Language: German
1.5.1922 (Monday)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 1 er mai 1922
Secret minutes of the Federal Council (PVCF-S)
Le gouvernement suisse doit se prononcer de toute urgence sur certains points discutés à la conférence de la Commission centrale du Rhin à Strasbourg. Résumé des négociations et commentaire du compromis élaboré entre les thèses françaises et suisses. Approbation du projet de compromis à proposer par la délégation suisse à la Commission centrale du Rhin.

Classement thématique série 1848–1945:
V. LA COMMISSION CENTRALE DU RHIN
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Antoine Fleury, Gabriel Imboden (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 186

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Bern 1988

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dodis.ch/44828
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 1er mai 19221

Rheinfrage

Der Bundespräsident sah sich genötigt, die heutige Sitzung anzuordnen, weil Herr Dr. Herold ihm am Samstag von Strassburg aus, wo gegenwärtig die Rheinzentralkommission tagt2, telegraphierte, die schweizerische Delegation stehe vor einer neuen Sachlage, worüber sie dem Bundesrat sofort berichten müsse.

Herr Dr. Herold weist zunächst auf die Resolution der Rheinzentralkommission vom 16. Dezember 19213 hin, die unter Ziffer I einige technische Bedingungen aufstellt, denen der französische Seitenkanal gerecht zu werden hätte, in Ziffer II vorsieht, dass Frankreich mit den ändern Uferstaaten Verhandlungen anzuknüpfen habe über einen Rückstau des Rheins über die Schweizergrenze hinaus zum Zwecke der Herabsetzung der Wassergeschwindigkeit im Seitenkanal, und unter Ziffer III vorsieht, dass alle Delegationen sich ernstlich bemühen werden, um eine Zustimmung der Rheinzentralkommission zu den französischen Kanalprojekten in der am 25. April 1922 beginnenden ausserordentlichen Tagung zu ermöglichen.

Nach den Instruktionen des Bundesrates vom 19. April 19224 sollte die schweizerische Abordnung in erster Linie versuchen, das Regulierungsprojekt zur Genehmigung zu bringen, sodann sollte sie versuchen, nochmals die Verschiebung des Entscheids über den Seitenkanal zu erwirken; sollte dies nicht möglich sein, so war sie gehalten, gewisse Vorbehalte zu machen und darauf hinzuweisen, dass die Beschlüsse der Rheinzentralkommission nur konsultativen Charakter besitzen und der Zustimmung der beteiligten Regierungen bedürfen. Endlich sollte sie allfällige Vergleichsvorschläge nur zur Berichterstattung an den Bundesrat entgegennehmen.

Die Verhandlungen in Strassburg entwickelten sich nun wie folgt:

In der Unterkommission zur Prüfung des Regulierungsprojektes wurden Einwände wirtschaftlicher Natur (übersetzte Annahmen über den Verkehr, unwirtschaftlicher Betrieb) und Einwände technischer Natur gegen die Regulierung ins Feld geführt und es zeigte sich schliesslich, dass in der Unterkommission eine Mehrheit für die grundsätzliche Genehmigung des schweizerischen Vorschlages nicht zu bekommen war. Unter diesen Umständen durfte der Bogen nicht überspannt werden und es galt, wenigstens etwas zu bekommen. Daher stellten die schweizerischen Vertreter das Begehren, es sei der Schweiz zu gestatten, eine Versuchsstrecke zu regulieren. Dieser Vorschlag fand Anklang und die Unterkommission beschloss, es sollte der Schweiz gestattet werden, eine Versuchsstrecke zwischen Istein und Breisach nach den Grundsätzen des Projektes Bosshardt auf ihre Kosten auszubauen, wofür das endgültige Projekt noch der Rheinzentralkommission unterbreitet werden sollte.

In der Gesamtkommission, die sich in ihren Sitzungen vom 27. April an mit der Seitenkanalfrage befasste, ergab sich sehr bald Klarheit darüber:

1. dass die Delegationen der allermeisten Staaten gewillt waren, sich ehrlich auf den Boden des Art. 358 des Versailler-Vertrages zu stellen und dem Seitenkanalprojekt mit den früher beschlossenen Verbesserungen zuzustimmen, so dass die schweizerische Abordnung auf eine Unterstützung bei den Bestrebungen, das Seitenkanalprojekt zu Fall zu bringen oder den Entscheid darüber noch länger zu verzögern, nicht mehr rechnen konnte;

2. dass die französische Abordnung mit dem unabänderlichen Willen nach Strassburg gekommen war, in dieser Tagung einen Entscheid zugunsten ihres Kanalprojektes durchzusetzen.

