Sprache: Deutsch
26.4.1940 (Freitag)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 26.4.1940
Bundesratsprotokoll (PVCF)
Situation des échanges commerciaux et du clearing à la veille des négociations qui vont s’ouvrir à Rome. Les prétentions commerciales des deux parties, l’état du clearing et des paiements en devises libres. Composition de la délégation suisse à Rome.

Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
A. AVEC LES ÉTATS LIMITROPHES
3. Italie
3.2. Affaires économiques
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Jean-François Bergier et al. (Hg.)

Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 13, Dok. 268

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Bern 1991

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Aufbewahrungsort

dodis.ch/47025
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 26 avril 19401

703. Verhandlungen mit Italien

Das Volkswirtschaftsdepartement unterbreitet folgenden Bericht:

«Anlässlich der Verhandlungen vom September vorigen Jahres über den Abschluss eines Transitabkommens stellte Italien eine Reihe von Begehren handels- und clearingpolitischer Natur2.

Nachdem anfangs November in Bern nur eine dreitägige Besprechung mit einer kleinen italienischen Delegation geführt werden konnte3, sollen nun die eigentlichen Unterhandlungen nächste Woche in Rom begonnen werden.Italienische Begehren

A. HANDELSPOLITISCHE FRAGEN.

1. Schweizerische Einfuhrkontingente:

Italien verlangte erhöhte Kontingente für Früchte, Tomaten, andere Gemüse, Kartoffeln, Wein, Wermut und eine Reihe industrieller Erzeugnisse. Von Belang sind hauptsächlich die hiervor erwähnten Begehren für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Es kann ihnen nicht entsprochen werden, weil schon die bisherigen Kontingente infolge der Vermehrung der einheimischen Erzeugung und beim Wein infolge des Rückganges des Verbrauches als zu hoch betrachtet werden müssen. Für die Tomaten werden wir sogar eine Herabsetzung des Kontingents oder zum mindesten eine Beschränkung der Einfuhr auf die Zeit anstreben müssen, in der das einheimische Erzeugnis normalerweise noch nicht auf dem Markte erscheint. Desgleichen wird eine Herabsetzung des Kontingents für feinere Gemüse (Pos. 40 b2) erstrebt werden müssen, da dieses Kontingent in den Jahren normaler Schweiz. Produktion zu hoch ist. Für den Wein wird vor allem versucht werden müssen, die kuranten Weissweine aus dem Kontingent auszuschliessen. Ein bescheidenes Entgegenkommen wird vielleicht für gewisse frische Früchte, vor allem Pfirsiche, in Betracht kommen, jedoch nur, falls es zur Erreichung gewisser schweizerischer Verhandlungsziele unbedingt notwendig ist.

Ein Entgegenkommen wird dagegen für verschiedene Positionen auf industriellem Gebiet möglich sein, auf dem sich übrigens die italienischen Begehren im Gegensatz zu denjenigen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse in verhältnismässig bescheidenem Rahmen bewegen. Für einige Positionen wird die Gewährung eines Zusatzkontingents an die Erlangung von Zusatzkontingenten oder anderer Vorteile für entsprechende schweizerische Erzeugnisse geknüpft werden müssen.

2. Saisonmässige Verteilung der Kontingente:

Dieses italienische Begehren bezieht sich lediglich auf frische Früchte und Gemüse (einschliesslich Tomaten und Kartoffeln) sowie auf Frauen- und Kinderkleider aus Seide und Wolle. Für die letztgenannten industriellen Produkte kann dem italienischen Begehren entsprochen werden, zumal es unserer bisherigen Praxis entspricht. Dagegen werden wir das Begehren für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse ablehnen, da es unsere bisherige Bewegungsfreiheit zu stark beschränken würde. Da wir schon bisher die Früchte- und Gemüsekontingente schon mit Rücksicht auf unsere im allgemeinen später einsetzende Produktion saisonmässig verteilten, dürfte übrigens unsere Praxis den Italienern genügend Gewähr bieten und unter Umständen für sie sogar vorteilhafter sein, als eine starre Verteilung der Kontingente auf die einzelnen Vierteljahre.

3. Kontingentsverwaltung:

Bekanntlich verwalten wir alle schweizerischen Einfuhrkontingente selbst. Anlässlich der Einführung der allgemeinen Kontingentierung für alle Waren in Italien war es uns trotzdem gelungen, für eine grosse Zahl von Waren die schweizerische Verwaltung der italienischen Kontingente zu erlangen. Das Bestreben der italienischen Behörden ging jedoch dahin, nach und nach alle Kontingente in die eigene Verwaltung zu nehmen. Im Jahre 1936 ist es uns gelungen, für eine Anzahl Erzeugnisse die schweizerische Verwaltung vertraglich zu sichern. Dies gilt vor allem für folgende Erzeugnisse:

Käse, Obst, die meisten Textilwaren, Schrauben und Drehteile, Erzeugnisse der Uhrenindustrie, Heilmittel. Es handelt sich hier vorwiegend um Waren, die entweder saisonmässig spediert werden müssen oder die in sehr kleinen Mengen zum Versand gelangen.

