dodis.ch/50143BUNDESRATBeschlussprotokoll II der 27. Sitzung vom 16. August 19781

Der Rat nimmt eine grundlegende Lagebeurteilung vor, wobei drei Mitglieder2 des Direktoriums der Nationalbank und der Direktor der Handelsabteilung3 an der Aussprache teilnehmen. Übereinstimmend wird festgestellt, dass sich die Sturmzeichen in den letzten Wochen häufen, so dass in absehbarer Zeit als Folge des hohen Frankenkurses mit schweren Rückschlägen in der Exportindustrie4 und in der Folge mit Beschäftigungseinbrüchen zu rechnen ist. Dieser Entwicklung darf nicht tatenlos zugesehen werden, doch müssen anderseits allfällige Massnahmen wohl überlegt sein, ansonst sie sich nicht in einer Verbesserung, sondern in einer Verschlimmerung der Lage auswirken könnten. Unter diesem Gesichtspunkt ist namentlich in Betracht zu ziehen, dass die Schwierigkeiten der Währungslage nicht «hausgemacht» sind, sondern als Folge internationaler Zusammenhänge auftreten. Die Schweiz allein kann den Zerfall des Dollar-Kurses5nicht aufhalten. Mit Interventionen6 der Nationalbank allein ist es, mit andern Worten, nicht mehr getan. Es muss geprüft werden, wie der schweizerischen Wirtschaft, vorab der Exportwirtschaft, unter die Arme gegriffen werden kann, damit sie der internationalen Konkurrenz gewachsen bleibt7. Übereinstimmend ist man sich einig, dass die Stabilitätspolitik, die uns die niedrigste Teuerungsrate der Welt beschert hat, nicht aufgegeben werden darf, wenn auch gewisse Ritzungen (largere Geldmengenpolitik der Nationalbank) in Kauf genommen werden müssen. Nicht in Frage kommen eine Kontrolle oder eine Spaltung des Devisenmarktes8, eine Devisensteuer oder ein neuer Bau-Bonus. Auch zum Handelsprotektionismus soll nicht gegriffen werden. Hingegen werden, namentlich von Seiten des EVD, folgende Massnahmen zur Prüfung angeregt: Förderung der Entwicklungshilfe mit Kaufverpflichtungen in der Schweiz, Subventionen für Messebeteiligungen und Kollektivwerbung im Ausland, Subventionierung der Kosten für die Einladung ausländischer Käufer, bzw. für Prospektionsreisen im Ausland9. Das Direktorium der Nationalbank ist der Auffassung, dass das Anlageverbot10 für ausländische Gelder in Wertschriften überprüft und in absehbarer Zeit gelockert, bwz. sogar aufgehoben werden könnte; es regt ferner neue Erleichterungen für steuerliche Abschreibungen an und vertritt die Auffassung, dass der Bund ohne Schaden gewisse Steuerreduktionen in Kauf nehmen könnte. Allgemein ist man der Auffassung, dass die billigeren Importe auf die Konsumpreise im Inland durchschlagen sollten. Im Hinblick auf die internationalen Verflechtungen halten Bundesrat und Nationalbank dafür, dass die Möglichkeiten einer europäischen Koordination ernsthaft zu prüfen sind, wobei jedoch keinerlei voreilige Stellungnahme erfolgen sollte.

Der Rat beauftragt FZD und das EVD, für die nächste Sitzung je eine Arbeitsgruppe11 für die währungspolitischen, beziehungsweise die realwirtschaftlichen Massnahmen vorzuschlagen, damit in den kommenden Wochen konkrete Beschlüsse gefasst werden können.

Die Öffentlichkeit wird durch eine Pressemitteilung orientiert (s. Beilage12).

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