Classement thématique série 1848–1945:
IV. RÉFUGIÉS, IMMIGRATION, POLICE DES ÉTRANGERS
IV.1 LA SUISSE ET L'IMMIGRATION JUIVE
Également: On peut se demander comment il serait possible d’appliquer pratiquement une telle distinction basée sur la race ou la religion. Annexe de 27.5.1938
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 298
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1552#3207* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 114 | |
Dossier title | Wiedereinführung des Visums für deutsche und österreichische Pässe nach dem Anschluss, Allgemeines (1938–1940) | |
File reference archive | B.44.31.1 • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/46558 Le Ministre de Suisse à Berlin, P. Dinichert, au Chef de la Division des A ff aires étrangères du Département politique, P. Bonna1
Im Nachgang zu meinem Schreiben vom 13. dieses Monats2 beehre ich mich, Ihnen über die erneute Rücksprache eines meiner Mitarbeiter mit Herrn Geheimrat Rödiger vom Auswärtigen Amt über die Frage der Einführung der deutschen Passformulare, in Österreich zu berichten. Leider ergab sich dabei, dass die Fühlungnahme des Auswärtigen Amtes mit den inneren Stellen nicht das von uns gewünschte Ergebnis gezeitigt hat. Eine Lösung im Sinne der schweizerischen Anregung, wonach die Visumspflicht auf bestimmte Kategorien von Inhabern deutscher Pässe beschränkt würde, stösst nämlich auf wohl unüberwindliche Hindernisse. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes setzte meinem Mitarbeiter auseinander, dass kurzfristige Pässe in grossem Umfange ausgestellt werden, so an alle Wehrpflichtigen und Arbeitsdienstpflichtigen, aber auch in allen Fällen, wo nur eine befristete Ausreise beabsichtigt und nur ein kurzfristiger Pass verlängert wird. Umgekehrt könne keinerlei Gewähr dafür übernommen werden, dass den von der Schweiz als unerwünscht betrachteten Emigranten nur kurzfristige Pässe ausgestellt werden. Grundsätzlich gehe die Praxis der deutschen Behörden dahin, gerade auch den Emigranten Pässe für die Zeitdauer auszustellen, für die sie sie benötigen. Wenn ein Auswanderer dartue, dass er mit einem kurzfristigen Pass bei der Auswanderung auf Schwierigkeiten stosse, so werde ihm eben ein langfristiger ausgestellt. Es sei daher der deutschen Regierung beim besten Willen nicht möglich gegenüber der Schweiz eine Zusicherung abzugeben, dass den österreichischen Emigranten nur kurzfristige deutsche Pässe ausgestellt werden. Eine solche Zusicherung würde gegen das von den deutschen Behörden befolgte Bestreben verstossen, den Auswanderern, die man los werden möchte, die Ausreise nicht zu erschweren, so dass sich auch bei der praktischen Verwirklichung durch die einzelnen Paßstellen Schwierigkeiten ergeben müssen. Das ist ohne Zweifel so zu verstehen, dass man es nicht für möglich hält, den Paßstellen zu verbieten, den Emigranten Pässe mit fünfjähriger Gültigkeitsdauer auszustellen, und auch bezweifle, dass solche Weisungen lückenlos durchgeführt werden, so dass alle möglichen Anstände zu gewärtigen wären.
Da der erwähnte Weg nicht gangbar erscheint, hat man sich deutscherseits überlegt, ob man den schweizerischen Wünschen nicht auf andere Weise entgegenkommen könnte, jedoch ist es nicht gelungen, einen solchen Ausweg zu finden. Man habe allerdings an die Möglichkeit gedacht, für die Ausreise nach der Schweiz einen besonderen Vermerk im Pass vorzuschreiben. Auch das wäre aber eine unerfreuliche Lösung und würde wohl unseren Zwecken nicht dienen, weil es dann wiederum vom Gutfinden der deutschen Paßstellen abhängen würde, diesen Vermerk einzutragen.
Andererseits betonte der Vertreter des Auswärtigen Amtes mit viel Nachdruck, dass man die gegenwärtig bestehende Sondermassnahme gegenüber den Österreichern als höchst unerwünscht empfinde, weil sie den falschen Eindruck zu erwecken geeignet sei, dass die Schweiz den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich noch nicht als vollzogene Tatsache anerkenne. Aus diesem Grunde wäre auch eine Anwendung des Visumszwanges auf alle Inhaber deutscher Pässe mit Wohnsitz in Österreich vom deutschen Standpunkt aus höchst unerfreulich, abgesehen davon, dass eine solche Lösung ja auch das schweizerischerseits damit verfolgte Ziel nur unvollkommen verwirklichen würde, weil es sehr leicht sein dürfte, diese Massnahme zu umgehen.
