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Die Schweiz und die NNSC. Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte der Neutral Nations Supervisory Commission in Korea 1951–1995, vol. 21, doc. 14
volume linkBern 2023
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2001E-01#1988/16#2805* | |
Dossier title | Administrative Fragen 25.3.1952 - 31.12.1957 (1955–1978) | |
File reference archive | B.73.0.3 • Additional component: Korea, Republik |
dodis.ch/65783Der diplomatische Berater der schweizerischen NNSC-Delegation, Legationsrat Bossi, an den Chef der Abteilung für Politische Angelegenheiten des EPD, Minister Zehnder1
[Presseberichterstattung in der Schweiz über die Korea-Missionen und das Leben in Panmunjom]
Ein etwas hartnäckiger Katarrh zwingt mich, heute mein Zelt zu hüten; da erlaube ich mir, Ihnen diese paar Zeilen zu schreiben. Ich habe dies nicht bereits früher getan, um nicht den Eindruck zu erwecken, mich bezw. unsere Delegation gegen all die unzähligen Presseanschuldigungen verteidigen zu müssen.2 Dies soll auch jetzt nicht der Zweck dieses Briefes sein, da unser Gewissen bedeutend reiner ist, als dies vielleicht einige Herren Journalisten in der Heimat wahr haben möchten. Dem Departement und besonders Ihnen sind wir jedenfalls sehr dankbar, dass Sie die Dinge nun klargestellt haben, zum letzten Mal in der Pressekonferenz vom 19. d. M., wovon uns soeben einige erste Echos zugekommen sind.3
Die Erregung in der deutschsprachigen Presse – unsere welschen Landsleute haben ja von Anfang an eine vernünftige und grosszügigere Haltung gezeigt – hat sich nun anscheinend grösstenteils gelegt. Die ganze teils masslose Aufbauschung der «Ernennungen»4 ist mir besonders aus drei Gründen nahegegangen, ohne allerdings je meinen angeborenen Optimismus über den schliesslichen Ausgang allzusehr getrübt zu haben:
I.) Die Tatsache erschien mir betrüblich, dass der Grossteil der deutschen Zeitungen sich mit lauerndem Sprung auf dieses vermeintliche Sensatiönchen geradezu gestürzt und es dabei auf die bekannte Weise ausgebeutet hat, aber dabei unsere heikle Aufgabe selbst und deren bis anhin befriedigende Erledigung durch unsere Delegation gänzlich aus den Augen verlor. Beruht dies auf Kleinlichkeit, Missgunst, Rache wegen der untersagten privaten Berichterstattung oder ganz einfach aus mangelndem Verantwortungsbewusstsein? Leider doch wohl ein bisschen von allem. Sie können sich vorstellen, dass im Schosse unserer Delegation, die nebenbei bemerkt sozusagen geschlossen hinter Oberstdiv. Rihner und uns engeren Mitarbeitern steht, einige recht bittere Bemerkungen über die mangelnde Reife der Schweiz in internationalen Exkursionen gefallen sind. Die allzulange Isolierung in unserem wohnlichen schweizerischen Schneckenhaus hat eben anscheinend sowohl Vor- wie auch Nachteile.
2.) Die giftige Pressehetze war besonders gegenüber Oberstdiv. Rihner wirklich ungerecht, da er sich bei allem nur von seinem Gewissen und dem Willen leiten liess, seine für ihn nicht immer leichte Mission möglichst gut und reibungslos zu erfüllen. Der bisherige Gang der Ereignisse in der NNSC hat übrigens die erfolgreiche Verwirklichung dieser Absicht in grossem Umfang bestätigt. Er hat zum Glück immer eine stoische Ruhe bewahrt und allzu gehässige Artikel überhaupt nicht mehr zu Ende gelesen. Er habe ein gutes Gewissen, dies sei ihm die Hauptsache. Keine üble und vor allem nervenschonende Einstellung! Oberst Asper, der übrigens auf seinem Posten grosse und gute Arbeit geleistet hat, nahm die Pressehetze allerdings weit weniger ruhig auf.
