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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 1990, doc. 34
volume linkBern 2021
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Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
Segnatura | CH-BAR#E2010A#1999/250#174* | |
Titolo dossier | Ständerat, vol. 2 (1990–1990) | |
Riferimento archivio | A.12.13.41 |
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
Segnatura | CH-BAR#E1050.12#1994/311#11* | |
Titolo dossier | Protokolle und Sitzungsakten (1990–1990) | |
Riferimento archivio | 1 |
dodis.ch/56205Notiz des EDA zuhanden der Kommission für auswärtige Angelegenheiten des Ständerats1
KSZE: Neueste Entwicklungen und Perspektiven2
Seit der Unterzeichnung der Schlussakte am 1. August 1975 in Helsinki3 hat die KSZE über Höhen und Tiefen des Ost-West-Verhältnisses die Beziehungen zwischen den 35 Teilnehmerstaaten allmählich ausgebaut und so einen beträchtlichen Beitrag zum Aufbruch Europas im vergangenen Jahr geleistet. Umgekehrt wirkt sich diese Wende auch fruchtbar auf die Entwicklung des KSZE-Prozesses in allen drei Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Umwelt sowie menschliche Dimension aus.
Die beiden Konferenzen über wirtschaftliche Zusammenarbeit im März/April 1990 in Bonn4 und über die menschliche Dimension im Juni 1990 in Kopenhagen5 haben das neue Klima in Europa noch verdeutlicht. Die Konfrontation zwischen den zwei Blöcken ist überwunden und macht einer gesamteuropäischen Zusammenarbeit Platz. Die Verhandlungen kommen im Vergleich zu früher zügig voran. Vorschläge werden von Staaten verschiedener Gruppen gemeinsam eingebracht.
Die wichtigsten Ergebnisse dieser Konferenzen sind die Verabschiedung von Grundsätzen zur Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einschliesslich freier und gerechter Wahlen in Kopenhagen sowie das Bekenntnis zur Marktwirtschaft in Bonn. Auch auf dem Gebiet des Schutzes nationaler Minderheiten6 ist man einen Schritt weiter gekommen. Ferner sind Bestrebungen zur Erweiterung des Mechanismus der menschlichen Dimension zur besseren Durchsetzung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Diskussion.
In Kopenhagen beschlossen die Aussenminister der 35 KSZE-Teilnehmerstaaten am 5. Juni 1990, die Vorbereitung des KSZE-Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs, das für den 19.–21. November 1990 in Paris geplant ist, an die Hand zu nehmen. Einem Vorbereitungsausschuss wurde das Mandat erteilt, die Tagesordnung zu erstellen sowie ein oder mehrere Dokumente für das Gipfeltreffen auszuarbeiten.7 Der Ausschuss hielt eine erste Session vom 10.–27. Juli in Wien ab und wird dort seine Arbeit ab 4. September wieder aufnehmen.8 Diese Fortschritte sollen die 35 Aussenminister an einem Treffen auf Einladung des amerikanischen Aussenministers Baker am 1. und 2. Oktober in New York überprüfen.9
Ziel des Gipfels ist es, an diesem entscheidenden Punkt der europäischen Geschichte gewisse Entwicklungen zu konsolidieren und zu kanalisieren und dem KSZE-Prozess in diesem neuen Abschnitt die erforderlichen Impulse zu verleihen. Dies soll auf der Grundlage der in den letzten Monaten immer mehr als gemeinsames Gut erachteten europäischen Werte von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten geschehen. Schliesslich soll der Gipfel auch von der deutschen Einigung Kenntnis nehmen und deren Beitrag zur neuen europäischen Ordnung würdigen.10
Bereits in der Julisession konnte der Vorbereitungsausschuss zahlreiche Elemente für ein oder mehrere Gipfeldokumente zusammentragen. Dabei herrschte Übereinstimung, dass die KSZE den Rahmen für neue Strukturen in Europa bilden soll, einen Rahmen allerdings, in dem auch Platz für andere Organisationen bleibt.
Aus diesen Elementen lassen sich die Perspektiven der KSZE deutlich ablesen. Sie sind in drei Teile gegliedert:
- 1. Entwicklung eines demokratischen, friedlichen und vereinten Europas und die Rolle des KSZE-Prozesses;
- 2. Richtlinien für die Zukunft des KSZE-Prozesses;
- 3. Entwicklung der Strukturen des KSZE-Prozesses.