Italien verlangt nun die eigene Kontingentsverwaltung auch für die vorerwähnten Erzeugnisse. Wir können nicht zustimmen, da leider dem italienischen System der Verteilung der Kontingente durch Berufsverbände überaus schwere Mängel anhaften (Langsamkeit bei der Verteilung, Ausschaltung von im Inland ebenfalls hergestellten Waren, bisweilen sogar Zuteilung der Kontingente an italienische Konkurrenten der schweizerischen Lieferanten) und sich zudem die italienischen Importeure mit oder ohne Druck der Verbände oft scheuen, Einfuhrgesuche stellen zu müssen. Wir werden deshalb unbedingt die Beibehaltung der schweizerischen Kontingentsverwaltung für die vorerwähnten Erzeugnisse verfechten und zudem versuchen müssen, diese Verwaltung auch noch für einige andere Erzeugnisse zurückzugewinnen, die erst auf Anfang Januar 1940 der italienischen Kontingentsverwaltung unterstellt worden sind. Es ist dies das schweizerische Hauptbegehren für die Verhandlungen. Dem Hinweis Italiens darauf, dass wir selbst ebenfalls alle Kontingente verwalten, können wir damit begegnen, dass wir nur einen Teil der Waren (ungefähr 1/3 der Tarifpositionen, für ungefähr 2/3 der Einfuhr aus Italien) der Einfuhrbeschränkung unterworfen haben, während Italien die gesamte Einfuhr beschränkt hat. Die Beibehaltung der schweizerischen Kontingentsverwaltung für eine Anzahl italienische Positionen sei dafür ein bescheidenes Äquivalent.

4. Ausnützung der Kontingentssaldi:

Auf Antrag der Schweiz ist 1936 vereinbart worden, dass die verfügbaren Kontingentssaldi vierteljährlich gemeldet werden müssten, und dass dann auf Rechnung dieser Saldi beliebige Importeure und Vertreter der Branche Gesuche durch Vermittlung der Gesandtschaft des Lieferlandes einreichen könnten4. Es bildete dies eine gewisse Sicherung gegen die hiervor bereits erwähnten Übelstände der italienischen Kontingentsverwaltung. Die Italiener verlangen die Aufhebung dieses Systems der Saldiausnützung. Wir werden einstweilen die Aufrechterhaltung des jetzigen Zustandes verfechten müssen, obwohl die Anwendung des Systems auch uns nicht immer eitel Freude bereitete.

5. Schweizerisches Leistungssystem:

Die italienischen Behörden richten wieder einmal einen Angriff auf unser Leistungssystem, wie es für gewisse Früchte und Gemüse (einschliesslich Kartoffeln) gehandhabt wird. Wir werden, wie bei frühem Gelegenheiten, jenes System verteidigen.

6. Aufhebung vertraglicher Bindungen italienischer Zölle:

Italien ersucht um Aufhebung einer Reihe von Bindungen italienischer Zölle, die im Handelsvertrag von 1923 enthalten sind5. Mit wenigen Ausnahmen betreffen die italienischen Begehren Waren, deren Einfuhr aus der Schweiz in Italien sehr bescheiden geworden ist, oder die wir überhaupt nicht mehr nach jenem Lande liefern. Daraus ergibt sich, dass wir Italien weitgehend entgegenkommen können. Für einige Positionen werden wir jedoch auf der Beibehaltung der bisherigen Zollbindungen beharren müssen. In ändern Fällen werden wir italienische Gegenkonzessionen zu fordern haben. Auch darüber hinaus wird selbstverständlich ein Entgegenkommen nur möglich sein, wenn auch Italien das nötige Verständnis für unsere Begehren zeigt.

7. Farbstoffe:

Schon im Jahre 1936 mussten wir der Beschränkung der Einfuhr von Teerfarben aus der Schweiz auf ein Wertkontingent zustimmen, das zwischen den schweizerischen und den italienischen Interessengruppen privatrechtlich festgelegt worden ist und das weit unter dem steht, was uns auf Grund der frühem Einfuhr aus der Schweiz zustände. Italienischerseits wird nun eine Revision in der Richtung angestrebt, dass fortan nur noch solche schweizerische Farbstoffe in Italien eingeführt werden könnten, die die italienische Industrie nicht selbst herstellt. Einer solchen unannehmbaren Forderung werden wir mit dem Hinweis darauf entgegentreten können, dass wir in einem solchen Falle auch den Ausschluss aller italienischen Erzeugnisse, wie Wein, Früchte, Gemüse, Kunstseide usw., verlangen könnten, die die Schweiz ebenfalls erzeugt.