Sofort nachdem der französische Delegierte zum Kanalprojekt gesprochen hatte, stellte die schweizerische Abordnung den Verschiebungsantrag mit der Begründung, dass die Frage der Wassergeschwindigkeit im Kanal noch nicht gelöst, diejenige des Rückstaus über die Schweizergrenze noch in keiner Weise abgeklärt sei. Die französische Delegation lehnte natürlich den Verschiebungsantrag ab und erklärte, auf das Rückstauprojekt keinen Wert zu legen. Allein nun setzte, angeregt durch eine Rede des Kommissionspräsidenten, eine eingehende Erörterung der Wassergeschwindigkeit im Kanal ein, wobei eine Reihe von Sachverständigen eine Geschwindigkeit von 1,2 Sekundenmetern, wie das französische Projekt sie vorsieht, für durchaus unstatthaft erklärten. Der deutsche Delegierte erklärte, statt der von der Schweiz geforderten Geschwindigkeit von 0,5 Sekundenmetern wäre schliesslich eine Wassergeschwindigkeit von 0,7 Sekundenmetern annehmbar.

Daraus entstand insofern eine ganz zerfahrene Sachlage, als zwar eine Mehrheit für die grundsätzliche Annahme des französischen Seitenkanalprojektes vorhanden war, dass aber eine Mehrheit für die Wassergeschwindigkeit, wie dieses Kanalprojekt sie vorsieht, nicht zusammengekommen wäre. Nachdem die Kommission während drei Sitzungen über diesen toten Punkt nicht hinausgekommen war, leitete der Präsident offiziöse Besprechungen zur Klärung der Sachlage ein. Aus diesen Besprechungen, bei denen sich ergab, dass die meisten Delegationen dringend das Zustandekommen einer Einigung wünschten, ging schliesslich ein Vergleichsvorschlag hervor, den die schweizerische Delegation zur Berichterstattung an den Bundesrat entgegennahm. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass die Mehrheit der Delegationen die Grundzüge dieses Vergleichs billigt und ihnen zustimmen wird. Er lautet: La Commission Centrale pour la Navigation du Rhin reconnaît que le projet français du canal de Kembs, tel qu’il a été amendé et modifié par la résolution du 16 décembre 1921, remplit les conditions indiquées par l’article 358 du Traité de Versailles, étant entendu que la vitesse moyenne sera ramenée à 0,70 m environ par seconde au moyen de l’extension du remous jusqu’à la Birse, à moins que des difficultés techniques insurmontables ne s’y opposent.

La Commission Centrale se réserve de reviser celles des dites conditions qui avaient été motivées par la considération de la vitesse.La Commission Centrale approuve la régularisation du Rhin entre Bâle et Strasbourg demandée par la Suisse qui présentera à la Commission des projets d’exécution.Dazu ist zu bemerken:

Zu I.

Zunächst bezieht sich der Vergleichsvorschlag nur auf die Kanalstufe von Kembs.

Abs. 1 enthält die Anerkennung, dass das französische Kanalprojekt der Stufe Kembs, abgeändert gemäss den in der Resolution vom 16. Dezember 1921 enthaltenen Beschlüssen, den Anforderungen Genüge tut, die der Versailler Vertrag zur Wahrung der Interessen der Schiffahrt aufgestellt hat, sofern die Wassergeschwindigkeit im Kanal auf 0,7 Sekundenmeter herabgesetzt wird.

Damit verzichtet die Schweiz auf ihre frühere Forderung, wonach die zweite Schleuse so lang sein sollte wie die erste, mindestens aber 140 m. Dieser Verzicht ist nach der Meinung der Sachverständigen nicht von grosser Bedeutung. Ebenso verzichtet sie auf die Schleuse im Strom auf badischem Ufer, deren Erstellung sonach zu Lasten der Regulierung fiele. Endlich begnügt sich die Schweiz damit, dass die Schiffahrt auf dem Kembserkanal wie auf dem Rhein selbst, der Aufsicht der Rheinzentralkommission unterstellt ist, verzichtet also auf die Forderung, die Kanalverwaltung noch weiter zu internationalisieren, eine Forderung, die nach der Meinung hervorragender Delegierter von Frankreich schon mit Rücksicht auf sein Ansehen im Eisass nicht angenommen werden könnte.