Allen KSZE-Staaten gemeinsam ist der Wille nach einer ausgewogenen, umfassenden Entwicklung des KSZE-Prozesses. Im Bereich der Sicherheit stehen die beiden Wiener Verhandlungen zwischen den 23 Mitgliedern der beiden Militärbündnisse über konventionelle Abrüstung (CFE) und unter den 35 KSZE-Staaten über vertrauens- und sicherheitsbildende Massnahmen (CSBM) im Vordergrund.11 Vor allem die Amerikaner halten nach wie vor daran fest, dass der Abschluss eines CFE-Abkommens Voraussetzung für die Abhaltung des Gipfeltreffens ist.12 Auch von den CSBM-Verhandlungen wird für den Gipfel ein Dokument,13 allenfalls im Sinne eines Zwischenberichts, erwartet. Man geht davon aus, dass beide Verhandlungen nach dem Gipfel bis zum nächsten KSZE-Folgetreffen ab März 1992 in Helsinki wie bisher getrennt weitergeführt werden. In Helsinki sollte dann allerdings ein Mandat finalisiert werden, wonach künftige Verhandlungen über Sicherheit und Abrüstung wieder gemeinsam unter den 35 Staaten geführt werden.
Neben diesen Verhandlungen gewinnen die Mittel zur Konfliktverhütung und der friedlichen Erledigung von Streitfällen zunehmend an Gewicht. So findet neben Projekten anderer Staaten für Vermittlung und Streitschlichtung auch der schweizerische Vorschlag, der seit 1975 auf dem Tisch liegt14 und über Jahre hinweg ein Schattendasein fristete, neue Aktualität und stösst allgemein auf grosses Interesse.
Vermehrte Zusammenarbeit wird auf wirtschaftlichem, wissenschaftlichem und technologischem Gebiet gefordert. Dies soll auf marktwirtschaftlicher Grundlage geschehen und Hilfe an jene Staaten einschliessen, die tiefgreifende Reformen anstreben. Ferner sollen die Verpflichtungen im Bereich des Umweltschutzes besser eingehalten und noch ausgebaut werden.
In der menschlichen Dimension sollen demokratische Institutionen ausgebaut, der Mechanismus zur Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten gestärkt sowie der Schutz der Minderheiten verbessert werden. Kulturelle Zusammenarbeit und Jugendaustausch sollen vermehrt gefördert werden. Hier hat die Schweiz in Kopenhagen zwei wichtige Initiativen ergriffen; die eine – die gemeinsam mit den anderen Neutralen erarbeitet und schliesslich von den N+N eingereicht wurde15 – schlägt als neuen Mechanismus vor, dass Beobachter in Staaten entsandt werden können, um die Menschenrechtssituation an Ort und Stelle zu prüfen, die andere – die von Grossbritannien, der Sowjetunion, Ungarn, Finnland, Schweden, Liechtenstein, Malta und Jugoslawien mitunterzeichnet wurde16 – schlägt die Abhaltung eines Expertentreffens über nationale Minderheiten in der Schweiz vor.
Am meisten diskutiert wurden in den vergangenen Monaten vor allem die neuen Strukturen des KSZE-Prozesses. Vorschläge reichen von einer leichten Institutionalisierung, die eher eine Verstetigung des Prozesses bewirken soll, bis hin zu Vorstellungen, die KSZE könnte Organismen schaffen, die in Zukunft die Bündnisse ablösen. Solche ehrgeizigen Pläne scheinen indessen zurzeit keine Chancen für einen Konsens zu finden. Vor allem hat die NATO, wie in ihrer Londoner Erklärung17 deutlich signalisiert wird, durch die Einbindung des vereinigten Deutschland in die Allianz Aufwind bekommen und ihren Willen zu vermehrter politischer Zusammenarbeit bestätigt. Aber auch den Neutralen könnte ein Ausbau der KSZE zu einer Organisation für kollektive Sicherheit Probleme schaffen, ganz abgesehen davon, dass vielerorts bezweifelt wird, ob eine solche Lösung zeitgemäss wäre.
So zeichnet sich, ganz im Sinne der Schweiz, ein Konsens in Richtung einer leichten Institutionalisierung ab mit Gipfeltreffen alle zwei Jahre, regelmässigen Konsultationen von Aussenministern und hohen Beamten, mit häufigeren und kürzeren Folgetreffen. Dies würde allenfalls die Gründung eines kleinen Verwaltungssekretariats erforderlich machen, evtl. mit rotierendem Personal aus den KSZE-Staaten.
Weitere Strukturen könnten ein Zentrum für Konfliktverhütung und eine Methode zur friedlichen Beilegung von Streitfällen bringen. Zur Diskussion steht auch die Schaffung eines parlamentarischen Zweiges der KSZE, in den Europarat eingebaut oder zumindest unter Nutzung von dessen Infrastruktur.