8. Zollabfertigung an der italienischen Grenze:

Durch einen Notenwechsel im Zusammenhang mit dem Vertrag von 1923 konnte erreicht werden, dass die Spediteure in Chiasso die Zollabfertigung im indirekten Transit direkt mit dem italienischen Zollamt vornehmen können, statt sich der Vermittlung der Zollagentur der italienischen Staatsbahnen bedienen zu müssen. Schon seit Jahren versucht die italienische Generalzolldirektion, diesen Zustand zu ändern6. Da dessen Aufrechterhaltung für Chiasso sozusagen eine Lebensfrage ist, müssen wir unbedingt an der Beibehaltung der vertraglichen Vereinbarungen festhalten. Konkrete italienische Begehren sind uns übrigens erst in Aussicht gestellt worden, doch wissen wir ungefähr, in welcher Richtung sie gehen werden.

9. Ausdehnung der italienisch-schweizerischen Wirtschaftsabkommen auf Albanien:

Italien verlangte schon im letzten Sommer die Ausdehnung aller schweizerisch-italienischen Wirtschaftsabkommen auf die am 20. April 1939 abgeschlossene italienisch-albanische Zollunion7. Wir haben diesem Begehren bis jetzt nicht entsprochen, weil wir vorerst klar sehen wollten, was wir mit der Ausdehnung praktisch gewinnen würden. Nachdem nun auf 1. März 1940 die Zollunion tatsächlich zur Anwendung gebracht wurde, besteht für uns kein Grund des Zuwartens mehr. Wir können deshalb dem italienischen Gesuche ohne weiteres entsprechen. Offen ist lediglich die Frage, in welcher Form die Ausdehnung der Abkommen geschehen soll - ob gemäss dem italienischen Vorschläge unter summarischer Erwähnung der Stoffgebiete oder unter namentlicher Aufführung der in Frage kommenden Abkommen.

10. Abkommen über Campione:

Italien hat schon vor einem Jahre den Entwurf eines Abkommens über die Regelung aller Beziehungen zwischen Italien und der italienischen Enklave Campione, die vom schweizerischen Hoheitsgebiet umschlossen ist, vorgelegt. Es ist dies eine Angelegenheit, die das Politische Departement im Einvernehmen mit den ändern in Betracht kommenden Verwaltungen behandelt. Die gegenwärtige Kriegszeit wäre für den Abschluss eines Abkommens am allerwenigsten geeignet. Nachdem man nun schon seit über hundert Jahren ohne Abkommen ausgekommen ist, wird man auch italienischerseits den Abschluss nicht als dringlich bezeichnen können8.II.

Schweizerische Begehren.

1. Kontingentsverwaltung:

Wie hiervor unter Ziffer I, 3, dargelegt worden ist, werden wir die Beibehaltung der schweizerischen Kontingentsverwaltung für eine Reihe italienischer Zolltarifpositionen unbedingt durchsetzen müssen. Es ist dies das Hauptbegehren, das wir bei den bevorstehenden Verhandlungen zu stellen haben werden, die nicht von schweizerischer, sondern von italienischer Seite verlangt worden sind.

2. Erhöhung italienischer Einfuhrkontingente:

Mit Rücksicht auf das Clearing werden wir mit Begehren um Erhöhung italienischer Einfuhrkontingente zurückhaltend sein müssen. Es wird sich erst im Verlaufe der Verhandlungen ergeben, in welchem Umfange solche Begehren gestellt werden können.

In Betracht kommen auch einige wenige Begehren um Übertragung von Kontingenten von einer Position auf eine andere.

3. Vieheinfuhr in Italien:

Der Braunviehzuchtverband hat einige Wünsche zur Erleichterung des Zuchtviehverkaufs nach Italien anhängig gemacht, da die im letzten Jahre getroffenen Vereinbarungen wegen einiger Formalitäten und Qualitätsvorschriften einem grössern Absatz hindernd im Wege stehen. Die Frage, ob und inwieweit diese Wünsche bei den bevorstehenden Verhandlungen verfochten werden sollen, wird von Herrn Dr. Borei im Einvernehmen mit dem Veterinäramt noch geprüft.

