Language: German
10.1.1923 (Wednesday)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 10.1.1923
Secret minutes of the Federal Council (PVCF-S)
Etat des négociations commerciales avec l’Italie. Discussion et approbation des points en suspens. Limiter les concessions en matière vinicole par rapport aux engagements pris avec la France, l’Espagne et par rapport à la production intérieure.

Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATIONS BILATERALES ET LA VIE DES ETATS
II.15. Italie
II.15.3. Négociations et relations commerciales
How to cite: Copy

Printed in

Antoine Fleury, Gabriel Imboden (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 249

volume link

Bern 1988

more… |
How to cite: Copy
Cover of DDS, 8

Repository

dodis.ch/44891
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 10 janvier 19231

Handelsvertragsverhandlungen mit Italien

Mündlich

Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements führt über den Stand der Handelsvertragsunterhandlungen mit Italien2 folgendes aus:

Zur Zeit bestehen noch Meinungsverschiedenheiten über einige Zollansätze, namentlich für Maschinen; die grösste Schwierigkeit bereitet aber die Frage der Einfuhrbeschränkungen. Der italienische Unterhändler Luciolli war über Neujahr in Rom, um Weisungen einzuholen. Bei seiner Rückkehr erklärte er Herrn Nationalrat Frey, die italienische Regierung halte unbedingt fest an der Forderung, dass die sämtlichen noch gegenüber Italien wirksamen Einfuhrbeschränkungen mit Inkrafttreten des Vertrages ganz aufzuheben seien und dass während der Dauer des Vertrages keine neuen Einfuhrbeschränkungen gegenüber Italien aufgestellt werden dürften. Solange diese Forderung nicht zugestanden werde, könne er sich über die übrigen noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten gar nicht aussprechen. Am selben Tage sprach der italienische Gesandte bei mir vor und erklärte unter Hinweis auf die Rückkehr Luciollis aus Rom, dass, wenn die Schweiz noch einiges Entgegenkommen zeige, wohl eine völlige Einigung zustande kommen könne. Ähnlich lautete auch ein Telegramm der Schweizerischen Gesandtschaft in Rom, das gleichen Tages einging und u. a. berichtete, die italienische Regierung werde nicht unbedingt auf der Aufhebung der Einfuhrbeschränkungen bestehen. Ich machte den italienischen Gesandten auf den Widerspruch zwischen seinen und Luciollis Mitteilungen aufmerksam und der Gesandte übergab mir dann eine Aufzeichnung, worin ausgeführt war, aus der Tatsache, dass die Schweiz auf die Einfuhrbeschränkungen nicht verzichten wolle, ergeben sich für Italien Bedenken; denn es laufe Gefahr, dass die Zugeständnisse, die Italien bei den Vertragsunterhandlungen erlangt habe, durch Schweiz. Einfuhrbeschränkungen wirkungslos gemacht würden, während die Schweiz im Genuss der italienischen Zugeständnisse verbliebe. Davon, dass ohne Verzicht auf die Einfuhrbeschränkungen nicht mehr weiter verhandelt werden könne, enthielt diese Aufzeichnung nichts, und die Sachlage blieb vorläufig unabgeklärt. Als dann am vergangenen Montag der Vorsteher des Finanz- und Zolldepartementes und ich zu den Verhandlungen der Zollkommissionen der eidg. Räte nach Zürich kamen, suchte Herr Luciolli um eine Besprechung mit uns nach. Bei dieser Besprechung bestätigte Luciolli die Weisung, die er hinsichtlich der Einfuhrbeschränkungen aus Rom mitgebracht habe. Ich setzte ihm dann neuerdings unsern Standpunkt in dieser Frage auseinander. Im Anschluss an einen Gegenvorschlag Luciollis wurde dann in Aussicht genommen, dass im Fall des Vertragsabschlusses ein Notenwechsel über die Einfuhrbeschränkungen stattfinden soll. Die von uns dem italienischen Gesandten