Homberger informiert über eine Besprechung mit der Schweizer Maschinenindustrie über Auswirkungen des Schuman-Planes. Dieser ist von grosser Bedeutung. Wichtig ist, über den Lauf der Dinge informiert zu werden. Ein schweizerischer Beobachter soll zur Verfügung gestellt werden. Petitpierre will keinen offiziellen Vertreter, weil damit impliziert würde, bereits mit einem Bein in der neuen Organisation zu stehen. Beobachtung sollte über den schweizerischen Vertreter im Montan-Komitee der OEEC sowie die diplomatischen Vertreter in Paris, Bonn und London stattfinden.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 18, doc. 48
volume linkZürich/Locarno/Genève 2001
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7800#1000/1961#25* | |
Old classification | CH-BAR E 7800(-)1000/1961 3 | |
Dossier title | Plan Schuhmann entente européenne métallurgie (1950–1952) | |
File reference archive | 01.02.2 |
dodis.ch/8444 Der Direktor des Vororts des Handels- und Industrievereins, H. Homberger, an den Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, R. Rubattel1 SCHUMAN-PLAN
Mit Ihrem Schreiben vom 30. Mai2 haben Sie mich ersucht, Ihnen einige Auskünfte über die möglichen Auswirkungen des sog. Schuman-Plans über die Kohlen- und Eisenindustrie zu verschaffen3. Ich habe mich zu diesem Zwecke mit dem Verein Schweizerischer Maschinen-Industrieller in Verbindung gesetzt, der seinerseits einige Persönlichkeiten aus der schweizerischen Eisen- und Maschinenindustrie zusammenberufen hat, um das Problem zu besprechen. Über das Ergebnis dieser Aussprache erhalte ich soeben folgende Mitteilungen:
«Ihr Schreiben vom 3. ds. bot Veranlassung zu einer Aussprache, die gestern auf unserem Sekretariat stattfand und an der die Herren Minister Dr. H. Sulzer, Dr. René Bühler, Prof. Dr. Durrer, Direktor Ernst von Moos (Luzern), Dr. F. Hummler, P. Miescher (Schaffhausen), H. Montandon, Direktor E. Müller, W. von Orelli und der Unterzeichnete teilnahmen4.
Die Aussprache ergab, dass der ‹Plan Schumann› – sofern er zustandekommt – auch für unser Land und speziell für unsere eisenerzeugende und eisenverbrauchende Industrie von grösster Bedeutung sein kann. Eine effektive Beurteilung der konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen ist aber nicht möglich, solange der ‹Plan› über das vage Stadium, in dem er sich heute noch befindet, nicht hinausgekommen ist5.
Wichtig ist für uns vor allem, dass wir über den Lauf der Dinge möglichst genau unterrichtet werden, die Entwicklung also aus direkter Anschauung verfolgen können. Die gestrige Versammlung hat daher einstimmig beschlossen, Ihnen zu beantragen, es möchte von Bern aus unverzüglich die Möglichkeit der Entsendung eines schweizerischen Beobachters an die am 20. Juni in Paris beginnende Konferenz der sechs Länder abgeklärt werden. Stimmt Bern – wie wir hoffen – unserem Vorschlag zu und kann das Einverständnis Frankreichs – als einladender Macht – erzielt werden, so schlagen wir vor, bis auf weiteres Herrn H. Montandon, Neuchâtel, mit der Beobachtermission zu betrauen. Herr Montandon verfügt über ausgezeichnete Sachkenntnisse und vertritt, wie Sie wissen, unser Land – zusammen mit Herrn Dr. René Bühler, bereits im Comité de la Sidérurgie der OECE6.
Da uns vom Beginn der erwähnten Konferenz nur noch kurze Zeit trennt, ist die Sache von grosser Dringlichkeit.»
Da noch nirgends etwas Genaueres über die Modalitäten des Zusammenschlusses der französischen und der deutschen Kohlen- und Eisenindustrie bekanntgegeben wurde, ist es begreiflich, wenn sich über die möglichen Auswirkungen des Schuman-Planes in der Schweiz noch niemand ein Bild machen kann. Es scheint übrigens, dass sowohl die französische wie die deutsche Kohlen- und Eisenindustrie von der diplomatischen Initiative der französischen Regierung vollständig überrascht wurde und dass infolgedessen der sensationellen Eröffnung Schumans anlässlich der Londoner Konferenz keinerlei konkrete Vorbereitungen mit den betroffenen Industrien vorausgegangen waren7.