4. Begehren zum italienischen Zolltarif:

Nach dem italienischen Zolltarif werden Drehteile sowie Schrauben aus gewissen unedlen Mettalen nicht nach Material und Beschaffenheit, sondern nach dem Verwendungszweck verzollt. Daraus ergeben sich immer wieder Schwierigkeiten und Unsicherheiten bei der Verzollung, da die italienischen Zollbeamten natürlicherweise immer darnach trachten, Stücke, deren Verwendungszweck nicht sicher ist oder die für verschiedene Maschinen oder Apparate verwendet werden können, unter die höchstbelastete Position einzureihen. Es wird schweizerischerseits versucht werden müssen, diesen Zustand durch Anmerkungen zu den in Betracht kommenden Tarifpositionen zu ändern.

5. Italienische Ausfuhrbeschränkungen:

Italien hat die Ausfuhr aller wichtigem Waren verboten. Teils wegen tatsächlicher Knappheit, teils aber offenbar auch zum Zwecke der Anlegung grosser Lager, zum Teil jedoch ferner zum Zwecke des Verkaufs nach Ländern, die in freien Devisen bezahlen, wendet Italien die Ausfuhrbeschränkungen für die meisten Erzeugnisse, auf deren Bezug aus Italien wir mehr oder weniger angewiesen sind, gegenüber unserm Lande so scharf an, dass verschiedene Waren, deren Einfuhr früher das Clearing sehr stark befruchtet hat, fast oder überhaupt nicht mehr erhältlich sind. Es gilt dies beispielsweise für Heu, Stroh, Häute, Pyrit usw. Schon mit Rücksicht auf das Clearing, aber auch wegen unserer eigenen Landesversorgung werden wir eine Änderung dieses Zustandes anstreben müssen.

6. Herabsetzung schweizerischer Einfuhrkontingente:

Es ist hiervor bereits unter Ziffer I, 1, erwähnt worden, dass wir eine Herabsetzung des Kontingents für feinere Gemüse (Position 40 b 2) und allenfalls auch für Tomaten verlangen müssen. Mit Rücksicht auf das Clearing, auf die schweizerische Landesversorgung während der Kriegszeit und unsere eigenen Begehren, hauptsächlich hinsichtlich der Beibehaltung der Kontingentsverwaltung, werden wir bei Begehren um Herabsetzung schweizerischer Kontingente eine weise Mässigung an den Tag legen müssen.

7. Aufhebung vertraglicher Bindungen schweizerischer Zölle:

Das unter Ziffer I, 6, hiervor erwähnte Begehren um Aufhebung verschiedener vertraglicher Bindungen italienischer Zölle wird uns die erwünschte Gelegenheit bieten, unserseits einige Begehren um Entlassung aus vertraglichen Bindungen schweizerischer Zölle stellen zu können. Da Italien Begehren nur für Positionen stellte, unter denen die Einfuhr aus der Schweiz gleich null oder verhältnismässig bescheiden ist, werden auch wir in der Hauptsache nur Forderungen für Waren anhängig machen können, die Italien nur in verhältnismässig bescheidenen Mengen oder überhaupt nicht nach der Schweiz liefert. Die Dekonsolidierung werden wir verlangen vor allem für:

a) Kautschukwaren der Positionen 517, 518 und 529, deren Zölle nur gegenüber Italien gebunden sind und wo ein vermehrter Schutz der schweizerischen Produktion unbedingt am Platze sein wird.

b) Blumenzwiebeln und Pflanzenknollen der Position 206, da die Kultur im Wallis und in Kerzers aufgenommen worden ist und sehr ausdehnungsfähig sein soll; ein italienischer Verzicht wird aber praktisch erst ausgenützt werden können, wenn wir auch von Belgien den Verzicht auf die Zollbindung erwirkt haben werden.

c) Schnittblumen der Position 207, wofür wir die Aufhebung der Bindung zum mindesten für die Sommermonate Juli/September zu erlangen trachten werden. Auch hier ist der Zoll noch mit Belgien gebunden, das aber seit vielen Jahren jährlich nur einige wenige q geliefert hat.

d) Rizinusöl der Positionen 974a und 1117. Italien, das diese Zölle allein gebunden hat, liefert sozusagen nichts. Ob die Freigabe der Bindung zugunsten der Tessiner Industrie praktisch ausgenützt werden kann, steht allerdings einstweilen noch dahin, da es sich um einen Rohstoff handelt und Rohstoffe in der Regel im Tarif nur mit mehr nominellen Zöllen belastet werden.

e) Baumnüsse und Haselnüsse der Position 39 a 4, Fischkonserven der Positionen 88 und 89 a/b, feine Konserven der Position 103, lederne Handschuhe der Position 202, Hüte der Positionen 564 und 568, Asbest- und Mica-Erzeugnisse der Position 635 b, Kabel der Positionen 825/828, Riechstoffe der Position 1052, falsche Bijouterie der Positionen 1146 und 1146 a.