Für den Fall, dass schweizerischerseits an dem Visum auf die Dauer festgehalten und dieses auch auf die deutschen Pässe erstreckt werden sollte, drängen die inneren Stellen sehr entschieden darauf, dass dann auch deutscherseits das Visum gegenüber der Schweiz wieder eingeführt werde. Das Auswärtige Amt würde allerdings eine solche Entwicklung der Angelegenheit nicht für erwünscht und namentlich auch den guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern abträglich ansehen, und es hoffe, dass die schweizerischen Behörden Mittel und Wege finden werden, um eine solche Entwicklung zu vermeiden. In diesem Zusammenhange machte der Vertreter des Auswärtigen Amtes neuerdings geltend, dass ihm ein Verzicht auf das Visum deshalb möglich erscheine, weil ja die Schweiz in der Lage sei, ihr unerwünschten Elementen den Aufenthalt in der Schweiz zu versagen, und dass Deutschland zu seiner Verpflichtung stehe, jeden Inhaber eines deutschen Passes aus dem alten Reich so gut wie aus Österreich jederzeit wieder zu übernehmen. Die gleiche Verpflichtung anerkenne die deutsche Regierung auf Grund der bestehenden vertraglichen Abmachungen mit der Schweiz auch für frühere deutsche Staatsangehörige, solange sie nicht Bürger eines dritten Staates geworden sind.
Mein Mitarbeiter wandte dagegen ein, dass es sich bei der Fernhaltung der österreichischen Juden nicht nur um solche handle, die in persönlicher Beziehung oder durch ihr Verhalten Grund zur Abschiebung geben. Unerwünscht sei überhaupt eine weitere Zuwanderung von österreichischen Juden, auch wenn diese in persönlicher Hinsicht in jeder Beziehung makellos seien und deshalb zu Ausweisungsmassnahmen keinen Anlass geben. Infolgedessen müsse die schweizerische Regierung das grösste Gewicht darauf legen, eine Kontrolle über die Zulassung schon vor der Einreise ausüben zu können. Diese Kontrolle einfach den Organen an der Grenze zu übertragen, dürfte kaum möglich sein.
Angesichts der geschilderten Sachlage muss man sich wohl erneut die Frage vorlegen, ob nicht doch ein Weg gefunden werden kann, der unter Vermeidung des Visumszwanges ermöglicht, die Einreise von österreichischen Emigranten zu verhindern. Man könnte dabei vielleicht an eine Lösung in dem Sinne denken, dass für diejenigen deutschen Staatsangehörigen, die beabsichtigen gänzlich in die Schweiz zu übersiedeln oder sich dort über eine bestimmte Frist hinaus ununterbrochen aufzuhalten, die Einholung einer konsularischen Genehmigung vor der Einreise vorgeschrieben wird in Verbindung mit der Bestimmung, dass Personen, die ohne solche Genehmigung sich über eine bestimmte Frist hinaus in unserem Lande aufhalten, unerbittlich nach dem Heimatstaat abgeschoben werden. Auf diese Weise würde eine Behelligung des normalen Reise- und Geschäftsverkehrs vermieden und, da die Zahl der deutschen Staatsangehörigen, die nach der Schweiz für längere Zeit übersiedeln wollen, unter den heutigen Umständen nicht allzu gross sein dürfte, würde durch die erwähnten Massnahmen ausser denjenigen, auf die sie abzielen, nur ein verhältnismässig kleiner Personenkreis betroffen. Voraussetzung für die Zweckmässigkeit einer derartigen Lösung ist allerdings, dass im Inland eine genügende Kontrolle ausgeübt werden kann. Deutscherseits dürfte eine solche Lösung wohl als wesentliche Verbesserung gegenüber der allgemeinen Visumspflicht für die Bewohner Österreichs angesehen werden.
Die einfachste Lösung wäre natürlich die, dass der Visumszwang auf die nichtarischen deutschen Staatsangehörigen beschränkt würde. Sie widerstrebt allerdings unseren Grundsätzen, würde aber damit gerechtfertigt werden können, dass es auch im Interesse der schweizerischen Juden liege, einen weiteren Zustrom von ausländischen Juden abzuwehren3. Da auch in anderen Ländern, z.B. Ungarn und Rumänien, mehr und mehr Sondervorschriften für Juden erlassen werden, die zu einer Erweiterung der jüdischen Wanderbewegung führen dürften, verdient eine solche Regelung vielleicht doch, in nähere Erwägung gezogen zu werden.
- 1
- Lettre: E 2001 (D) 2/114.↩
- 2
- Non reproduite.↩
- 3
- En marge de cette phrase et de la phrase précédente figure cette annotation manuscrite, dont on n’a pu identifier l’auteur: Gegenseitigkeit? A propos du même passage, Bonna écrivait le 27 mai à Rothmund: Als einfachste Lösung erklärt die Gesandtschaft auf Seite 5 im letzten Absatz die Einführung des Visums für nichtarische Staatsangehörige. Man muss sich aber dabei fragen, wie wir in der Praxis eine solche Unterscheidung, die nach Rasse oder Religion vorgenommen werden kann, überhaupt durchführen könnten und ob das Reich nicht seinerseits dann unsere schweizerischen Juden als visumspflichtig erklären würde, was wiederum zu einer Reihe vom Komplikationen führen müsste (E 4300 (B) 3/2).↩
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Religious questions German Realm (General) Austria (Politics) Austria (General) Policy of asylum Attitudes in relation to persecutions