zu überreichende Note würde unter Bezugnahme auf Art. 2 des Vertrages diejenigen Einfuhrbeschränkungen aufzählen, die mit Inkrafttreten des Vertrages gegenüber Italien sofort ausser Wirksamkeit treten, sodann würde in der Note im Einzelnen festgestellt, dass die Schweiz bestimmte Mengen von solchen Waren, für die die Einfuhrbeschränkung noch bestehen bleiben soll, zur Einfuhr zugelassen werden und endlich würde für drei noch verbleibende mit Einfuhrbeschränkungen belegte Warengattungen eine weitherzige Behandlung der Einfuhrbegehren zugesichert. Hinsichtlich des Erlasses neuer Einfuhrbeschränkungen legte Luciolli einen Entwurf vor, wonach sich die Schweiz verpflichten würde, für etwa sechzig einzeln auf gezählte Vertragspositionen auf den Erlass von Einfuhrbeschränkungen zu verzichten. Demgegenüber erklärte ich, dass für einen grossen Teil dieser Positionen wie z. B. für Reis, Südfrüchte usw. eine Einfuhrbeschränkung überhaupt gar nie in Betracht fallen werde, dass aber im übrigen die Schweiz sich auf eine solche Liste nicht festlegen könne, da dies eine unzulässige Beschränkung ihrer Hoheitsrechte bilden würde. Dagegen seien wir bereit, von vornherein zuzusichern, dass von den Waren, für welche allfällig späterhin eine Einfuhrbeschränkung aufgestellt werden sollte, eine der mittleren Einfuhr der Jahre 1911/13 entsprechende Menge zur Einfuhr aus Italien zugelassen würde. Weiter zu gehen sei uns bei der allgemeinen Unsicherheit der politischen Verhältnisse und der damit verknüpften fortdauernden Währungsschwankungen nicht möglich. Unsere Vertragsunterhändler teilen hierüber einstimmig meine Meinung. Es scheint mir in der Tat nicht möglich, vor den eidg. Kammern einen ändern Standpunkt einzunehmen ohne den Vertrag überhaupt zu gefährden. Beispielsweise würden sicherlich die Weinbauern einer Vereinbarung ihre Zustimmung verweigern, die einen ihnen sowieso zu gering erscheinenden Weinzoll enthält, überdies aber noch für die Zeit der Vertragsdauer jede Möglichkeit ausschlösse, die Weineinfuhr einzuschränken. Da Luciolli unsern Einwänden unzugänglich blieb und sich neuerdings auf seine Instruktionen berief, blieb die Besprechung erfolglos. Ich beabsichtige nun, durch unsere Unterhändler in Zürich Herrn Luciolli einen Gegenvorschlag betr. die Einfuhrbeschränkungen überreichen zu lassen und ihn gleichzeitig dem italienischen Gesandten zu übergeben. Dieser Gegenvorschlag würde bezüglich der bestehenden Einfuhrbeschränkungen die Zusicherungen enthalten, die oben als Inhalt einer dem italienischen Gesandten beim Vertragsabschluss zu überreichenden Note angeführt wurden. Bezüglich allfälliger neuer Einfuhrbeschränkungen würde darin festgestellt, dass solche während der Vertragsdauer nur erlassen werden sollen, wenn ein Produktionszweig ernstlich bedroht wäre oder die Lebensinteressen des Staates solche Einschränkungen gebieterisch verlangen sollten. Überdies sollen solche Einfuhrbeschränkungen der ändern Vertragspartei einen Monat zum voraus angekündigt werden, damit in der Zwischenzeit die trotz der Einfuhrbeschränkung zur Einfuhr zuzulassenden Warenmengen verein - bart werden können, für deren Bemessung der Einfuhrdurchschnitt der Jahre 1911, 1912 und 1913 massgebend sein soll. Würde durch diese Bestimmung der Warenmenge die Ausfuhr des von der Einfuhrbeschränkung betroffenen Landes wesentlich verändert, so könnte eine Erhöhung der zugestandenen Warenmenge eintreten. Für den Fall, dass eine Einigung über die Einfuhrmenge innert der monatlichen Frist nicht zu Stande käme und die Einfuhrbeschränkungen doch in Kraft gesetzt würden, wäre der davon betroffene Staat berechtigt, den Vertrag auf einen Monat zu kündigen.

Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements ersucht um die Ermächtigung zu dem eben geschilderten Vorgehen. Dabei soll dem italienischen Gesandten erklärt werden, dass dies das äusserste Entgegenkommen der Schweiz in der Frage der Einfuhrbeschränkungen bedeute, dass sie nicht weiter gehen könne.

Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes weist zur Begründung dieses Standpunktes namentlich auch auf den Unterschied der Stellung Italiens und der Schweiz bei den Vertragsunterhandlungen hin, welcher Unterschied darin besteht, dass Italien der Einfuhrbeschränkungen entraten kann, weil seine hohen Tarife teilweise die Einfuhr schlechthin verhindern, während die Schweiz angesichts der geringen Ansätze des Gebrauchstarifes, über den sie allein verfügt, unter Umständen einer Überflutung mit Valutawaren nur durch Einfuhrbeschränkungen wehren kann.

Der Vorsteher des Finanzdepartementes ist ebenfalls überzeugt und hat daraus Herrn Luciolli gegenüber kein Hehl gemacht, dass die vom Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes für die Frage der Einfuhrbeschränkungen vorgeschlagene Lösung so weit gehe als überhaupt möglich. Auch er ist der Meinung, ein unwiderruflicher Verzicht auf Einfuhrbeschränkungen, z. B. für Wein, würde von den eidg. Kammern nicht gutgeheissen.

Der Vorsteher des politischen Departementes ist auch der Meinung, dass auf dem nun vorgeschlagenen Weg vorgegangen werden soll, macht aber immerhin darauf aufmerksam, dass es sich schliesslich beim Verzicht auf neue Einfuhrbeschränkungen nur um eine Bindung für verhältnismässig kurze Zeit (Vertragsdauer plus ordentliche Kündigungsfrist =18 Monate) handle. Und wenn in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Weineinfuhr abgestellt werde, so sei doch daran zu erinnern, dass es der Bundesrat vor noch nicht langer Zeit abgelehnt habe, einem Begehren um Beschränkung der Weineinfuhr aus Spanien, Frankreich und Italien stattzugeben. Es sei kaum anzunehmen, dass der Bundesrat, der diesen ablehnenden Entscheid fällte, trotzdem die heurige Weinernte eine ganz aussergewöhnlich ergiebige war, wie sie überhaupt nur ganz selten vorkommt, in absehbarer Zeit doch zu einer Beschränkung der Weineinfuhr Hand bieten werde. Einem zeitlich beschränkten Verzicht auf eine Einfuhrbeschränkung für Wein käme also offenbar keine wesentliche Bedeutung zu und es würde sich kaum rechtfertigen, aus diesem Grund die Vertragsverhandlungen scheitern zu lassen. Es lasse sich nicht verkennen, dass ein gutes Einvernehmen mit Italien heute für die Schweiz ganz besonders wichtig sei. Unser Verhältnis zu Frankreich werde im laufenden Jahre durch die Zonenfrage und das Vorgehen Frankreichs in ändern Fragen einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt werden und ähnliches gelte für die Beziehungen zu Belgien, das ja ganz im französischen Fahrwasser segle. Deutschlands Geschick im kommenden Jahr sei sehr unsicher und auch da sei eine Trübung der Beziehungen unter dem Druck der Verhältnisse nicht ausgeschlossen. Unter diesen Umständen wäre es doch aufs Höchste zu bedauern, wenn das bestehende gute Einvernehmen mit Italien ohne ganz zwingenden Grund gestört würde. Ob als solcher das Begehren Italiens hinsichtlich der Einfuhrbeschränkungen anzusehen sei und von den Kammern und dem Volk angesehen werde, sei immerhin fraglich, da doch im Lande auch eine nicht zu unterschätzende Strömung bestehe, die sich gegen die Politik der Einfuhrbeschränkungen richte. Die Sachlage sei also ungemein heikel. Wenn auch zuzugeben sei, dass der Vorschlag des Volkswirtschaftsdepartementes ein weitgehendes Entgegenkommen darstelle und von Italien eigentlich angenommen werden könnte, so müsste er sich doch seine endgültige Stellungnahme Vorbehalten, sofern wegen der Frage der Einfuhrbeschränkungen der Abbruch der Verhandlungen mit Italien drohen sollte.

Demgegenüber wird neuerdings betont, die Unsicherheit der gegenwärtigen Lage gestatte keinen absoluten Verzicht auf Einfuhrbeschränkungen für die Dauer von anderthalb Jahren. Ein solcher sei auch wegen der Rückwirkung auf die Handelsbeziehungen zu Frankreich wegen der Meistbegünstigung sehr gefährlich. Überdies werde ja die Bedeutung des Festhaltens an der Möglichkeit, neue Einfuhrbeschränkungen einzuführen, durch die Zusicherung einer der mittlern Einfuhr der Jahre 1911, 1912 und 1913 entsprechenden Einfuhr in einer Weise abgeschwächt, dass Italien, wenn es guten Willens sei, wohl darauf eingehen könne. Dagegen sei es durchaus nötig zu erklären, dass das im Vorschlag des Volkswirtschaftsdepartementes gezeigte Entgegenkommen nicht mehr überschritten werden könne, ansonst Italien immer neue Forderungen geltend machen werde. Das werde sicher auch von den Kammern und vom Grossteil des Volkes gebilligt werden; denn es fehle denn doch auch nicht an gewichtigen Stimmen, die den Bundesrat eines allzuweiten Entgegenkommens gegenüber dem Ausland zeihen. Der Vorsteher des politischen Departementes hält seinen Vorbehalt aufrecht.

Auf Grund der Beratung wirddem Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes die von ihm erbetene Ermächtigung erteilt.

1
E 1005 2/2. Etait absent: H. Häberlin.
2
Cf. no 239.