Es erübrigt sich, auf diese Begehren näher einzustreten, für die wir die Freigabe teils aus fiskalischen Gründen, teils aber auch nur zu taktischen Zwecken verlangen.

Alle hiervor erwähnten Verhandlungsgegenstände haben wir mit den in Betracht kommenden schweizerischen Wirtschaftskreisen erörtert und abgeklärt.

B. CLEARINGPOLITISCHE FRAGEN.

Der schweizerisch-italienische Zahlungsverkehr wickelt sich teilweise innerhalb eines Clearing-Systems ab (Warenverkehr sowie Zins- und Dividendenzahlungen), andernteils ausserhalb des Clearings in freien Devisen (Reiseverkehr und Versicherungsverkehr).Der schweizerisch-italienische Clearingverkehr hatte vom Inkrafttreten des Clearing an, d.h. seit 10. Dezember 1935 bis heute, einen Umsatz von etwas über 500 Millionen Fr. Die dem Clearing zugeflossenen Mittel, d.s. die Einzahlungen bei der Schweizerischen Nationalbank in Zürich, betrugen vom Dezember 1935 bis Ende Februar 1940 505,3 Millionen Fr. oder monatsdurchschnittlich 9,907 Millionen Fr. Nach dem Verteilungsschlüssel des geltenden Clearingabkommens sind 80% der Einzahlungen für Waren und Nebenkosten des Warenverkehrs im weitern Sinne, 20% der Einzahlungen für den Transfer von Zins- und Dividenden-Forderungen aus Italien nach der Schweiz zu verwenden. In Wirklichkeit erhielt der Waren-Sektor (Waren und Nebenkosten) etwa 81*/2%, während auf den Finanz-Sektor (Zinsen und Dividenden) nur 18,5% entfielen. Dieses Ab weichen vom Verteilungsschlüssel des Vertrages hat seine Ursache in der Hauptsache darin, dass vom Finanz-Konto, welches trotz der 100%igen Überweisung sämtlicher Zins- und Dividenden-Ansprüche Überschüsse aufwies, vorläufige Überträge auf das Warenkonto gemacht worden sind, welches bis unmittelbar vor dem Kriege notleidend war. Diese reichliche Speisung des Finanzkontos einerseits und die zu knappe Dotierung des Warenkontos anderseits bildeten bereits seit langer Zeit das Kernproblem des schweizerisch-italienischen Clearingverkehrs. Die knappe Speisung des Warenkontos äusserte sich darin, dass auf diesem Konto Fehlbeträge entstanden sind, welche sich unmittelbar vor dem Kriege, d.h. Ende August 1939, auf 45!/2 Millionen beliefen. Diese Fehlbeträge im Clearing bewirken bekanntlich, dass für die schweizerischen Exportgläubiger Wartefristen entstehen. Im schweizerischitalienischen Clearing belief sich die Zeitspanne zwischen der Einzahlung des Betrages durch den italienischen Schuldner in Rom und der Auszahlung des Betrages in Zürich bei einem Saldo von 45 1/2 Millionen auf über 6 Monate. Es ist klar, dass eine solche Wartefrist besonders in den unruhigen Vorkriegszeiten und in noch viel höherem Masse in den heutigen Kriegszeiten für den Exporteur völlig untragbar ist. Das von der Exportseite seit langem angemeldete Postulat lautete deshalb auf eine bessere Speisung des Warenkontos. Diese Verbesserung kann praktisch nur auf Kosten der Speisung des Finanzkontos erfolgen.

Der Zahlungsverkehr innerhalb des Clearings.

Zwar haben sich die Verhältnisse seit Kreigsausbruch insofern geändert, als die Einzahlungen in Zürich in den letzten 7 Monaten eine starke Zunahme erfuhren. Während sich, wie oben erwähnt, die monatsdurchschnittlichen Einzahlungen seit Beginn des Clearings auf 9,9 Millionen Fr. belaufen, erreichen diese Einzahlungen in der Kriegsperiode vom September 1939 bis Ende März 1940 einen monatsdurchschnittlichen Betrag von 14,8 Millionen. Diese verbesserte Speisung hat sich sofort auf den Clearingsaldo des Warenkontos ausgewirkt. Dieser ist nämlich von 451/2 Millionen (Ende August 1939) auf Wh Millionen (Ende März 1940) gesunken. Damit haben sich auch die Wartefristen für die Transferierung der Exportguthaben entsprechend verringert. Bei gleichbleibenden Einzahlungen wird der Saldo des Warenkontos in einigen wenigen Monaten vollständig verschwunden sein.