3.) Von meinem persönlichen Standpunkt aus war mir die ganze Angelegenheit begreiflicherweise insofern recht peinlich, als ich einerseits mir gar nichts vorwerfen konnte und ich andererseits zu Anfang nicht sicher war, wie das Departement auf diese wirklich ungewollte Publizität meiner Person reagieren werde. Eine derartige Befürchtung scheint sich denn ja auch als unbegründet erwiesen zu haben, und ich hoffe sehr, dass diese Episode als «Koreaoberst»5 mir auch in Zukunft nicht etwa schwarz oder auch nur grau angekreidet werde; dies wäre, ich wage es zu sagen ohne unbescheiden zu sein, ebenfalls reichlich ungerecht, im Hinblick auf unsere geleistete Arbeit – und ich betone nochmals erfolgreiche Arbeit — unter recht sonderlichen Verhältnissen. Die allgemein sehr gute Kameradschaft unter uns Delegationsmitgliedern und das ausgezeichnete Verhältnis zu meinem Chef haben zur Freude, mit der ich meine Aufgabe zu erfüllen suchte, viel beigetragen.
Nebenbei darf ich darauf hinweisen, dass der schwedische Delegationschef6 von seinem Aussenministerium ebenfalls zahlreiche die «Ernennungen» betreffende Ausschnitte aus Schweizerzeitungen zugestellt erhielt. Bei den Schwedengenerälen, mit denen wir sehr gut auskommen, und die über die ganze Affäre unverhohlen lachten, machte es uns nicht viel aus, dass sie von diesen Pressestimmen Kenntnis erhielten. Etwas unangenehmer ist das Gefühl, dass die Tschechen, Polen und Amerikaner sehr wahrscheinlich ebenfalls darüber unterrichtet sind. So weit denken allerdings unsere Schreiberlinge zuhause anscheinend nicht.
Weiter will ich mich über diese nun hoffentlich endgültig begrabene Angelegenheit nicht auslassen. Alles weitere ist Ihnen ja bekannt. (Heute ist übrigens ein Legationssekretär 2. Klasse der schwedischen Delegation NNRC hier angekommen, der mit seinen 32 Jahren ebenfalls Oberstenrang bekleidet, mit allem dazugehörenden Gold etc. Auf Stockholm scheinen demnach die schweizerischen Kritiker keinen grossen Eindruck gemacht zu haben.)
Was die Tätigkeit unserer Delegation anbetrifft, sind Sie jeweils durch unsere Wochenberichte in grossen Zügen unterrichtet worden.7 Ich habe darauf geachtet, sie möglichst nüchtern und objektiv zu halten und mich darin auf Tatsachen zu beschränken. Dass wir nicht immer Sensationelles melden konnten, dürfte eher ein gutes Zeichen für den Verlauf unserer Tätigkeit sein.
Ich glaube es kann, wie Ihnen Herr Oberstdiv. vorgeschlagen hat, verantwortet werden, dass ich nach meiner Heimkehr auf Ende des Jahres wenigstens einstweilen nicht ersetzt werde. Besonders in den ersten Monaten hatte ich zwar sehr oft Gelegenheit, mich «nützlich» zu erweisen, als die ganze vielseitige Tätigkeit der NNSC erst aufgebaut und organisiert, sowie die nötigen Kontakte geschaffen werden mussten, sei es am Verhandlungstisch, als Vertreter in Unterkommissionen oder im Verkehr mit den anderen Nationalitäten. Nun ist jedoch die Arbeit seit einiger Zeit mehr und mehr zu einer Routineangelegenheit geworden, wo es weit weniger auf die Ratschläge eines Politischen Beraters ankommt. Schliesslich haben ja auch die Militärs einen gesunden Menschenverstand. Dabei sind die eigentlichen Aufgaben der NNSC doch weitgehend militärischer und organisatorischer Natur, sodass der nun gut geölte Karren auch weiterhin richtig laufen sollte.
Ich persönlich werde jedenfalls immer dankbar sein, die mir anvertraute Aufgabe in Korea erhalten zu haben; ich habe dabei vieles lernen können und doch auch, wie gesagt, etwas zum guten Gelingen der Kommissionsarbeit beisteuern dürfen. Dankbar bin ich auch für die vielen Gelegenheiten, persönlich einige der «Grossen» dieser Welt kennen gelernt zu haben: Präsident Syngman Rhee, Aussenminister Foster Dulles, Botschafter Cabot Lodge, Senator Knowland, Armeeminister Stevens, die Generäle Clark, Hull, Taylor und gestern Ridgway usw. Wenn ich nun in knapp zwei Monaten heimkehren werde, so geschieht dies gesamthaft gesehen mit einen Gefühl der Genugtuung und der Befriedigung der geleisteten Arbeit, in teils recht schwierigen Verhältnissen; «schwierig» darf dabei ruhig auch auf die «Heimatfront» angewandt werden!
