Interesse des Bundesrats am Besuch des österreichischen Innenministers in der Schweiz. Die Schweiz ist interessiert an den Tatsachen sowie den Massnahmen im Zusammenhang mit kommunistischen Versuchen, das Funktionieren des Staates zu stören oder zu kontrollieren. Der Besuch muss jedoch geheim bleiben.
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 18, Dok. 67
volume linkZürich/Locarno/Genève 2001
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2200.53-04#1000/1769#115* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2200.53-04(-)1000/1769 13 | |
Dossiertitel | - Besuch von Minister Helmer in der Schweiz - (1946–1950) | |
Aktenzeichen Archiv | P.3.e |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001E#1969/121#6287* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(E)1969/121 236 | |
Dossiertitel | Oesterreich (1950–1954) | |
Aktenzeichen Archiv | B.73.3 • Zusatzkomponente: Oesterreich |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E4320B#1981/141#77* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 4320(B)1981/141 44 | |
Dossiertitel | K.P. Oesterreich (1950–1952) | |
Aktenzeichen Archiv | C.08-10043.2 |
dodis.ch/8282
Der Chef des Polizeidienstes der Bundesanwaltschaft, W. Balsiger, an den schweizerischen Gesandten in Wien, P. A. Feldscher1
Für Ihren wertvollen Bericht vom 19. Oktober a. c.2 danken wir Ihnen bestens. Inzwischen haben wir von Herrn Minister Zehnder die vervielfältigte Regierungserklärung im österreichischen Parlament erhalten3, die vom österreichischen Gesandten in Bern dem Politischen Departement übergeben wurde.
In Ihrem Bericht teilen Sie mit, dass Herr Minister Helmermöglicherweise in nächster Zeit die Schweiz besuchen und die zuständigen Stellen über seine Wahrnehmungen unterrichten werde. Wir würden es ausserordentlich begrüssen, wenn dieser Besuch sobald wie möglich stattfinden könnte4 und zwar im Zusammenhang mit den Weisungen des Bundesrates vom 5. Sept. 1950 betr. vertrauensunwürdige Beamte5, auf welche Weisungen wir bereits in unserem Schreiben vom 13. Oktober 19506 hingewiesen haben. Auf Grund dieser Weisungen sind Massnahmen gegen mehrere Beamte und Angestellte des Bundes getroffen worden. Besonders die von der Generaldirektion der PTT getroffenen Massnahmen sind in ausserordentlich heftiger Weise angegriffen worden, von der PdA, in der Presse und im eidg. und in kantonalen Parlamenten. Die öffentliche Meinung der welschen Schweiz hat gegen den Bundesrat und die Massregelungen fast einmütig Stellung genommen. Nun stehen Wiedererwägungsgesuche der Gemassregelten (vorab der Postfunktionäre) zur Behandlung, die nach einer von Herrn Bundesrat von Steiger im Nationalrat abgegebenen Zusicherung7 vom Bundesrat entschieden werden sollen. Sowohl die Generaldirektion PTT als auch die Bundesanwaltschaft haben das allergrösste Interesse nicht nur an einer lückenlosen Dokumentation im Einzelfall sondern auch an den Erfahrungen mit der kommunistischen Infiltration in andern Ländern, wo es in jüngster Zeit zu einem kommunistischen Umsturz oder zum Versuch dazu gekommen ist (Tschechoslowakei 19488, Österreich 1950). Mit dieser Beweisführung befinden wir uns in Zeitnot, da bis Ende des Jahres alle diese Rekursfälle erledigt sein müssen.
Aus diesen Gründen, die wir Ihnen hier einlässlich auseinandersetzen mussten, wäre uns und der Generaldirektion der PTT der Besuch des Herrn Minister Helmerdringend erwünscht. Vordringlich sind insbesondere Erläuterungen zu dem Satz der Regierungserklärung im österreichischen Parlament: «Ausserdem wurde in einigen Gebieten das Telephon- und Telegraphennetz vorübergehend lahmgelegt», sowie zu den in unserem Schreiben vom 13. Oktober 1950 enthaltenen Meldungen betr. Sabotageaktionen der PTT- und Bahnangestellten.
Eventuell wäre einer der Chefbeamten des Bundesministeriums des Innern, der mit den jüngsten kommunistischen Unruhen in Österreich völlig vertraut ist, bereit, sich nach Bern zu begeben?
Die Reisekosten übernimmt die Eidgenossenschaft. Dieser Brief hat als Einladung zu gelten. Wir würden den Besuch aus Wien der Reise unserer Funktionäre nach Wien unbedingt vorziehen, da die Aussprache in Bern mit den interessierten Stellen sich fruchtbarer gestalten könnte.
Selbstverständlich sollte die Reise – auch von österreichischer Seite – geheim gehalten und die Aussprache streng vertraulich behandelt werden.
Wir bitten um telegraphische Antwort über das Politische Departement9. Im Falle einer Zusage wird das Flugbillet Wien-Zürich von der Generaldirektion PTT sofort besorgt.
Mit Rücksicht auf die Zensur haben wir davon abgesehen, Ihnen das in diesem Schreiben Niedergelegte am Telephon auseinanderzusetzen.
Dieses Schreiben erfolgt im Einvernehmen mit Herrn Bundesanwalt Prof. Lüthi.
- 1
- Schreiben: E 2200.53(-)-/22/13. Je eine Kopie des Schreibens ging an A. Zehnder und an M. Hammer.↩
- 2
- Vgl. E 4320(B)1981/141/44 und E 2001(E)1969/121/236.↩
- 3
- Vgl. die Beilage des Schreibens von A. Zehnder an W. Balsiger vom 26. Oktober 1950, E 4320(B)1981/141/44.↩
- 4
- Der Besuch fand vom 22.–24. November 1950 in Bern statt. Vgl. insbesondere die von A. Amstein erstellten, nicht datierten Aufzeichnungen mit Herrn Bundesminister Helmer, Innenminister Österreichs, über den kommunistischen Putschversuch im September/Oktober 1950 in Österreich, ebd. (dodis.ch/8740). Ursprünglich war nicht beabsichtigt gewesen, von der geheimen Unterredung ein Protokoll zu erstellen. Vgl. das Programm für den Aufenthalt von Herrn Minister Helmer vom 21. November 1950, E 4001(C)-/1/25.↩
- 5
- Vgl. BBl, 1950, Bd. 102, II, S. 789 und BR-Prot. Nr. 1618 vom 5. September 1950, E 1004.1(-)-/1/521 (dodis.ch/7781).↩
- 6
- Vgl. E 2200.53(-)-/22/13.↩
- 7
- Vgl. die Antwort von E. von Steiger auf die Motion von L. Nicole und die Interpellation von P. Graber, NR-Prot. vom 4. Oktober 1950, E 1300(-)-/ I/399, S. 420–430, hier S. 428.↩
- 8
- Vgl. DDS, Bd. 17, Thematisches Verzeichnis: Tschechoslowakei – politische Beziehungen und DDS, Bd. 17, Dok. 71, dodis.ch/4440(dodis.ch/4440).↩
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