Interesse, mit Rumänien normale Beziehungen zu unterhalten ungeachtet der aus der Angelegenheit Vitianu resultierenden rechtlichen Fragen und der Verhaftung von Schweizerbürgern in Rumänien. Geteilte Meinung über die zu ergreifenden Sanktionen.
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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 18, doc. 7
volume linkZürich/Locarno/Genève 2001
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2001E#1967/113#14508* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2001(E)1967/113 778 | |
Titre du dossier | Wirtschaftsverhandlungen und Abkommen mit der Schweiz (1949–1954) | |
Référence archives | C.41.111.0 • Composant complémentaire: Rumänien |
dodis.ch/7240
Sitzungsprotokoll des Politischen Departements1
PROTOKOLL DER SITZUNG VOM 5. AUGUST 1949 IM BÜRO VON HERRN LEGATIONSRAT DR. TROENDLE (15H00–18H00)
[…]2
Herr Troendleerklärt, dass selbstverständlich der Bund ein Interesse an normalen Beziehungen mit Rumänien hat. Sollte [es] sich als notwendig erweisen, so dürfen wir aber ebenso selbstverständlich vor eventuellen Sanktionen nicht zurückschrecken. Immerhin müssen wir uns bewusst sein, dass es schwierig fallen dürfte, die Rumänen durch wirtschaftliche Massnahmen zu einem Einlenken zu veranlassen.
Herr Schnyderschildert den Sachverhalt mit Bezug auf die Affäre Vitianu3. Die Vergleichskommission ist schon dreimal zusammengetreten; die rumänischen Partner sind aber unentschuldigt ferngeblieben. An der letzten Sitzung der Vergleichskommission4 wurde der Beschluss gefasst, das Stadium des Ermittlungsverfahrens als erfolglos abgeschlossen zu betrachten. Auf das Ermittlungsverfahren sollte jetzt das eigentliche Rechtsverfahren vor dem Haager Gerichtshof folgen. Es ist offensichtlich, dass sich die Rumänen einem Entscheid dieses Gerichtshofes entziehen wollen. Das können sie auch, da das formelle Erfordernis zu einem Rechtsentscheid, nämlich ein Entscheid der Vermittlungskommission, eben fehlt. Wir haben wenigstens den bescheidenen Trost, dass wir nicht einen Entscheid rechtlicher Natur, der nach Herrn Cuttat zweifellos zu unseren Gunsten ausgefallen wäre, verhinderten.
Wie Herr Minister von Salis berichtete, ist es dem rumänischen Innenministerium, das entgegen der Auffassung des Aussenministeriums den Vitianuhandel auf die Spitze trieb, gelungen, belastendes Material für gewisse Exponenten der rumänischen Aussenpolitik zu finden, womit der Zweck erreicht ist und Vitianu fallen gelassen werden kann5. Es scheint, dass die Rumänen aus freien Stücken ihr rigoroses Vorgehen abschwächen wollen. Um diese Tendenz auszunützen, sollten wir nichts unversucht lassen. Vielleicht gelingt es mir, Herrn Serban, der nun plötzlich um eine Unterredung mit mir nachgesucht hat, auf das Interesse aufmerksam zu machen, das Rumänien selbst an normalen Beziehungen mit uns haben muss.
Herr Minister von Salisorientiert über die Vorgänge in Rumänien bei der Verhaftung von Schweizerbürgern.
Kurz vor seiner Abreise aus Bukarest wurde ihm noch eine scharf gehaltene Protestnote überreicht6, aus der immerhin geschlossen werden kann, dass die Rumänen unter den Vitianuhandel einen Schlussstrich setzen möchten.
Unsere bisherige Praxis mit Bezug auf den Warenverkehr mit Rumänien muss einer gründlichen Kontrolle unterzogen werden.