Trotz dieser Verbesserung haben Handel, Industrie und Landwirtschaft das dringliche Begehren nach einer Erhöhung der bisherigen Quote von 80% gestellt. Dieses Begehren, welches wir hiermit zu unserem eigenen machen, stützt sich im wesentlichen auf folgende Gründe:

Angesichts der bisherigen knappen Dotierung des Warenkontos musste schweizerischerseits stets dafür gesorgt werden, dass die Ausfuhr schweizerischer Waren nach Italien den Rahmen der allgemeinen Exportkontingente, die sich nach unserer Ausfuhr im Jahre 1934 bemessen, nicht überschritt. Dies führte dazu, dass italienische Begehren für zusätzliche Bezüge aus der Schweiz zulasten des Clearings besonders in der letzten Zeit häufig abgewiesen werden mussten. In solchen Fällen verblieb den Italienern, wenn sie auf die Ware dringend angewiesen waren, nichts anderes übrig, als sie ausserhalb des Clearings, gegen Bezahlung in freien Devisen, zu beziehen. Diese Sachlage ist umso unerfreulicher, als Italien seinerseits in vermehrtem Masse dazu überzugehen trachtet, bestimmte Waren von kriegswirtschaftlicher Bedeutung trotz Bestehen des Clearingabkommens nurmehr gegen Bezahlung in freien Devisen zu liefern. Je

[...]9

bei einer Monatseinzahlung von 15 Mio 2,04 monatlich oder 24,5 jährlich

» » » » 16 Mio 2,24 » » 26,9 »

Auf der ändern Seite ist in Erwägung zu ziehen, dass der Transferierung der Erträgnisse unserer Kapitalguthaben im Ausland angesichts der ganz besondern Anforderungen an die schweizerische Zahlungsfähigkeit im internationalen Zahlungsverkehr eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Die schweizerischen Kapitalanlagen in Italien betragen ca. 500 Millionen Fr. Sie sind im Publikum stark verteilt, stellen also keine ausgesprochenen Bankinteressen dar. Wo die Erträgnisse Holding-Gesellschaften, wie der Elektro-Bank in Zürich und der Italo-Suisse in Genf10 zufliessen, handelt es sich um Institute, deren Aktien wiederum weit im Publikum herum verteilt sind. Soweit es sich um nicht in Form von Wertpapieren gekleidete Forderungsrechte, wie Einzeldarlehen, Hypothekarforderungen und Beteiligungen an kleinern Gesellschaften handelt, so sind diese besonders in den Kantonen Tessin und Graubünden beheimatet, d.h. in schweizerischen Wirtschaftsgebieten, welche heute vielleicht eine besondere Berücksichtigung verdienen. Wenn ferner in Betracht gezogen wird, dass es sich bei unsern Kapitalanlagen in Italien vielfach um das Ergebnis schweizerischer Pionierarbeit im italienischen Wirtschaftsgebiet handelt, welches durch die mehrfachen Lire-Abwertungen schon starken Belastungen unterworfen worden ist, so wird man zum Schluss kommen müssen, dass auch die Finanzinteressen einer angemessenen Berücksichtigung im Clearing teilhaftig werden müssen.

Der heutige Stand der Clearingeinzahlungen erleichtert nun einen Entscheid über die Aufteilung des Clearingsubstrats auf Finanz- und Warengläubiger insofern, als die gegenwärtige Clearingspeisung eine volle Transferierung der Zins- und Dividendenansprüche auch dann erlaubt, wenn die Quote von 20% herabgesetzt wird. Nach angestellten Erhebungen macht die Gesamtsumme der schweizerischen clearingberechtigten Finanzanprüche jährlich ca. 27 Millionen aus. Im Durchschnitt der Jahre 1938/1939 betrug die effektive Beanspruchung des Transferkontos zwar nur etwas über 25 Millionen Fr. jährlich.

Geht man von den Einzahlungsziffern seit Kriegsausbruch aus (unter Weglassung des als anormal zu betrachtenden Monats September, in dem überhaupt alles einigermassen ins Stocken kam), so erhält man eine monatsdurchschnittliche Einzahlung von genau 15 Millionen Fr. Wenn man den von seiten der Exportgläubiger vorgeschlagenen Verteilungsschlüssel etwas verbessert, indem man den Basis-Prozentsatz statt mit 12 mit 13% ansetzt, so erhalten die Finanzgläubiger bei einem Einzahlungsdurchschnitt von 15 Millionen monatlich ungefähr genug, um die anfallenden Vermögenserträgnisse voll zu transferieren, wie sich aus folgender Tabelle ergibt: angenommene Transfermöglichkeit von 40% verbessert haben, sondern sogar seit längerer Zeit zur 100°/oigen Transferierung übergehen konnten, so haben sie praktisch mehr erhalten, als ihnen im Vertrage zugedacht war. Es wurde anderseits bereits darauf hingewiesen, dass die Entwicklung des Warenkontos im umgekehrten Sinne stattfand. Es kann deshalb von einem Rechtsanspruch der Finanzgläubiger nicht wohl gesprochen werden.