Zu Lasten Frankreichs ist in Abs. 1 die für die Schweiz ausserordentlich wichtige Forderung der Herabsetzung der Wassergeschwindigkeit im Kanal auf 0,7 Sekundenmeter aufgestellt. Als Mittel hiefür ist der Rückstau bis zur Einmündung der Birs vorgesehen. Der zweite schweizerische Delegierte hätte es vorgezogen, hievon im Vergleich abzusehen und den Franzosen lieber eine grössere Wassergeschwindigkeit im Kanal zuzugestehen; allein das war nach der früheren Stellungnahme der Schweiz zur Frage der Wassergeschwindigkeit im Kanal (0,5 Sekundenmeter) nicht tunlich. In Absatz 2 kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass, bei Herabsetzung der Wassergeschwindigkeit im Kanal auf 0,7 Sekundenmeter, einzelne der in der Resolution vom 16. Dezember 1921 aufgestellten Bedingungen gemildert werden könnten.

Zu Ziffer II.

Mit Annahme dieser Ziffer II werden die Einwände gegen die Regulierung fallen gelassen, d. h. das Schweiz. Regulierungsprojekt wird für die ganze Strecke BaselStrassburg grundsätzlich anerkannt.

Hier wurde von der schweizerischen Delegation natürlich sofort die Kostenfrage aufgeworfen. Ursprünglich lehnte die französische Delegation jede Beitragspflicht ab; allein als sie daraufhingewiesen wurde, dass es nur gerecht wäre, wenn Frankreich, sofern der Kanalbau sich verzögern sollte und doch im vernachlässigten Rheinbette etwas zur Verbesserung der Schiffahrt getan werden müsse, an die Kosten solcher Massnahmen, also auch an die Regulierungskosten, etwas beitrage, anerkannte die französische Delegation dies. Dagegen war sie der Meinung, es sei im Vergleich über die Kostenfrage nichts zu sagen, da an ihr nur drei Staaten (Deutschland, Frankreich, Schweiz) beteiligt seien; die Angelegenheit könne durch Schriftenwechsel im Anschluss an die Vergleichsannahme grundsätzlich erledigt werden.

Schlussfolgerungen. Der Vergleichsvorschlag entspricht in den Grundzügen der in der Rheinzentralkommission bestehenden und durch weitern grundsätzlichen Widerstand nicht mehr abzuändernden Meinung über die Notwendigkeit, Frankreich die Kembserkanalstufe zuzugestehen. Dieser Sachlage muss die Schweiz notgedrungen Rechnung tragen. Noch kann der Vergleichsvorschlag wohl als Preis für das Entgegenkommen der Schweiz etwelchermassen belastet werden, allein eine starke Belastung verträgt er wohl nicht mehr, sonst scheitert er ganz. Damit aber ginge die einzige Gelegenheit für die Schweiz verloren, die Regulierung in ganz unerwarteter Weise zugestanden zu erhalten.

Lehnt die Schweiz den Vergleich ab, so lädt sie den Makel der Unzugänglichkeit gegenüber allen in der Rheinzentralkommission vertretenen Staaten auf sich. Frankreich würde dann auch der Durchführung der Regulierung auf einer Versuchsstrecke Widerstand leisten. Mit Festhalten am Verschiebungsantrag, mit technischen Einwänden, mit der Berufung auf Art. 46 der Mannheimer-Konvention kann der Entscheid über den Kanal noch verzögert, er kann aber nicht auf die Dauer verhindert werden. Mit dieser Verzögerung nehmen aber auch die Aussichten auf die Regulierung immer mehr ab und namentlich schwindet die Möglichkeit, sofern der Ausbau der Kembserkanalstufe aus irgend einem Grunde scheitern sollte, die entsprechende Rheinstrecke zu regulieren.

Die Fassung des Vergleichsvorschlags wäre noch insofern zu verdeutlichen als in Abs. 2 der Ziffer I anzugeben wäre, welche Erleichterungen an den früheren Beschlüssen noch zugestanden werden können. Auch sollte doch der Grundsatz, dass an die Kosten der Regulierung neben der Schweiz auch Deutschland und Frankreich teilzunehmen haben, im Vergleich selbst festgelegt werden.

Aus den dargelegten Gründen empfiehlt die schweizerische Abordnung die Annahme des Vergleichsvorschlags im Bewusstsein, nach bestem Wissen und Gewissen bestrebt gewesen zu sein, die ihr vom Bundesrat übertragene Aufgabe zu erfüllen.

Fortsetzung der Sitzung um 10 Uhr 30 Minuten.