Herr Minister Zehndersieht vorläufig zwei Möglichkeiten, mit den Rumänen wieder ins Gespräch zu kommen:
1. die bevorstehende Unterredung Schnyder–Serban7,
2. Vermittlung der russischen Gesandtschaft in Bern8.
Bis diese Möglichkeiten nicht ausgeschöpft sind, sollten unsererseits keine Repressalien ergriffen werden.
Herr Cuttat. Immerhin könnte jetzt beschlossen werden, dass man den Rumänen wenigstens mit Sanktionen drohen könnte.
Herr Minister von Salisist entgegengesetzter Meinung, da es absolut nichts nützt, mit Sanktionen zu drohen, die nachher nicht verwirklicht werden.
Herr Troendle. Was den von der Bankgesellschaft der rumänischen Nationalbank eingeräumten Kredit betrifft9, so scheint ihm ein nachträglicher Protest unsererseits an die Bankgesellschaft nutzlos zu sein. Wir stehen vor einem fait accompli; zudem haben wir das Geschäft mündlich auf Zusehen hin bereits genehmigt.
Was wirtschaftliche Sanktionen betrifft, so ist die wirksamste zweifellos die Sperre. Alle Staatsbanken des Ostblocks hängen sehr an ihren Goldreserven. Die Sperre wurde bisher rigoros gehandhabt. Ausnahmen wurden nur für die rumänische Gesandtschaft in Bern und für das Anwaltshonorar der Verteidiger Vitianus gestattet.
Was ihn am Vorgehen der Bankgesellschaft besonders stört, ist die Tatsache, dass der rumänischen Nationalbank ermöglicht wurde, nicht in Verzug zu geraten. Nachdem aber gemäss Bescheid der Verrechnungsstelle nur ein formeller Verstoss vorliegt, dürfte es nicht angängig sein, die Bankgesellschaft zur Einzahlung der 9,5 Mio. Fr. an die Nationalbank zu verhalten.
Schwierig wird unsere Situation, wenn die Rumänen versuchen sollten, die Sperre mit der Inhaftierung von Schweizern zu verkoppeln. Ob die Freilassung unserer Mitbürger gegen Aufhebung der Sperre erwirkt werden könnte, müsste der Bundesrat entscheiden. Vom Standpunkt der Nationalisierungskommission aus gesehen, haben wir natürlich das grösste Interesse an der Erhaltung des gesperrten Faustpfandes.
Was nun die von Herrn Minister v. Salis beanstandete Praxis der Handelsabteilung betrifft, so lässt sich auf diesem Gebiet nicht viel machen, das die Rumänen ernstlich in Verlegenheit bringen könnte. So war beispielsweise die Zuchtviehausfuhr des letzten Jahres eine innenpolitische Notwendigkeit, die sich übrigens diesen Herbst wiederholen dürfte. Unser Farben-Embargo konnten wir auch bloss zwei Wochen aufrecht erhalten und mussten uns nachher durch die Interessenten der Chemie dahingehend belehren lassen, dass Rumänien Farben in unbeschränkter Menge auch aus den Westzonen Deutschlands beziehen könnte. Wir würden uns also mit einer Ausfuhrsperre für Farben ins eigene Fleisch schneiden. Gleich liegen die Verhältnisse mit Bezug auf die Kugellager, die nicht unter das Verbot der Ausfuhr von kriegswichtigem Material fallen. Rumänien hätte ohne weiteres die Möglichkeit, schweizerische Kugellager via Tschechoslowakei oder Ungarn oder Italien zu beziehen. Dies wenigstens so lange als diese Länder ihr Kugellagerkontingent nicht für eigene Bedürfnisse erschöpft haben.
