferung von Turbinen ihrer französischen Tochtergesellschaft «CompagnieElectro-Mécanique (CEM)» an die «Electricitéde France»19. Diese Angelegenheit erschiene uns ebenfalls geeignet, im Hinblick auf einen eventuellen Abschluss der «Mirage»-Bestellung schweizerischerseits geltend gemacht zu werden. Beide Angelegenheiten liegen zudem auf einer ähnlichen, vergleichbaren Ebene. Wir wären Ihnen deshalb dankbar, wenn Sie auch diesen Fall nach Möglichkeit berücksichtigen und fördern wollten.
- 1
- Lettre: E 2001(E)1998/199/2. Paraphe: PO.↩
- 3
- Zur Frage der Flugzeugbeschaffung vgl. Nrn. 69, 115, 152 in diesem Band.↩
- 4
- Neben der französischen Dassault Mirage III wurden der schwedische Saab Draken, die amerikanische Lockheed Starfighter, der amerikanische Grumman Supertiger und der italienische Fiat G-91 von der schweizerischen Armee getestet.↩
- 5
- Vgl. die Notizen von M. Petitpierre vom 24. März 1960, E 2800(-)1990/106/20 (dodis.ch/8619), vom 17. Oktober 1960, E 2800(-)1990/106/21 (dodis.ch/15515), vom 28. Februar 1961, E 2800(-) 1990/106/20 (dodis.ch/8620) und DDS, Bd. 21, Dok. 69, dodis.ch/15497.↩
- 6
- Der Entscheid des Bundesrates für den Kauf der Mirage fällt am 28. Dezember 1960, vgl. DDS, Bd. 21, Dok. 115, dodis.ch/15500.↩
- 7
- Nicht abgedruckt.↩
- 9
- Vgl. die Notiz von O. Long vom 29. November 1960, nicht abgedruckt (dodis.ch/15509), die dazugehörenden Beilagen vom 28. November 1960, ibid. (dodis.ch/15510) und das Schreiben von P. Micheli an M. Petitpierre vom 5. Januar 1961, E 2200.42(-)1977/93/11 (dodis.ch/15034).↩
- 10
- Vgl. die Beilagen vom 28. November 1960, nicht abgedruckt (dodis.ch/15510).↩
- 11
- Nicht abgedruckt.↩
- 12
- Vgl. Anm. 9.↩
- 13
- Nicht abgedruckt.↩
- 14
- Zur Frage der Rekrutierung minderjähriger Schweizer für die Fremdenlegion vgl. DDS, Bd. 18, Dok. 81, dodis.ch/8634, DDS, Bd. 19, Dok. 83, dodis.ch/8956, DDS, Bd. 20, Dok. 27, dodis.ch/11517(Do-DiS-11517), das Schreiben von V. Nef an M. Petitpierre vom 11. Juli 1959, E 2800(-)1967/59/41 (dodis.ch/15126), den Bericht von R. Godet vom 10. Februar 1960, ibid (dodis.ch/15128), das Schreiben von P. Micheli an M. Petitpierre vom 5. Januar 1961, E 2200.41(-)1977/93/11 (dodis.ch/15034), die Notiz von J. Zwahlen vom 15. Mai 1961, E 2001(E)1976/17/435 (dodis.ch/15129) und die Nrn. 19 und 48 in diesem Band.↩
- 15
- Nicht abgedruckt.↩
- 17
- Vgl. Anm. 9.↩
- 18
- Vgl. Anm. 5.↩
- 19
- Vgl. Anm. 9.↩
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