Ausser den Vorgenannten sind anwesend:

Als Vertreter der Regierung des Kantons Basel-Stadt die Herren Regierungsräte Dr. Miescher und Dr. Im Hof.

Die Sachverständigen der schweizerischen Abordnung in der Rheinzentralkommission: Dr. Bertschinger und Dr. Mutzner.

Herr Bundespräsident Haab eröffnet die Sitzung, indem er erklärt, der Bundesrat habe zu der neuen Sachlage noch nicht Stellung genommen, da er darauf hielt, vorher die Vertreter der Basler Regierung anzuhören.

Herr Regierungsrat Miescher bedauert, dass in solcher Hast über eine Angelegenheit von so grosser Bedeutung entschieden werden müsse. Er führt sodann aus, es sei nach der Unterredung zwischen ihm, Herrn Regierungsrat Im Hof und Herrn Herold am gestrigen Nachmittag nicht mehr möglich gewesen, die Basler Regierung vollzählig zu besammein. Eine völlige Einigung konnte unter den zur Sitzung erschienenen nicht erzielt werden. Der jetzt vorliegende Vergleichsvorschlag kommt nicht ganz unerwartet, da früher schon von Ähnlichem die Rede war. Allein, während früher angenommen wurde, bei Einverständnis mit dem Ausbau der Kembserkanalstufe verzichte Frankreich auf die übrigen Kanalstufen, enthalte der jetzige Vergleichsvorschlag hierüber nichts. Das sei gefährlich, da die Regulierung nur dann ihren vollen Wert habe, wenn Frankreich keine weitern Kanalstufen ausbaut, wodurch das Regulierungswerk auf den entsprechenden Strecken des Stroms zum grössern Teil überflüssig würde und preisgegeben werden müsste. Das widerspricht durchaus dem Standpunkt der Schweiz, wonach die ganze Regulierung das einzig Richtige zu Gunsten der Rheinschiffahrt ist.

Wenn nun die Sache so steht, dass in der Rheinzentralkommission die Kembserkanalstufe Frankreich auf alle Fälle zugestanden wird, so muss das gleichzeitige Zugeständnis der Regulierung doch von allen wünschenswerten Sicherungen begleitet sein. In dieser Hinsicht gibt die blosse Erwähnung des Rückstaus über die Schweizergrenze in Abs. 1 der Ziffer I des Vergleichsvorschlages zu Bedenken Anlass. Es sollte festgelegt werden, dass für die Voraussetzungen, unter denen der Rückstau auf Schweizergebiet zugelassen werden kann, die schweizerische Gesetzgebung massgebend sein muss und dass der Erbauer des Werks, der dazu dieses Rückstaues bedarf, die Bedingungen zu erfüllen hat, die die Schweiz an diese Einwirkung auf das ihrer Hoheit unterstellte Gebiet knüpft.

Der Abs. 2 der Ziffer I sollte fallen gelassen werden, sonst setzt aufs neue die Erörterung alles dessen ein, was im Dezember 1921 mit Mühe erreicht worden ist.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die in in Ziff. II nunmehr zugestandene Regulierung des Rheins für Deutschland, namentlich auch im Hinblick auf die Schiffahrt von Basel bis zum Bodensee, wesentliche Vorteile bietet, und Ähnliches gilt auch für das Obereisass. Daher ist es nicht mehr als recht und billig, dass an die Kosten der Regulierung auch Deutschland und Frankreich beitragen. Dies sollte aber in irgend einer Weise, wenn möglich im Vergleich selbst, festgelegt werden.

Endlich wäre es ausserordentlich wünschenswert, irgendwelche Zusicherungen darüber zu bekommen, dass Frankreich sich auf die Kanalstufe von Kembs beschränkt.

All diese Punkte sind so wichtig, dass es schwer fällt, dem Vergleichsvorschlag zuzustimmen, gleichgültig, ob die gewünschten Ergänzungen erreicht werden können oder nicht. Andererseits ist auch die Regierung von Basel sich dessen bewusst, in welch unsichere Lage die Schweiz kommt, wenn sie sich weigert, darauf einzutreten.

Herr Regierungsrat Im Hof hebt hervor, die unter Ziffer 12 der Resolution vom 16. Dezember 1921 vorgesehene Aufsicht über die Schiffahrt auf dem Kanal durch die Rheinzentralkommission dürfte kaum genügen, um die Schiffahrt vor allen Misshelligkeiten zu bewahren, die ihr auf einem Gewässer bereitet werden können, das nur einer Staatshoheit unterliegt.

