dodis.ch/43086 Der Vorsteher des Post- und Eisenbahndepartementes,
L. Forrer, an den schweizerischen Gesandten in
Rom,
J. B. Pioda1
In Beantwortung Ihrer Zuschrift vom 29. vor. Monats2 ersuche ich Sie, Herrn Tittoni folgendes zu eröffnen:
Anlässlich meiner Anwesenheit in Bern Mitte vor. Monats hatte ich Gelegenheit, mit dem Vorsteher unseres Eisenbahndepartements, Herrn Forrer, über die Gotthard- & die Ostalpenbahn zu sprechen.
I. Hinsichtlich der ersteren Frage äusserte Herr Forrer sein Befremden über die Haltung von Deutschland und Italien, die uns seit Jahren keine Antwort mehr geben, und deren Vertreter in Bern, so oft man sie gefragt, jedesmal versprochen haben, dass nächstens eine Antwort kommen werde. Forrer bemerkte: so oft ich mit Herrn v. Bülow darüber sprach, entgegnete er, die Verzögerung liege bei Italien. So oft ich Herrn Magliano (mit Herrn Cusani habe ich nie darüber gesprochen) fragte, erklärte er, man erwarte in Rom immer noch Berichte aus Berlin.
In Bern ist man davon überzeugt, dass diese Verzögerung keine zufällige und keine ungewollte sei, Italien und Deutschland vielmehr absichtlich abwarten, bis die Gotthardbahn verstaatlicht sei, um alsdann mit den Begehren auszurücken und der Schweiz Schwierigkeiten zu bereiten. Der Bundesrat wird deshalb nicht mehr rechargieren, indem er sicher ist, dass dies nichts nützen würde, sondern die Verstaatlichung auf den l.Mai 1909 durchführen und das Weitere ruhig gewärtigen, zumal er sich auf einem ganz sichern Rechtsboden fühlt.
Forrer unterliess nicht, mir in Erinnerung zu rufen, dass er vor 2 Jahren in Mailand Herrn Tittoni gebeten, dem B. R. bald eine Antwort zu senden, und dass Herr Tittoni ihm erklärte, das werde eines der ersten Geschäfte sein, mit denen er sich im Ministerium des Auswärtigen befassen werde.
II. Was die Ostalpenbahnfrage anbetrifft, so liegt ein Konzessionsgesuch des Splügenkomitees vor, über welches das Eisenbahndepartement dem Bundesrat nächstens und jedenfalls noch im Laufe dieses Jahres einen Antrag unterbreiten werde. Weiteres kann darüber heute nichts gesagt werden.
III. Von einem Zusammenhängen der beiden Fragen will Forrer nichts wissen. Jeder der beiden Gegenstände ist eine Frage für sich. Eine gegenteilige Sachbehandlung würde auch auf inner-politische Schwierigkeiten stossen. Die Gotthardbahn ist in allen Beziehungen Bundessache. Die Splügenfrage liegt anders. Möglicherweise wird dem Splügenkomitee die Konzession erteilt; dann wird das Unternehmen Privatsache sein, wobei der Bund keine andere Verpflichtung übernehmen würde, als die Leistung der Alpenbahnsubvention laut Bundesbeschluss von 1878.
Die Eröffnung dieser Mitteilung werden Sie machen als von Ihnen ausgehend und nicht als im Namen des Departements oder des Bundesrates erfolgend.