[...]11

Auch in tatsächlicher Hinsicht ist eine Rückübertragung der 9 Millionen vom Warenkonto auf das Finanzkonto nicht angezeigt, denn dadurch würde die Sicherung des Warenkontos für den Fall sinkender Clearingeinnahmen auf längere Zeit illusorisch gemacht. Die durch die Reduktion der Quote herbeigeführte Besserstellung des Warenkontos für den Fall sinkender Clearingeinnahmen würde bei einer Reduktion der Finanzquote von 20 auf 13% ca. 8,4 Millionen Fr. jährlich bei einer durchschnittlichen Monatseinnahme von 10 Millionen ausmachen. Dieser Betrag entspricht fast genau dem Betrag von 9 Millionen, welchen die Finanzgläubiger beanspruchen.

Die übrigen auf dem Gebiete des Clearings zur Diskussion stehenden Probleme haben den Charakter von technischen und Einzelfragen. Sie sollen deshalb in diesem Rahmen nicht berührt werden. Eine Ausnahme gilt höchstens für das italienische Begehren der Abschaffung der sogenannten «Wiederanlage-Lire». Im bisherigen Abkommen war nämlich für die nicht transferierten schweizerischen Kapitalansprüche, also für nicht transferierbare Vermögenserträgnisse und insbesondere zur Rückzahlung fällige Kapitalansprüche eine besonders günstige Wiederanlagemöglichkeit geschaffen, deren Hauptvorteil in der Negoziabilität der auf solche Wiederanlange-Konten einbezahlten Beträge bestand. Die Italiener wünschen die Abschaffung dieser Lireart aus devisenpolitischen Gründen.

Die Delegation wird diesem Begehren nach Möglichkeit entgegentreten, und falls dem italienischen Begehren dennoch stattgegeben werden muss, einen möglichst guten Ersatz für die Wiederanlage-Lire zu schaffen versuchen. Dieses Postulat muss übrigens nicht nur im Interesse der Finanzgläubiger gestellt werden. Es hat seine ganz besondere Bedeutung auch für die Frage der Schaffung einer möglichst günstigen Transfermöglichkeit für die Guthaben schweizerischer Rückwanderer aus Italien.II.

Der Zahlungsverkehr ausserhalb des Clearings.

Ausserhalb des Clearings, d.h. in freien Divisen, wickeln sich die Zahlungen im Reise- und Versicherungsverkehr ab. Eine genügende Dotierung dieser beiden Gruppen kann von der Schweiz nur im Rahmen einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz gefordert werden, d.h. wir werden uns auch Italien gegenüber auf den Boden der Bilateralität stellen müssen und von den Italienern nicht mehr Devisen verlangen können, als wir selbst ihnen zur Verfügung stellen.

Auf dem Gebiete der Zahlungsbilanz war die überragende schweizerische Leistung früher stets der schweizerische Reiseverkehr nach Italien. Diese sehr erhebliche und für Italien als ausgesprochenes Land des Tourismus sehr interessante Devisenquelle ist infolge des Krieges natürlich arg in Mitleidenschaft

[...]12

Aus dieser Aufstellung ergibt sich, dass die schweizerische Zahlungsbilanz gegenüber Italien mit etwa 20 Millionen passiv ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der schweizerische Kapital-Zahlungsverkehr nach Italien, wie nach dem übrigen Ausland, vollkommen frei ist, während Kapitalzahlungen aus Italien nach der Schweiz praktisch gar nicht in Frage kommen. Deshalb wird das Zahlungsbilanzpassivum der Schweiz praktisch noch höher sein als oben ausgewiesen wurde. Daraus ziehen wir vor allem die Schlussfolgerung, dass in unserer gegenseitigen Zahlungsbilanz noch sehr reichlich Raum ist für eine bessere Speisung des Reiseverkehrs aus Italien nach der Schweiz. Der gegenwärtige Zustand auf diesem Gebiet ist vollkommen untragbar. Auf der ändern Seite böte gerade Italien für die am meisten betroffenen Fremdenverkehrszentren eine Chance, die in den heutigen Kriegszeiten daniederliegende Fremdenindustrie einigermassen über Wasser zu halten. Es wird deshalb Aufgabe der schweizerischen Delegation sein, von der italienischen Regierung mit allem Nachdruck zu verlangen, dass in irgendeiner Form Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die schweizerische Hotelindustrie zu befruchten. Die Schweiz. Fremdenverkehrskreise sind darauf vorbereitet, den Italienern auch für die technische Durchführung praktische Vorschläge zu machen, welche die von Italien stets gefürchtete Kapitalflucht nach dem Ausland verhindern soll. Diese Vorschläge gipfeln in der Einführung eines Kontrollsystems, ähnlich wie wir es im Verkehr mit Deutschland besitzen. Ein besonderes Augenmerk wird darauf gerichtet werden müssen, den in Italien domizilierten Schweizern in diesem Rahmen die Möglichkeit zu geben, ihre Ferien in der Schweiz zu verbringen, ihre Kinder in schweizerische Erziehungsinstitute zu schicken oder in schweizerischen Kuranstalten Aufenthalt zu nehmen.

