Classement thématique série 1848–1945:
IV. RÉFUGIÉS, IMMIGRATION, POLICE DES ÉTRANGERS
IV.1 LA SUISSE ET L'IMMIGRATION JUIVE
Également: Texte de l’Accord germano-suisse réglant les conditions d’entrée en Suisse des Juifs ressortissants du Reich. Annexe de 29.9.1938
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 12, doc. 414
volume linkBern 1994
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2001D#1000/1552#3207* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 114 | |
Titre du dossier | Wiedereinführung des Visums für deutsche und österreichische Pässe nach dem Anschluss, Allgemeines (1938–1940) | |
Référence archives | B.44.31.1 • Composant complémentaire: Deutschland |
dodis.ch/46674
Le Chef de la Division de la Police du Département de Justice et Police, H. Rothmund, et le Conseiller de Légation à la Légation de Suisse à Berlin, F. Rappeler, au Président de la Confédération, J. Baumann12
BERICHT ÜBER DIE BERLINER-VERHANDLUNGEN VOM 27. BIS 29. SEPTEMBER 1938
Wir beehren uns, Ihnen im Folgenden Bericht zu erstatten über die Verhandlungen mit Deutschland zum Zwecke der gegenseitigen Verständigung über die Kontrolle der Einreise deutscher Emigranten nach der Schweiz.
Der Verhandlungen wurden geführt auf schweizerischer Seite durch Herrn Dr. Rothmund, Chef der Polizeiabteilung im eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, und Herrn Legationsrat Dr. Kappeler von der Schweizerischen Gesandtschaft in Berlin; auf deutscher Seite von Herrn Ministerialdirigent Dr. Best von der Geheimen Staatspolizei als Vorsitzendem, sowie den Herren Ministerialrat Dr. Krause und Dr. Kröning vom Innenministerium und Geheimrat Rödiger vom Aussenministerium. Sie fanden statt im Innenministerium, an der Albrechtstrasse, vom 27. bis zum 29. September 1938.
Von allem Anfang an fand eine offene, freundschaftliche Aussprache statt, an der zunächst der Erstunterzeichnete die Notwendigkeit einer lückenlosen Kontrolle der deutschen Nichtarier vor ihrem Erscheinen an der Schweizergrenze als unerlässlich bezeichnete und begründete. Er legte dar, wie die eidgenössische Fremdenpolizei seit bald 20 Jahren gegen die Überfremdung durch die Zureise neuer Ausländer kämpft, besonders gegen schwer oder nicht assimilierbare Ausländer, wozu vor allem die Juden gehören; ferner in welche Lage sie gekommen ist durch die unkontrollierte Zureise mittelloser Emigranten aus Österreich, deren Zahl heute ungefähr 2300 beträgt. Die Kontrolle kann sich nicht nur auf die deutschen Juden erstrecken, die direkt aus dem Reichsgebiet in die Schweiz einreisen wollen. Sie muss ausgedehnt werden auf die bereits in ändern Ländern, ganz besonders in Italien sich Aufhaltenden und auf solche, die sich künftig von Deutschland aus zunächst in ein anderes Land begeben und von dort nach der Schweiz kommen wollen.