Ich bin begreiflicherweise sehr froh über die Anwesenheit von Herrn Minister Däniker und König.8 Es herrscht nun hier ein bisschen Departementsatmosphäre, im guten Sinne des Wortes natürlich! Auch das einst so primitive Leben ist seit einigen Wochen beinahe mondän geworden; sogar Bridgekarten habe ich wieder einmal zur Hand genommen, und in einer Zeltbar kann man nun ein Getränk bestellen, ein vor einiger Zeit noch unglaublich klingender Luxus. Daneben ist unser Freiluftleben sehr gesund, die Kameradschaft sehr gut, und für einen aufmerksamen Beobachter gibt es jetzt immer wieder etwas Interessantes zu sehen, sodass auch das früher fast beängstigende Gefühl der Isolierung mehr und mehr verschwunden ist. Nachdem nun auch anderes als nur Hiobsbotschaften über unsere Delegation in der lieben Heimatpresse erscheint, kommt einem das Dasein wieder recht rosig vor.
Beifügen muss ich noch, dass die Schweden viel zur Annehmlichkeit unseres Aufenthaltes beitragen. General Grafström hat sich nach anfänglicher nordischer Reserviertheit schon seit langem als angenehmer, geistreicher und gastfreundlicher Partner entpuppt, während General Mohn mit seinem urchigen Sarkasmus und seiner grossen Erfahrung schon von Beginn an ein treuer Kamerad war. Dieses gute gegenseitige Verständnis, an dessen Zustandekommen ich nicht ganz unbeteiligt war, hat sicherlich auch am Verhandlungstisch seine Früchte getragen.
Heute hat mir übrigens General Grafström mitgeteilt, er werde im kommenden Dezember wieder auf seinen Ministerposten in Mexiko zurückkehren, und dann werde Mohn die Leitung der Delegation übernehmen, nachdem er den ursprünglichen Vorschlag Stockholms abgelehnt habe, weiterhin nur als Stellvertreter oder Politischer Berater zu wirken. Wir sind glücklich über diese neue Lösung, da auf diese Weise für eine gewisse Kontinuität auf «unserer» Seite gesorgt ist. Mohn wird sich sicherlich auch mit den neuen Schweizerchefs gut verstehen, schon auf Grund seines perfekten Züritütsch!
Ich bin recht stolz, dass sich heute mein selbst erfundenes Zweifingersystem beim Niederschreiben dieser Zeilen ganz gut bewährt hat. Unsere Büroleute sind ja, wie Sie leider jeweils aus unseren Berichten ersehen müssen, auch keine Künstler auf diesem Gebiet.
Ich hoffe, dass Sie immer bei guter Gesundheit sind und nicht allzu viele dornenvolle Probleme zu bewältigen haben. Wir wissen eben hier zur Hauptsache nur, was in Panmunjom und Umgebung geschieht. Dies ist allerdings in letzter Zeit genügend, um auch ein verwöhntes Auge zu sättigen.9
P.S. Nach Niederschrift der vorangehenden Zeilen sind wir heute, den 30. Oktober, von General Grafström zu einem intimen Lunch mit Botschafter Dean, dem amerikanischen Unterhändler in der Politischen Vorkonferenz, geladen worden. Herr Dean war bei sehr guter Laune und zeigte sich trotz der Tatsache, dass die Verhandlungen bis anhin keinerlei Fortschritt erzielt haben, über den endgültigen Ausgang optimistisch. Auf Einzelheiten, die Sie aus der Presse erfahren und die bei Eintreffen dieses Briefes ohnehin überholt sein werden, will ich hier nicht näher eingehen. Von einigem Interesse dürfte einzig seine Antwort auf eine Frage nach dem vermutlichen Sitz der Friedenskonferenz sein. Botschafter Dean bemerkte nämlich, dass nach seiner Ansicht die Kommunisten voraussichtlich Panmunjom als Verhandlungsort vorschlagen würden. Obwohl Amerika beispielsweise Genf bei weitem vorziehen würde, so glaube er kaum, dass seine Regierung Panmunjom als letzte Wahl ablehnen könnte. Aussenminister Dulles habe ihm, Dean, vor kurzem lachend gesagt, dass Panmunjom wenigstens den Vorteil hätte, einen raschen Ablauf der Konferenz zu gewährleisten, da die meist recht verwöhnten Diplomaten es sicher nicht allzu lange in diesen primitiven Verhältnissen aushalten würden. Auch inbezug auf Unterkunft, Verbindungen, Nahrung usw.