Bei dieser Sachlage ist es umso begreiflicher, dass die schweizerische Maschinenindustrie grossen Wert darauf legt, über die weitere Entwicklung des Schuman-Plans informiert zu sein. Zu diesem Zwecke ist die Frage aufgeworfen worden, ob nicht ein schweizerischer Beobachter an die am 20. ds. in Paris beginnende Konferenz delegiert werden könnte. Da mir diese Anregung anlässlich eines telephonischen Berichtes über die oben erwähnte Aussprache innerhalb der Maschinenindustrie bekannt gegeben worden war, habe ich noch letzten Freitag mit Herrn Minister Zehnder über die Möglichkeit der Entsendung eines schweizerischen Beobachters gesprochen, der seinerseits deswegen mit Herrn Bundespräsident Petitpierre Fühlung nahm. Das Ergebnis ersehen Sie aus der nachstehend wiedergegebenen Notiz, die mir Herr Zehnder noch am gleichen Tage hat zukommen lassen:
«Nach Rücksprache mit Bundesrat Petitpierre bin ich in der Lage, Ihnen mitzuteilen, dass er nicht nur gegen die Entsendung eines solchen privaten Beobachters ist, sondern auch nicht will, dass unsererseits eine Initiative in dieser Richtung unternommen wird. In der Tat, wenn ich Herrn Bauer in Paris beauftrage, das Gesuch zu stellen oder nur zu sondieren, so ist als wahrscheinlich anzunehmen, dass die französische Regierung mit grösstem Vergnügen dem schweizerischen Begehren entsprechen wird. Durch die Sondierung allein wäre somit die Antwort bereits präjudiziert, und wir wären mit einem Bein in dieser neuen Organisation. Das ist es aber gerade, was der Bundespräsident unter allen Umständen vermeiden möchte, solange er nicht weiss, welche Art Komplikationen der Versuch, diesen Plan zu realisieren, noch nach sich ziehen wird.»8
Bei dem engen Zusammenhang, der offenbar zwischen dem Schuman-Plan und der Europa-Organisation von Strassburg besteht, verstehe ich die Gründe sehr gut, die Herrn Bundespräsident Petitpierre veranlassen, im gegenwärtigen undurchsichtigen Stadium der Sache auch nur von einer Sondierung über die Möglichkeit der Teilnahme eines schweizerischen Beobachters in Paris abzusehen. Ich teile die Auffassung, dass wir in dieser hochpolitischen Materie nicht vorsichtig genug prozedieren können. Dagegen wäre es natürlich von allergrösstem Wert, wenn auf andere Weise darnach getrachtet würde, so gut wie möglich auf dem laufenden zu bleiben und nicht nur auf das angewiesen zu sein, was in den Zeitungen steht. Die Industrie wird in dieser Richtung tun was ihr möglich ist; insbesondere wird Herr Montandon, der die schweizerische Maschinenindustrie in der OECE-Organisation vertritt, in Paris bemüht sein, mit den Vertretern der französischen Maschinenindustrie in Kontakt zu bleiben. Darüber hinaus wäre es aber ausserordentlich wünschbar, wenn unsere diplomatischen Vertretungen in Paris, Westdeutschland und London beauftragt würden, die Angelegenheit mit besonderer Intensität zu verfolgen9.
In der Annahme, dass Sie damit einverstanden sein werden, erlaube ich mir, Kopien dieses Briefes den Herren Bundespräsident Petitpierre, Minister Zehnder und Minister Hotz zuzustellen.
- 1
- Lettre: E 7800(-)-/1/3.↩
- 2
- Nicht ermittelt.↩
- 3
- Für eine Kopie des Planes und Erläuterungen vgl. das Schreiben von G. Bauer an J. Hotz vom 6. Juni 1950, E 2001(E)1969/121/298; vgl. auch die Notiz von R. Lempen vom 3. Juni 1950, ebd.↩
- 4
- Die Aussprache kam auf Initiative von C. Montandon zustande, vgl. dessen Brief an den Verein Schweizerischer Maschinenindustrieller vom 2. Mai 1950, E 2210.2(-)1973/121/24.↩
- 5
- Vgl. den Bericht von C. Montandon an den Verein Schweizerischer Maschinenindustrieller vom 6. Juni 1950, E 2001(E)1969/121/298.↩
- 6
- Zur Arbeit dieses Komitees vgl. E 2210.2(-)-1973/131/10.↩
- 7
- Zur Reaktion der bei der Erarbeitung des Planes übergangenen Kreise vgl. das Schreiben von C. Montandon an den Verein Schweizerischer Maschinenindustrieller vom 19. Juni 1950, E 2001(E)1969/121/298.Zur überraschenden Präsentation des Planes durch R. Schuman anlässlich der Londoner Konferenz vgl. das Telegramm Nr. 44 der schweizerischen Gesandtschaft in London an das Politische Departement vom 11. Mai 1950, E 2300London/ 44; vgl. auch den politischen Bericht Nr. 4 von P. A. von Salis an M. Petitpierre vom 25. Mai 1950, E 2300Paris/104. Zur Londoner Konferenz vgl. das Schreiben von H. de Torrenté an A. Zehnder vom 20. Juni 1950, E 2300London/44.↩
- 8
- Vgl. das Schreiben von A. Zehnder an H. Homberger vom 8. Juni 1950, E 2802(-)1967/78/7.↩
- 9
- Vgl. die regelmässigen Berichte von C. Montandon an den Verein Schweizerischer Maschinenindustrieller, von denen die interessierten Stellen der Bundesverwaltung jeweils Kopien zugestellt erhielten, E 2001(E)1969/121/298.↩
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European Coal and Steel Community (ECSC)
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