Auf deutscher Seite bestand von Anfang an das Bestreben, uns soweit wie möglich entgegenzukommen, da man um jeden Preis die Wiedereinführung des Visumszwangs für alle Inhaber deutscher Pässe vermeiden wollte, eine Massnahme, die vom Erstunterzeichneten als nach der derzeitigen Lage notwendig bezeichnet wurde. Im Laufe der Verhandlungen zeigte es sich, dass Deutschland die bisherige Politik den Juden gegenüber in zwei Punkten ändern will. Einmal benötigt die deutsche Regierung zur Durchführung ihrer Gesetze und Verordnungen gegenüber den durch die Nürnburger Gesetze als Nichtarier bezeichneten Deutschen im In- und im Ausland einen Ausweis, der den Nichtarier ausdrücklich bezeichnet. Für das Inland ist dazu die für Nichtarier obligatorische Kennkarte (wie in Belgien und Frankreich die Carte d’identité) vorgesehen, für die deutschen Konsulate im Ausland der Pass. Es sollen deshalb sämtliche in Deutschland ausgegebenen, für Reise ins Ausland bestimmten Pässe auf der ersten Seite links oben ein Kennzeichen für Juden enthalten in Form eines Kreises mit zwei Centimeter Durchmesser, in den ein J eingetragen wird. Die bisher nur für das Inland ausgestellten Pässe fallen dahin, sobald die Ausstellung der Kennkarte durchgeführt sein wird. Das gleiche Kennzeichen muss von den deutschen Konsulaten im Ausland in die von ihnen ausgegebenen Pässe eingetragen werden. Zum ändern wurde von der deutschen Delegation erklärt, deutsche Nichtarier würden künftig nur noch den Pass erhalten, wenn sie nachweisen könnten, dass sie die Übersiedlungsbewilligung eines ändern Staates besitzen. Dazu wurde beigefügt, dass Deutschland ein Interesse habe daran, dass die auswandernden Juden sich in möglichst entfernten Ländern ansiedeln, auf keinen Fall in seinen Nachbarstaaten. Es würden jedoch auch Pässe ausgegeben zur vorübergehenden Aus- und Wiedereinreise, wenn glaubhaft gemacht werden könne, dass diese Reise zur Vorbereitung der endgültigen Auswanderung notwendig sei. Inhaber solcher Pässe müssten aber nach einer gewissen Zeit wieder zurückkehren.
Diese zwei neuen Richtlinien, denen ein deutsches Interesse zugrunde liegt, erlaubten der schweizerischen Delegation, die Diskussion auf der Basis des Verzichtes auf die allgemeine Wiedereinführung des Sichtvermerkzwangs weiterzuführen. Wichtig war nur zu erreichen, dass sobald wie möglich der heutige Zustand aus der Welt geschafft werden kann, wo die schweizerischen Passkontrollorgane an der Grenze prüfen müssen, ob der Inhaber eines deutschen Passes Arier oder Nichtarier sei. Diese Prüfung ist schon an der schweizerischdeutschen Grenze, wo die Beamten einen gewissen Blick haben für die Unterscheidung, nach den gemachten Erfahrungen ausserordentlich schwierig. An der Südgrenze, wo die Einreisekontrolle wegen der grossen Zahl deutscher, seit 1933 nach Italien ausgewanderter Emigranten und wegen der italienischen Massnahmen zu ihrer Entfernung sehr wichtig ist, hat die Ausscheidung so ziemlich versagt. Wir müssen deshalb damit rechnen, dass täglich noch zahlreiche deutsche Juden aus Italien zureisen. Es wurde deshalb der deutschen Delegation beantragt, nach einem Mittel zu suchen, um die bereits ausgegebenen deutschen Pässe der im Ausland, namentlich in Italien sich aufhaltenden deutschen Nichtarier ebenfalls so rasch wie möglich mit dem genannten Kennzeichen zu versehen. Die deutsche Delegation erklärte, im Ausland seien die Pässe an Juden jeweils regelmässig für höchstens 6 Monate ausgestellt worden; sobald sie verlängert werden müssten, würde selbstverständlich das Kennzeichen eingetragen. Wenn ein deutscher Nichtarier ohne dieses Kennzeichen bei einem schweizerischen Konsulat um die Einreise nach der Schweiz nachsuche, so könne dieses ihn zum deutschen Konsulat verweisen, zur Anbringung des Kennzeichens. Um die unkontrollierte Einreise deutscher Nichtarier wenigstens an der schweizerisch-deutschen Grenze auch während der Übergangszeit tunlichst zu verhüten, ersuchte die schweizerische Delegation, die deutschen Grenzorgane möchten die Weisung erhalten, solche deutsche Staatsangehörige an der Ausreise nach der Schweiz zu verhindern, wenn sie ohne die Bewilligung eines schweizerischen Konsulates an die Grenze kommen. Dies wurde deutscherseits zugestanden.