Herr Herold pflichtet dem Gedanken bei, in den Vergleich eine Bestimmung zur Wahrung der Hoheitsrechte der Schweiz gegenüber dem durch den Rückstau bis zur Birs bedingten Eingriff in ihr Gebiet aufzunehmen.

Wenn schon Abs. 2 der Ziffer 1 insofern eine gewisse Berechtigung hat, als es unbillig wäre, Frankreich gegenüber Bedingungen aufrecht zu erhalten, deren Erfüllung bei Herabsetzung der Kanalwassergeschwindigkeit auf 0,7 Sekundenmeter nicht mehr nötig ist, glaubt er doch, es sollte entweder auf Streichung dieses Absatzes oder auf seine Verdeutlichung gedrungen werden durch Nennung der hinfälligen Bedingungen.

Es soll versucht werden, über die Beteiligung Deutschlands und Frankreichs an den Kosten der Regulierung im Vergleichsvorschlag etwas zu sagen.

Die Frage des Verzichts Frankreichs auf den Ausbau der übrigen Kanalstufen aufzuwerfen, wird ausserordentlich schwierig sein, namentlich auch weil die Schweiz den Versailler-Vertrag nicht unterzeichnet hat. Die allgemeine Meinung geht übrigens dahin, dass Frankreich sich besinnen wird, ehe es weitere Kanalstufen in Angriff nimmt, da deren Wirtschaftlichkeit um so geringer wird, je weiter flussabwärts sie liegen.

Eine weitere Internationalisierung der Kanalverwaltung und damit eine genauere Aufsicht der beteiligten Staaten über die Schiffahrt wird aus den oben dargelegten Gründen kaum zu erreichen sein. Doch wird die kommende neue Rheinschiffahrtsakte auch auf die Schiffahrt im Kanal Anwendung finden.

In der weitern Beratung wird betont, der Abs. 2 der Ziffer I sollte gestrichen werden, weil es sich wohl rechtfertige, dass die Schweiz, wenn sie eine Kanalgeschwindigkeit von 0,7 statt von 05, Sekundenmetern zugesteht, an den Errungenschaften vom Dezember 1921 festhält. Je schwieriger die Ausführung der Kanalstufe Kembs sich gestaltet, desto mehr wird die Lust zum Ausbau weiterer Stufen gedämpft. Auch wird hervorgehoben, die Beteiligung Deutschlands und Frankreichs an den Regulierungskosten erscheine nicht nur mit Rücksicht auf die Erleichterung der Schiffahrt begründet. Die Regulierung mindere auch die Hochwassergefahren, sie wehre der weitern Verlandung des Flussbettes unterhalb Breisach und diene der Erhaltung des Ufergeländes. Daraus ergebe sich aber, dass mit der Regulierung auch die Lasten der Uferstaaten sich mindern, denen nach Art. 28 der Mannheimerkonvention die Unterhaltspflicht am Rhein obliege, woraus sich denn doch mit guten Gründen die Pflicht der Uferstaaten zur Beitragsleistung an die Regulierungskosten ableiten lasse.

Herr Dinichert umschreibt die diplomatische Stellung der Schweiz in der Rheinfrage wie folgt:

