dodis.ch/46846 Le suppléant du Chef du Département de l'Economie publique,
R. Minger, au Chef du Département politique,
G. Motta1
Vertraulich Bern, 20. Mai 1939
Wir beehren uns hiermit, auf Ihr Schreiben vom 13. April2 zurückzukommen, worin Sie uns das Ergebnis der weiteren Besprechungen mitteilten, welche zwischen Herrn Minister Frölicher und Herr Unterstaatssekretär Woermann über die Abgabe einer Erklärung Deutschlands betreffend die Sicherstellung der Landes Versorgung im Kriegsfall stattfanden. Es geht daraus hervor, dass Deutschland offenbar nicht geneigt ist, dem mit Ihrem Brief vom 15. März3 formulierten Wortlaut beizustimmen. Wenn auch deutscherseits eine nochmalige Prüfung des schweizerischen Antrages in Aussicht gestellt wurde, so können wir doch wohl kaum damit rechnen, dass Deutschland seinen Standpunkt zugunsten der Schweiz ändert. Jedenfalls sind seither keine weitern Nachrichten mehr eingetroffen, was uns befürchten lässt, dass die ganze Angelegenheit auf einem toten Punkte angelangt sei. Es ist jedoch für die kriegsvorsorglichen Vorbereitungen von grösster Wichtigkeit, dass auch mit Deutschland Verhandlungen insbesondere über den Transitverkehr geführt werden können. Anlässlich der kürzlichen Zusammenkunft des Herrn Matter, Chefs des Kriegs-Transport-Amtes, mit einer Delegation der französischen Behörden4 zeigte es sich nämlich, dass bei allem Entgegenkommen Frankreichs in Bezug auf die Erleichterung der Güterzufuhr dieses Land während gewissen Perioden nicht imstande wäre, den gesamten Überseeverkehr der für die Schweiz notwendigen Warenmengen aufzunehmen und nach unserm Lande durchzuleiten. Infolgedessen ist die Schweiz unbedingt darauf angewiesen, einen Teil der Importwaren auch im Transit durch Deutschland hereinnehmen zu können, abgesehen natürlich davon, dass es dringend zu wünschen wäre, wenn die Schweiz im Kriegsfall nicht von einem einzigen Zufahrtsweg für die überseeischen Güter abhängen müsste.
Wie wir feststellen konnten, hat man deutscherseits Bedenken gegen die von der Schweiz vorgeschlagene Formulierung der Erklärung, weil man der Auffassung ist, es bestehe insofern eine Disparität zwischen den beidseitigen Zusicherungen, als Deutschland sowohl die Versorgung der Schweiz mit lebensichtigen Gütern als auch den Durchgangsverkehr zu gewährleisten habe, während die Schweiz ihre Zusicherungen auf den Transit beschränkt. Angesichts dieser Sachlage drängt sich die Frage auf, ob es nicht zweckmässig wäre, den vielleicht nicht ganz unberechtigten Einwänden Deutschlands durch die Einreichung eines neuen Vorschlages Rechnung zu tragen und damit den Weg zu den Verhandlungen zu ebnen. Wir glauben, es biete sich hierfür eine Möglichkeit, ohne dass vom bisher eingenommenen Standpunkt der Schweiz grundsätzlich abgewichen werden müsste und zwar dadurch, dass man auf die von Herrn Minister Frölicher mit Schreiben vom 27. Januar 19395 vorgeschlagene Fassung zurückkommen würde. [...]
Diese Formulierung wäre im letzten Satz lediglich noch folgendermassen zu erweitern:
«... soweit dies nicht im Widerspruch steht mit den vom Bundesrat zur Aufrechterhaltung der schweizerischen Neutralität sowie zur Verteidigung und Versorgung des Landes getroffenen Massnahmen.»
Wir glauben, dass mit dieser Fassung eine Einigung möglich wäre. Sie würden uns zu besonderem Danke verpflichten, wenn es Ihnen im Verein mit Herrn Minister Frölicher gelänge, auf Grund der neuen Formulierung die grundsätzliche Seite der Angelegenheit nunmehr so bald als möglich abzuklären, damit im Anschluss daran die Verhandlungen über die Regelung der technischen Fragen unverzüglich aufgenommen und zum Abschluss gebracht werden könnten.