Mit dieser leichten Institutionalisierung wäre den schweizerischen Forderungen nach Dezentralisierung und Vermeidung von Doppelspurigkeiten durch Ausnützung bestehender Organisationen genüge getan. Die Schweiz ist auch an einer Zusammenarbeit mit dem Europarat im Bereich der Menschenrechte sowie mit der ECE/UNO und der OECD auf wirtschaftlichem Gebiet interessiert.
Eine wichtige Frage für die Schweiz und ihre neutralen Partner ist jene nach ihrer künftigen Rolle in der KSZE. Solange die Blöcke bestanden, bewährten sich die Neutralen und Nichtgebunden (N+N) regelmässig als Mittler und übernahmen die Funktion von Koordinatoren bei den Verhandlungen. Während Vermittlungsfunktionen mit der Auflösung der Blöcke an Bedeutung verlieren, bewerben sich vermehrt auch andere Staaten um Koordinationsaufgaben. So versuchte die von Österreich angeführte Pentagonale (Italien, Österreich, Jugoslawien, Ungarn und CSFR)18 in Kopenhagen, die Rolle der N+N zu übernehmen, was auf halbem Wege gelang, indem Österreich und Ungarn je eine Arbeitsgruppe zur Koordination zugesprochen erhielten und nur mit knapper Not auch Finnland und die Schweiz zum Zuge kamen.19 Im Vorbereitungsausschuss für das Gipfeltreffen spielten sich ähnliche Manöver ab, und es gelang erst im letzten Moment, durch Unterstützung der beiden Supermächte und einiger EG-Staaten, die angestammte Koordinatorenrolle nochmals für die Neutralen zu gewinnen (die Schweiz wird die Richtlinien für den künftigen KSZE-Prozess koordinieren). Wir müssen uns darauf gefasst machen, dass diese Aufgabe in Zukunft vermehrt mit anderen mittleren und kleineren Staaten Europas geteilt werden muss.20
Um so wichtiger wird es sein, dass die Neutralen in der Substanz noch intensiver zusammenarbeiten. Im Vorbereitungsausschuss gelang dies insofern, als die vier Neutralen vom ersten Tag an gemeinsam ein Konzept für ein Gipfeldokument erarbeiteten, dieses den Nichtgebundenen vorlegten, so dass am Ende der ersten Sessionswoche die N+N als erste Gruppe dem Ausschuss ein substantielles Arbeitspapier21 vorlegen konnten. Gerade beim künftigen Ausbau der KSZE zum entscheidenden europäischen Forum, das den Rahmen für alle andern Organisationen und Institutionen bilden soll, wird die gemeinsame Wahrung der Interessen der Neutralen immer bedeutungsvoller werden.
- 1
- CH-BAR#E2010A#1999/250#174* (A.12.13.41). Diese Notiz wurde in Hinblick auf die Sitzungen der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats vom 6. und 7. September 1990 verfasst und figurierte als Beilage des entsprechenden Protokolls vom 19. September. Sie wurde an der Sitzung nicht weiter diskutiert, vgl. dodis.ch/56466, Teilprotokoll 1, Punkt 4.2. Der Text wurde in Wien von der schweizerischen Delegation im Vorbereitungsausschuss (PrepCom) für das Pariser KSZE-Treffen der Staats- und Regierungschefinnen und -chefs verfasst. Geleitet wurde die Delegation von Botschafterin Marianne von Grünigen, Chefin der Politischen Abteilung III sowie von Paul Widmer, Chef des KSZE-Diensts des EDA. Zur Zusammensetzung der schweizerischen Delegation im PrepCom für das KSZE-Gipfeltreffen in Paris vgl. das BR-Prot. Nr. 1649 vom 29. August 1990, dodis.ch/56672.↩
- 2
- Für die Schweizer Positionen im Hinbick auf den KSZE-Gipfel in Paris vgl. auch dodis.ch/54948.↩
- 3
- Vgl. DDS, Bd. 26, Dok. 158, dodis.ch/38867.↩
- 4
- Für den Austausch mit der bundesdeutschen Delegation im Vorfeld der Konferenz über wirtschaftliche Zusammenarbeit vom 19. März bis 11. April 1990 vgl. dodis.ch/55104 und für den Bericht der Schweizer Delegation über die besagte Konferenz vgl. dodis.ch/55258.↩
- 5
- Vgl. dazu die Zusammenstellung dodis.ch/C1778.↩
- 6