Herr Bauer. Die hauptsächlichsten Exportartikel sind Maschinen und Farben. Zu den Farben ist nichts Neues beizufügen. Hinsichtlich der Maschinen kann man keine Restriktionen vorsehen, da die Exporte mit alten Geschäften verkoppelt sind und der Kaufpreis (für frühere Kriegsmaterial-Lieferungen) schon vor langer Zeit entrichtet worden ist. Eine Ausfuhrsperre können wir lediglich für Magnetos erlassen. Dies ist bereits geschehen. Herr Bauer wird auch nicht unterlassen, die Kugellager-Fabriken zu bearbeiten.
Beschluss: Die Behandlung von Ausfuhrgesuchen wird auf die lange Bank geschoben, um so wenigstens eine rumänische Demarche und damit ein Wiederingangkommen der Besprechungen zu provozieren.
Herr Vischer. Auf dem Finanzsektor liessen sich natürlich verschiedene Repressalien ergreifen. Alle Massnahmen würden aber zur Konsolidierung unserer Beziehungen zu Rumänien nichts beitragen.
Herr Troendlepflichtet Herrn Vischer bei, indem er in Erinnerung ruft, dass unser erstes Ziel die Befreiung unserer Mitbürger aus der Haft sein muss.
Beschluss: Herr Vischer wird beauftragt, Herrn Generaldirektor Schaefer telefonisch darüber zu unterrichten, dass die heutige Konferenz zu keinem Entschluss über die Bewilligung oder Nichtbewilligung des Kreditgeschäftes gelangte und die Angelegenheit weiterhin in Evidenz behalten wird. Die Bundesbehörden möchten über die Antwort des Generaldirektors der rumänischen Nationalbank unterrichtet werden.
Herr Troendleantwortet auf eine Frage des Unterzeichneten, dass es ihm nicht zweckmässig erscheine, die Bankgesellschaft zu veranlassen, das Gold wieder an unsere Nationalbank zurückzuschaffen, da ja heute die Sperre dem Pfandrecht vorgeht und nicht umgekehrt.
Die Konferenz ist einhellig der Auffassung, man solle jetzt das Ergebnis der verschiedenen bevorstehenden Kontakte abwarten. Die Lage wird dann erneut überprüft werden müssen.
- 1
- E 2001(E)1967/113/778. Paraphe: BR.↩
- 2
- Dieses Protokoll wurde von F. Turnes erstellt und unterzeichnet. An der Sitzung waren folgende Personen anwesend: A. Zehnder, P. A. von Salis, J.- A. Cuttat, F. Schnyder, H. Vischer, F. Turnes, M. Troendle, F. Bauer, L. Roches.↩
- 3
- Zur Affäre Vitianu vgl. DDS, Bd. 18, Dok. 21, dodis.ch/7239.↩
- 4
- Vgl. die interne Notiz des Politischen Departements vom 2. August 1949, E 2001(E)1967/ 113/133.Zur Einsetzung einer Vergleichskommission vgl. auch die Notiz von M. Petitpierre vom 15. Juni 1949, E 2800(-)1967/61/84 (dodis.ch/7261). Vgl. auch DDS, Bd. 17, Dok. 97, dodis.ch/5400, Dok. 100, dodis.ch/5422(dodis.ch/5400, dodis.ch/5422).↩
- 5
- Vgl. zu diesem Thema den politischen Bericht Nr. 11 von P. A. von Salis an M. Petitpierre vom 2. Juli 1949, E 2300Bukarest/14 sowie das Schreiben von P. A. von Salis an A. Zehnder vom 15. Mai 1950, E 2001(E)1967/113/133.↩
- 6
- Nicht ermittelt.↩
- 7
- Eine erste Unterredung zwischen F. Schnyder und B. Serban hatte bereits am 8. August 1949 stattgefunden, vgl. die Notiz von F. Schnyder vom 9. August 1949, ebd. Weitere Unterredungen folgten am 8. und 23. September, vgl. die Notiz von F. Schnyder vom 20. und vom 23. September 1949, E 2001(E)1967/113/136.↩
- 8
- Nicht ermittelt.↩
- 9
- Nicht ermittelt.↩
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