Das Recht Frankreichs auf den Bau eines Seitenkanals gemäss den im Versailler-Vertrag aufgestellten Grundsätzen ist grundsätzlich nicht bestritten. Die Schweiz hat aber von jeher betont, die Erbauung eines diesen Grundsätzen entsprechenden Seitenkanals, also eines die Schiffahrt nicht beeinträchtigenden Kanals, sei technisch nicht möglich. Die Richtigkeit dieser Voraussicht ist nun erwiesen, denn das französische Kanalprojekt wird allgemein wegen der darin vorgesehenen Kanalwassergeschwindigkeit von 1,2 Sekundenmetern technisch als unannehmbar erklärt. Dieser Übelstand lässt sich rationell nur durch den Rückstau über Schweizergebiet beseitigen. Die Schweiz könnte sich nun auf den Standpunkt stellen, die Anforderungen die der Versailler-Vertrag an den Kanal stellt, sind technisch unerfüllbar und der Kanal mit Inanspruchnahme schweizerischen Gebietes durch den Rückstau entspricht den Bestimmungen des Versailler-Vertrages nicht mehr, da die Bewilligung des Rückstaus im freien Belieben der Schweiz steht. Damit könnte mindestens theoretisch das französische Kanalprojekt zu Fall gebracht werden. So weit will nun aber die Schweiz der politischen und anderer Folgen wegen angesichts der in der Rheinzentralkommission überwiegenden Auffassung nicht gehen. Allein wir können geltend machen: Frankreich ist für die Erstellung eines den technischen Anforderungen des Versailler-Vertrages entsprechenden Kanals auf die Hilfe der Schweiz durch Bewilligung des Rückstaus angewiesen und die Schweiz ist geneigt, ihm diese Hilfe zu gewähren. Es ist aber durchaus gerecht, ja selbstverständlich, dass die Schweiz an diese Hilfeleistung die zur Wahrung ihrer Rechte und Interessen nötigen Bedingungen knüpfen und verlangen kann, dass diese Bedingungen soweit nötig im Vergleiche niedergelegt werden. Das ist ein durchaus ehrlicher Standpunkt, für den gewiss viele Delegationen in der Rheinzentralkommission gewonnen werden können. Im Vergleich sollte namentlich ausdrücklich die Unterstellung des Kanals unter die Aufsicht der Rheinzentralkommission und die Geltung schweizerischen Rechtes für die Beanspruchung schweizerischen Gebietes durch den Rückstau vorgesehen werden. Abs. 2 der Ziffer I des vorliegenden Vergleichsvorschlages wäre fallen zu lassen.

Hier wird die Beratung um ll1/2 Uhr abgebrochen.

Fortsetzung der Sitzung um 14'/2 Uhr.

Anwesend: Ausser den vorgenannten, Herr Bay, Regierungsrat des Kantons Basellandschaft.

Herr Bundespräsident Haab eröffnet die Sitzung mit dem Hinweis auf die neue Fassung des Vergleichsvorschlages, die seit der Vormittagssitzung ausgearbeitet wurde. Sie lautet:La Commission Centrale pour la Navigation du Rhin reconnaît que le projet français du canal de Kembs, tel qu’il a été amendé et modifié par la résolution du 16 décembre 1921, remplit les conditions indiquées par l’article 358 du Traité de Versailles, étant entendu que la vitesse moyenne sera ramenée à 0,70 mètres environ par seconde au moyen de l’extension du remous, consentie par la Suisse, jusqu’à la Birse, à moins que des difficultés techniques insurmontables ne s’y opposent.

Les concessionnaires des travaux hydrauliques installés sur le canal de Kembs auront besoin d’une concession suisse qui leur sera accordée conformément à la législation suisse en vigueur.

Il est constaté à nouveau que le contrôle de la Commission Centrale du Rhin s’exercera à tous égards sur le canal dont il s’agit dans les mêmes conditions que sur le Rhin.La Commission Centrale approuve la régularisation du Rhin entre Bâle et Strasbourg demandée par la Suisse, qui présentera à la Commission des projets d’exécution.

La Commission Centrale prend acte du fait que les deux Etats riverains s’entendront avec la Suisse au sujet de la répartition entre les trois Etats des frais résultant des travaux de la régularisation.

Ces travaux pourront être exécutés en commun par les Etats intéressés dès leur approbation.

Herr Herold führt dazu folgendes aus:

Ziffer I. Der Zusatz «consentie par la Suisse» in Abs. 1 soll deutlich zum Ausdruck bringen, dass der Rückstau von der Einwilligung der Schweiz abhängig ist.

Absatz 2 der ursprünglichen Vorlage ist gestrichen worden; es soll bei den früheren Bedingungen für den Kanal bleiben, immerhin unter Vorbehalt kleinerer durch die Verringerung der Kanalwassergeschwindigkeit tunlich erscheinender Zugeständnisse.

Der neue Absatz 2 stellt die gegebene Forderung auf, dass der Ersteller des Wasserwerkes in dem auf die Beanspruchung schweizerischen Gebietes angewiesenen Kanal einer schweizerischen Konzession bedarf. Damit wahrt sich die Schweiz ihre Rechte aus der Beanspruchung schweizerischen Gebietes bei der Erstellung des Kanals.

Der neue Absatz 3 bekräftigt die schon in der Resolution vom 16. Dezember 1921 vorgesehene Unterstellung des Kanals unter die Aufsicht der Rheinzentralkommission.

Ziffer II. Der neue Absatz 2 stellt den Grundsatz der Beteiligung Deutschlands und Frankreichs an den Regulierungskosten fest. Ein Massstab für die Kostenteilung wird sich erst in den Verhandlungen zwischen den drei Staaten festsetzen lassen.