Die schweizerische Delegation erklärte bis zum Schluss der Verhandlungen, dass sie grosse Zweifel hege darin, dass eine Abmachung unter Verzicht der Wiedereinführung des allgemeinen Visumszwangs der schweizerischen Fremdenpolizei ein genügendes Mittel zur Kontrolle an die Hand geben würde. Sie fügte bei, dass der Visumszwang unentbehrlich würde, wenn der Versuch mit einem ändern Mittel scheitern sollte. Für diesen Fall betonte der Erstunterzeichnete sehr energisch, ein Abkommen, gemäss welchem deutscherseits ein Unterschied gemacht würde zwischen einem schweizerischen Arier und einem schweizerischen Nichtarier wäre untragbar. Die deutsche Delegation wurde mehrfach, besonders aber in diesem Stadium der Verhandlungen, ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass die Schweiz nicht nur einen solchen Unterschied nicht kennt und nicht zulassen kann, sondern den schweizerischen Juden auch sonst als vollen Schweizerbürger behandelt und dass wir den Antisemitismus nicht nötig haben und ihn auch nicht aufkommen lassen. Herr Geheimrat Rödiger bemerkte dazu, dass Deutschland auf die Reziprozität nicht verzichten könnte, wenn wir gegebenenfalls vor der Visumserteilung von allen Deutschen den Ariernachweis verlangen würden. Dem wurde entgegengehalten, dass wir uns mit einer internen Weisung an die Konsulate begnügen könnten, wonach im Zweifelsfall irgend ein Ausweis genügen würde, von dem wir wissen, dass er Juden nicht ausgestellt wird, z. B. das Parteibuch der nationalsozialistischen Partei, eine Mitgliedkarte der Deutschen Arbeitsfront usw. Es wurde allerdings von deutscher Seite hervorgehoben, dass der deutsche Arier heute auf nichts so sauer reagiere, als wenn er gefragt werde, ob er Jude sei. Mit diesem Gespräch wollte die schweizerische Delegation vorsorglich darauf hinwirken, dass für den Fall der allgemeinen Wiedereinführung des Visumszwangs von deutscher Seite davon abgesehen werde, einen Unterschied zu machen zwischen einem schweizerischen Arier und einem schweizerischen Nichtarier.
Das führte uns zu den Massnahmen, die schweizerischerseits zu ergreifen sind, um eine Einreisekontrolle ohne Wiedereinführung des Visumszwangs einzurichten. Wir erinnerten uns gemeinsam an die Besprechungen, die zwischen Herrn Ministerialrat Krause und dem Erstunterzeichneten im Dezember 1925 in Bern zur Vereinbarung über die Aufhebung des Visumszwangs geführt hatten. Damals war das Fallenlassen des Visums für diejenigen, die zum Zwecke des Stellenantritts einreisen wollten, noch als verfrüht betrachtet worden. Man hatte sich damit beholfen, dass an die Stelle des Visums eine vor der Einreise durch das schweizerische Konsulat in den Pass einzutragende «Zusicherung der Bewilligung zum Stellenantritt» treten sollte. In ähnlicher Weise haben wir in Berlin den Weg gefunden, dass für deutsche Nichtarier die Einreise in die Schweiz künftig nur gestattet werden soll, wenn die zuständige schweizerische Vertretung in den Pass eine «Zusicherung der Bewilligung zum Aufenthalt in der Schweiz oder zur Durchreise durch die Schweiz» eingetragen hat. Diese Lösung kann uns die Ankündigung der neuen Massnahme, die selbstverständlich in allen Ländern durch die Presse erfolgen muss, erleichtern, da nicht von der Wiedereinführung des Visums ausschliesslich für die deutschen Juden, sondern harmloser von der genannten «Zusicherung» gesprochen werden kann. Die deutsche Delegation erklärte trotz aller von uns geltend gemachten Bedenken, dass es ihr nicht möglich sei, eine Vereinbarung abzuschliessen, ohne dass dem Gedanken der Reziprozität Ausdruck gegeben werde. Wenn sie auch mit uns der Auffassung sei, dass deutscherseits kein Anlass bestehe, die schweizerischen Juden bei der Einreise einer besonderen Kontrolle zu unterwerfen, so könne dies doch der Fall sein einem ändern Staate gegenüber, in dem die Zahl der Juden sehr gross sei. Sie gab diesem Gedanken in folgender Fassung Ausdruck: «Die Deutsche Regierung behält sich vor, nach Benehmen mit der Schweizerischen Regierung auch von Juden schweizerischer Staatsangehörigkeit die Einholung einer «Zusicherung der Bewilligung zum Aufenthalt im Reichsgebiet oder zur Durchreise durch das Reichsgebiet» zu fordern, falls sich hierfür nach deutscher Auffassung etwa die Notwendigkeit ergeben sollte». Nachdem das Benehmen mit der schweizerischen Regierung vorgesehen ist, wir also gegebenenfalls unsere Zustimmung verweigern und die Konsequenzen daraus ziehen könnten, und nachdem zudem von der deutschen Delegation erklärt worden ist, es bestehe deutscherseits kein Grund für eine soiche Massnahme, hat die schweizerische Delegation letzten Endes auch diesem Punkt zugestimmt.