Was schliesslich den Versicherungsverkehr anbelangt, so ist dieser zahlenmässig ungefähr ausgeglichen, sofern man die Leistungen der Schweiz. Unfallversicherungsanstalt in Luzern in den Rahmen der Versicherungsleistungen einbezieht, was durchaus am Platze ist. Auch auf diesem Gebiete hat das bisherige Verhalten Italiens zu sehr viel Klagen Anlass gegeben. Ein gutes Vorzeichen für die Verhandlungen ist vielleicht darin zu erblicken, dass die Schweiz für Italien in der heutigen Zeit als Rückversicherungsmarkt an Interesse stark gewonnen hat und dass die Vertreter der Rückversicherung bereit sind, ihr Gewicht auch zugunsten der sogenannten Direktversicherer (Unfall-, Haftpflichtversicherung etc.) in die Waagschale zu werfen.»

Antragsgemäss wirdbeschlossen:

1. Dieser Bericht wird als Instruktion an die Verhandlungsdelegation genehmigt.

2. Es wird eine Verhandlungsdelegation in folgender Zusammensetzung ernannt:

Direktor Dr. J. Hotz, Leiter der Delegation, ferner als Delegierte:

Oberzollinspektor Häusermann von der Eidg. Oberzolldirektion, Bern;

Dr. A. Borei, Vize-Direktor des Schweiz. Bauernverbandes, Brugg;

M. Schwab, Direktor der Schweiz. Nationalbank, Zürich;

Dr. Ch. Zoelly, Präs. des Komitees Italien der Schweiz. Bankierver. Zürich;

Nat. Rat. Dr. M. Gafner, Präsident des Schweiz. Fremdenverkehrs-Verbandes, Bern;

Dr. H. Herold, Sekretär des Vororts des Schweiz. Handels- und Industrie-Vereins, Zürich;

Dr. E. Frölich, Direktor der Schweiz. Rückversicherungsgesellschaft, Zürich;

Nationalrat F. Rusca, Chiasso.

Als Experte:

Dr. F. Gygax, von der Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements.

1
E 1004.1 1/396.
2
Cf. Nos 158, 163, 165 et 170.
3
Cf. No 198.
4
Cf. DDS, vol. 11, doc. 211, dodis.ch/46132, doc. 221, dodis.ch/46142, doc. 228, dodis.ch/46149, doc. 237, dodis.ch/46158, doc. 239, dodis.ch/46160, doc. 250, dodis.ch/46171.
5
Cf. DDS, vol. 8, doc. 249, dodis.ch/44891, doc. 253, dodis.ch/44895, doc. 302, dodis.ch/44944.
6
Cf. No 4, 17, 23, 28 et 44.
7
Cf. E 2200 Rom 23/1, E 7110 1967/32/900Italien, et aussi No 44.
8
Cf. E 4260 (C) 1974/34/74.
9
Für die Tabelle vgl. dodis.ch/47025. Pour le tableau, cf. dodis.ch/47025. For the table, cf. dodis.ch/47025. Per la tabella, cf. dodis.ch/47025.
10
Sur la Société financière italo-suisse, fondée à Genève en 1902 pour reprendre des participations suisses dans l’industrie électrique de l’Italie méridionale, cf. E 2001 (E) 2/593-594 et E 2001 (E) 1968/78/298.Pour des exposés généraux sur les investissements suisses en Italie, cf. E 7001 (B) 1/29, E 2001 (D) 1/253 et E 2001 (E) 2/592.
11
Für die Tabelle vgl. dodis.ch/47025. Pour le tableau, cf. dodis.ch/47025. For the table, cf. dodis.ch/47025. Per la tabella, cf. dodis.ch/47025.
12
Für die Tabelle vgl. dodis.ch/47025. Pour le tableau, cf. dodis.ch/47025. For the table, cf. dodis.ch/47025. Per la tabella, cf. dodis.ch/47025.