Auf Grund der Beratung wird in Abs. 1 der Zusatz «consentie par la Suisse» ersetzt durch «à consentir par la Suisse», in Abs. 3 durch Aufnahme des Zusatzes «quant à la navigation» das Aufsichtsrecht der Rheinzentralkommission in Anlehnung an die Resolution vom 16. Dezember 1921 genauer umschrieben.

In der Beratung wird darauf hingewiesen, dass noch eine Reihe von Fragen vorläufig auch bei der vorliegenden Fassung des Vergleichs ungelöst bleiben. So die formelle Frage, ob in einem mit Frankreich abzuschliessenden Staatsvertrag die Grundlage für die Konzessionserteilung durch die Schweiz zu Gunsten des Kraftwerkes im Kembserkanal erst noch geschaffen werden müsse, ob die Schweiz als Ausgleich für die Hilfeleistung bei der Erstellung dieses Kraftwerkes Anspruch auf einen Teil der zu erzeugenden Kraft und auf Beteiligung an der Verwaltung des Kraftwerkes habe. Unter Hinweis auf die Vorteile, die sich für Deutschland aus dem Rückstau des Rheins bis zur Birseinmündung ergeben werden (Hafenanlagen unterhalb Basel, Güterumschlag), wird unter lebhafter Kritik an der Haltung der deutschen Delegation die Anregung gemacht, die Worte «jusqu’à la Birse» zu streichen und sich so freie Hand in der Gestaltung des Rückstaus zu wahren. Doch wird dieser Anregung keine Folge gegeben, weil ohne den Rückstau bis zur Birs die in Abs. 1 der Ziffer I vorgesehene Kanalwassergeschwindigkeit ohne Verbreiterung des Kanalprofils nicht eingehalten werden kann, somit ein Vergleich, der diese Lösung nicht festlegt, auf einen ganz unsichern Boden führt und den alten Zwiespalt: Verunmöglichung des Kanals durch unannehmbare technische Festsetzungen (wie Wassergeschwindigkeit von 0,9 Sekundenmetern oder Verbreiterung des Kanalprofils) oder aber Vergleich, wieder heraufbeschwört, den aus der Welt zu schaffen und zu überwinden der jetzige Vorschlag aufgestellt worden ist und bei dem es unvermeidlich ist, gewisse Zugeständnisse in den Kauf zu nehmen.

Herr Bundespräsident Haab ersucht die Vertretung des Regierungsrates von Basel-Stadt, die Stellungnahme zu dem Vergleichsvorschlag bekanntzugeben.

Herr Regierungsrat Miescher gibt die Erklärung ab, in der gestrigen Sitzung habe sich die Mehrheit des Regierungsrates der Auffassung angeschlossen, dass der Vergleichsvorschlag anzunehmen sei. Dies gegenüber einem Antrag, den Vergleich nur anzunehmen, wenn Frankreich auf den Ausbau der übrigen Kanalstufen verzichte.

Der jetzige Vergleich ist das Ergebnis der bisherigen festen Haltung der Schweiz in der Rheinfrage. Mehr scheint nicht erreichbar. Der Entscheid fällt auch so nicht leicht.

Herr Regierungsrat Bay erklärt, er sei ohne Auftrag zur Stellungnahme von seiner Regierung hierher entsandt worden, da sie keine Gelegenheit gehabt habe, sich mit dem jetzigen Stand der Angelegenheit genügend vertraut zu machen. Dagegen könne er feststellen, dass sich der Kanton Basel-Landschaft in dieser Sache mit dem Kanton Basel-Stadt vollkommen solidarisch erklärt.

Um 15 Uhr 45 Minuten ziehen sich die anwesenden Mitglieder des Bundesrates zu einer Sitzung zurück.

Herr Bundespräsident Haab stellt fest, dass die Mehrheit des Regierungsrates von Basel-Stadt laut der Erklärung des Herrn Regierungsrates Miescher dem Vergleich zustimmt, der auch von der schweizerischen Abordnung zur Annahme empfohlen wird. Er gibt der Meinung Ausdruck, die Verantwortung für die Ablehnung des Vergleichsvorschlags, wie er nunmehr festgestellt wurde, wäre viel schwerer zu tragen, als die Verantwortung für die Annahme dieses Vergleichs.