Eine längere Diskussion entspann sich über die Frage der Kündigungsfrist des Abkommens über die Visumsaufhebung für den Fall, dass der mit der neuen Vereinbarung zu machende Versuch sich als ungenügend erweisen sollte. Es musste festgestellt werden, dass die Schweiz die am 31. August erfolgte Kündigung3 des Abkommens zurücknimmt. Wir wollten aber nicht wieder vor einer einmonatigen Kündigungsfrist stehen, wenn sich die neue Vereinbarung als ungenügend erweisen sollte. So einigte man sich auf folgende Fassung: «Falls die oben vorgesehene Regelung nicht zu befriedigenden Ergebnissen führen sollte, werden die beiden Regierungen erneut, insbesondere wegen der Bestimmung des Zeitpunktes für die etwa notwendige Einführung des allgemeinen Sichtvermerkszwanges, in Verbindung treten».
Das Ergebnis der Besprechungen wurde in der beiliegenden, von den Beteiligten unterschriebenen Niederschrift festgelegt4. Sobald diese Niederschrift vom Bundesrat genehmigt5 sein wird, wird die deutsche Regierung die darin vorgesehenen deutschen Massnahmen verfügen.
Sch lussbemerkungen
Es brauchte für den Erstunterzeichneten Überwindung, dem Ergebnis der Besprechungen zuzustimmen, da es eine sofortige lückenlose Kontrolle über die Einreise deutscher Emigranten vor deren Eintreffen an der schweizerischen Grenze nicht bringt. Nachdem er aber aus den Besprechungen entnehmen zu glauben durfte, dass es den deutschen Behörden wirklich ernst ist mit der Ergreifung und restlosen Durchführung der vorgesehenen Massnahmen, nachdem deutscherseits auch erklärt wurde, dass die bereits in den Händen deutscher Nichtarier sich befindenden deutschen Pässe in absehbarer Zeit sämtliche abgelaufen sein werden, sodass sie im Zeitpunkt der Verlängerung mit dem Judenzeichen versehen werden können, nachdem er ferner wusste, dass der Bundesrat der allgemeinen Wiedereinführung des Visumszwangs auf dem deutschen Pass nicht geneigt war und dessen Erzwingung in Berlin böses Blut gemacht hätte, glaubte er den Versuch wagen zu können. Es darf ja angenommen werden, dass nach der Verkündung der neu zu treffenden Massnahme über die Einholung der «Zusicherung der Bewilligung zum Aufenthalt in der Schweiz oder zur Durchreise durch die Schweiz» die Zahl der ohne diese und ohne das Judenzeichen im Pass an der schweizerischen Grenze erscheinenden deutschen Nichtarier gegenüber dem heutigen Zustand ganz erheblich abnehmen dürfte. Auch wird die Fremdenpolizei diejenigen, denen es noch gelingen wird, ohne die «Zusicherung» die schweizerische Grenze zu überschreiten, wegweisen können. Allerdings müssen diejenigen, die aus Italien nach der Schweiz kommen, dann nach Deutschland zurückgeschickt werden, da die sehr gut ausgebaute italienische Kontrolle eine Zurückweisung nach Italien nicht ermöglicht. Die Unterschrift wurde auch erleichtert durch die offene, von freundschaftlichem Geiste getragene Art der gegenseitigen Aussprache. Hoffen wir, dass es der deutschen Regierung gelingen werde, die ausführenden
Organe zur strikten Durchführung der übernommenen Verpflichtungen zu veranlassen.
Der Erstunterzeichnete hat in seinen früheren Berichten an Sie über die Kontrolle der Einreise von Flüchtlingen aus Deutschland seine Bedenken über eine nur gegen die Juden gerichtete Massnahme mehrfach geäussert. Der vorliegende Bericht befasst sich nur mit der technischen Seite der Kontrolle. Der
Bundesrat wird darüber befinden müssen, ob ihm die genannten Bedenken die
Zustimmung zu der in Berlin vorgesehenen Massnahme gestatten.
Liens avec d'autres documents
http://dodis.ch/46676 | voir aussi | http://dodis.ch/46674 |
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