- Am 7. Mai 1990 unterbreitete der Direktor der Politischen Direktion des EDA, Staatssekretär Klaus Jacobi, dem Vorsteher des EDA, Bundesrat René Felber, den Vorschlag, dass die Schweiz sich im Rahmen einer KSZE-Sonderkonferenz über die Minderheitenprobleme engagieren solle, vgl. dodis.ch/56674.↩
- 7
- Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 1649 vom 29. August 1990, dodis.ch/56672.↩
- 8
- Vgl. dazu das Rundschreiben der schweizerischen Delegationschefin beim KSZE-PrepCom, Botschafterin von Grünigen, das am 9. September 1990 versendet wurde, dodis.ch/56666.↩
- 9
- Vgl. dazu die Rede von Bundesrat Felber vom 2. Oktober anlässlich des KSZE-Aussenministertreffens in New York, dodis.ch/56669 sowie den Wochentelex 41/90 vom 8. Oktober 1990, dodis.ch/55168, Punkt 2 (rapides).↩
- 10
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Deutsche Wiedervereinigung, dodis.ch/T1675 sowie DDS 1990, Dok. 43, dodis.ch/56427 und Dok. 44, dodis.ch/56631.↩
- 11
- Vgl. dazu die thematische Zusammenstellung Vertrauens- und sicherheitsbildende Massnahmen (VSBM), dodis.ch/T1718.↩
- 12
- Die Mitgliedsstaaten der NATO und des Warschauer Pakts unterzeichneten kurz vor Beginn des Pariser KSZE-Gipfels am 19. November 1990 den Conventional Forces in Europe Treaty (CFE),vgl. dazu DDS 1990, Dok. 50, dodis.ch/54685 sowie die thematische Zusammenstellung Vertrag über die Konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE), dodis.ch/T1844.↩
- 13
- Wiener Dokument 1990 der Verhandlungen über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Massnahmen vom 17. November 1990, dodis.ch/54681. Vgl. ferner die Berichte der schweizerischen Delegation an den Verhandlungen in Wien, dodis.ch/57080 und dodis.ch/56000.↩
- 14
- Ein erster Vorschlag für ein System der friedlichen Streitbeilegung wurde vom EDA im Hinblick auf den Beginn der KSZE-Vorverhandlungen im Dezember 1972 ausgearbeitet, vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 173, dodis.ch/34487, Punkt II b), bes. Anm. 15. Das an den Hauptverhandlungen präsentierte Projekt (DDS, Bd. 26, Dok. 32, dodis.ch/38816, Punkte I. C) 1. und III.) fand jedoch unter den Teilnehmerstaaten keine Mehrheit, vgl. DDS, Bd. 26, Dok. 158, dodis.ch/38867. Vgl. auch die Zusammenstellung dodis.ch/C1874.↩
- 15
- Dok. CSCE/CHDC.1 vom 5. Juni 1990. Vgl. dazu den Schlussbericht der schweizerischen Delegation am Kopenhagener KSZE-Treffen, dodis.ch/55259, bes. Beilage 2.↩
- 16
- Dok. CSCE/CHDC.25 vom 14. Juni 1990. Vgl. dazu ebenfalls dodis.ch/55259, bes. Beilage 9.↩
- 17
- In der Erklärung an der Gipfelkonferenz in London vom 6. Juli 1990 bekannten sich die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der NATO-Mitgliedstaaten zu einer Transformation des Bündnisses sowie zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Staaten Mittel- und Osteuropas, vgl. dazu den Politischen Bericht Nr. 9 des schweizerischen Botschafters in Brüssel, Gaspard Bodmer, vom 11. Juli 1990, dodis.ch/56908.↩
- 18
- Zu einer Einschätzung der Pentagonale durch die Politische Abteilung I des EDA vgl. dodis.ch/56722.↩
- 19
- Vgl. dazu dodis.ch/56676.↩
- 20
- Zum Stellenwert der Neutralität vgl. DDS 1990, Dok. 24, dodis.ch/54523 sowie dodis.ch/55751.↩
- 21
- Für das Co-Ordinator’s Non Paper der Ad hoc Group on Draft Elements of One or More Summit Documents vom 26. Juli 1990 vgl. das BR-Prot. Nr. 1649 vom 29. August 1990, dodis.ch/56672.↩
Collegamenti ad altri documenti
http://dodis.ch/56205 | è il supplemento di | http://dodis.ch/56466 |
Tags
Organizzazione per la sicurezza e la cooperazione in Europa (OSCE)
Vertice della CSCE a Parigi (19.–21.11.1990) Misure miranti a rafforzare la fiducia e la sicurezza (CSBM)