Herr Bundesrat Chuard gibt Kenntnis von einem Schreiben des ersten holländischen Delegierten in der Rheinzentralkommission, der dringend die Annahme des Vergleichsvorschlags empfiehlt, da er der Schweiz die Regulierung zugesteht in einer Weise, wie sie bei weiterm Widerstand nie mehr zu erreichen sein werde.

Gegenüber dem Einwurf des Präsidenten, der Briefschreiber gehe von der Annahme aus, dass keine weitern Kanalstufen ausgebaut werden als die von Kembs, betont Bundesrat Chuard, für den Ausbau aller weitern Stufen sei wiederum die Zustimmung der Rheinzentralkommission nötig und es spreche alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass keine weitern Stufen mehr gebaut werden. Er empfiehlt die Annahme des Vergleichs.

Betont wird weiterhin, die schweizerische Abordnung sollte über die Verteilung der Regulierungskosten wenn immer möglich genauere Zusicherungen zu erhalten suchen, wenn schon die Rheinzentralkommission, wie vorauszusehen, nicht gewillt sein sollte, über diesen Punkt mehr als den Grundsatz, wie er in Ziffer II, Abs. 2, vorgesehen ist, in den Vergleich aufzunehmen.

Auf Grund der Beratung wird beschlossen:

A. In Ergänzung der ihr früher erteilten Weisungen wird die schweizerische Abordnung in der Rheinzentralkommission ermächtigt, folgendem Vergleich in der Rheinfrage zuzustimmen:La Commission Centrale pour la Navigation du Rhin reconnaît que le projet français du canal de Kembs, tel qu’il a été amendé et modifié par la résolution du 16 décembre 1921, remplit les conditions indiquées par l’article 358 du Traité de Versailles, étant entendu que la vitesse moyenne sera ramenée à 0,70 mètres environ par seconde au moyen de l’extension du remous, à consentir par la Suisse, jusqu’à la Birse, à moins que des difficultés techniques insurmontables ne s’y opposent.

Les concessionnaires des travaux hydrauliques installés sur le canal de Kembs devront demander une concession suisse qui leur sera accordée conformément à la législation suisse en vigueur.

Il est constaté à nouveau que le contrôle de la Commission Centrale du Rhin s’exercera à tous égards, quant à la navigation, sur le canal dont il s’agit dans les mêmes conditions que sur le Rhin.La Commission Centrale approuve la régularisation du Rhin entre Bâle et Strasbourg, demandée par la Suisse, qui présentera à la Commission des projets d’exécution.

La Commission Centrale prend acte du fait que les deux Etats riverains s’entendront avec la Suisse au sujet de la répartition entre les trois Etats des frais résultant des travaux de la régularisation.

Ces travaux pourront être exécutés en commun par les Etats intéressés dès leur approbation.

B. Die Abordung wird beauftragt, wenn möglich durch Schriftenwechsel genauere Zugeständnisse über die Teilnahme Deutschlands und Frankreichs an den Kosten der Rheinregulierung zu erlangen.

C. Die Abordnung wird ermächtigt, Frankreich gegenüber auf den in der Resolution vom 16. Dezember 1921 festgesetzten Bedingungen für den Kanalbau Zugeständnisse von geringerer Bedeutung zu machen, soweit sie sich auf Grund der im Vergleich vorgesehenen Herabsetzung der Kanalwassergeschwindigkeit auf 0,7 Sekundenmeter rechtfertigen lassen. Über Zugeständnisse von grösserer Bedeutung hätte sie vorgängig die Meinung des Bundesrates einzuholen.

Schluss der Sitzung um 16 Uhr 35 Minuten.

Nach Schluss der Sitzung gibt der Bundespräsident den Teilnehmern an den vorangegangenen Beratungen die Schlussnahme des Bundesrates bekannt.

1
E 1005 2/2. Un texte identique se trouve dans les procès-verbaux ordinaires du Conseil fédéral, cf. E 1004 1/283 no 1210. Etaient absents: G. Motta, E. Schulthess et H. Hüberlin; ont participé à la séance: H. Dr. Herold, 1. Delegierter der Schweiz in der Rheinzentralkommission, und H. Minister Dinichert, Chef der Abteilung für Auswärtiges im politischen Departement.
2
La commission du Rhin était réunie à Strasbourg depuis le 20 avril. Sur ses travaux, cf. Rapport du Conseil fédéral sur la politique qu’il a suivie jusqu’à maintenant dans la question du Rhin, du 11 août 1922, FF, 1922, Vol. II, pp. 997–1065.
3
Ibid. pp. 1055–1058.
4
Non reproduites, cf. E 1004 1/283, no 1089.