‚ usw. wäre natürlich eine eigentliche Konferenzstadt weit vorzuziehen. Falls die Nordseite auf Panmunjom bestehen sollte, sei es aus Prestige- oder anderen Gründen, so würde sich – wie gesagt – Amerika wahrscheinlich einem solchen Wunsche fügen. In anderem Zusammenhang sagte Botschafter Dean auch, dass Amerika an und für gegen eine Teilnahme Indiens an der Friedenskonferenz nichts einzuwenden hätte, wenn Syngman Rhee sich nicht auf so kompromisslose10 Weise dagegen sträubte. Ohne die wenigstens stillschweigende Zustimmung Südkoreas könne Amerika zurzeit jedoch seinen einmal eingenommenen Standpunkt betreffend die Ausschliessung Indiens nicht ändern!11
- 1
- CH-BAR#E2001E-01#1988/16#2805* (B.73.0.3). Dieses an den Chef der Abteilung für Politische Angelegenheiten des EPD, Minister Alfred Zehnder, gerichtete Schreiben wurde vom diplomatischen und politischen Berater der schweizerischen NNSC-Delegation, Legationsrat Walter Bossi, verfasst und unterzeichnet. Das Schreiben wurde von Minister Zehnder und von dessen Stellvertreter Egbert von Graffenried visiert.↩
- 2
- Für eine Zusammenstellung von Presseberichten aus der Schweiz vgl. das Dossier CH-BAR#E2001E-01#1988/16#2804* (B.73.0.2.(10)), für eine Zusammenstellung von Presseberichten aus dem Ausland vgl. das Dossier CH-BAR#E2001E-01#1988/16#2794* (B.73.0.2.(02)).↩
- 3
- Vgl. dazu den Bericht über die Pressekonferenz an den Vorsteher des EMD, Bundesrat Karl Kobelt, vom 19. Oktober 1953, dodis.ch/66762.↩
- 4
- Zur Problematik der Ad-hoc-Zuerkennungen von militärischen Graden für Mitglieder der schweizerischen NNSC-Delegation («Ernennungen») vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2549.↩
- 5
- Legationsrat Bossi wurde vom Chef der schweizerischen NNSC-Delegation, Oberstdivisionär Friedrich Rihner, in Tokio noch vor Beginn der Mission zum Obersten ernannt: «Ich kann ihn unmöglich, das habe ich nun einsehen müssen, als [Oberleutnant] auftreten lassen. (In Bern war ich auch noch anderer Meinung)», vgl. das Schreiben von Oberstdivisionär Rihner an die Vorsteher des EPD und des EMD, die Bundesräte Max Petitpierre und Karl Kobelt, vom 27. Juli 1953, dodis.ch/66635.↩
- 6
- Generalmajor Sven Grafström.↩
- 7
- Für die Wochenberichte an den Bundesrat vgl. das Dossier CH-BAR#E5301-03#1981/11#12* (851.B.04).↩
- 8
- Der Chef der schweizerischen NNRC-Delegation, Minister Armin Däniker, und sein politischer Berater, Legationsrat Max König, trafen am 9. September 1953 als Vorausdetachement in Panmunjom ein, vgl. den Schlussbericht von Minister Däniker vom 20. März 1954, dodis.ch/65814, S. 5, sowie seinen Bericht an Bundesrat Petitpierre vom 7. September 1953, dodis.ch/66878. Vgl. ferner die thematische Zusammenstellung Neutrale Heimschaffungskommission für Kriegsgefangene in Korea (NNRC), dodis.ch/T2524.↩
- 9
- Handschriftliche Grüsse: Mit meinen freundlichen Empfehlungen an Ihre Frau Gemahlin, übermittle ich Ihnen, sehr verehrter Herr Minister, meine herzlichen Grüsse, Ihr stets sehr ergebener Walter Bossi. Bitte wenden!↩
- 10
- Handschriftliche Korrektur aus: unkompromisslose.↩
- 11
- Zur Genfer Asienkonferenz vom 26. April bis zum 21. Juli 1954 vgl. die thematische Zusammenstellung dodis.ch/T2551. Zur Frage der Teilnahme der Schweiz vgl. QdD 21, Dok. 17, dodis.ch/66048. Zu den Auswirkungen der Konferenz auf die Tätigkeiten der schweizerischen NNSC-Delegation vgl. QdD 21, Dok. 21, dodis.ch/9675.↩
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Neutral Nations Supervisory Commission (NNSC)