Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. BILATERALE BEZIEHUNGEN
14. Österreich-Ungarn
14.2. Handelsvertragsverhandlungen
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 91
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E13#1000/38#386* | |
Old classification | CH-BAR E 13(-)1000/38 90 | |
Dossier title | Korrespondenz und Protokolle betr. die Konferenzen der bundesrätlichen Delegation am 06.11.1905, 25.11.1905, 30.11.1905, 29.01.1906, 17.02.1906 (1905–1906) |
dodis.ch/42946
Protokoll der Konferenz vom 6. November 1905 über den schweizerischösterreichischen Handelsvertrag1
Herr Bundesrat Deuchereröffnet die Konferenz als Vorsitzender und erteilt den soeben aus Wien eingetroffenen Herren Unterhändlern das Wort zum Referat über den Stand und die Aussichten der Vertragsunterhandlungen mit Österreich-Ungarn.
Herr Frey. Über den Gang der Unterhandlungen sei dem Bundesrate sukzessive berichtet worden; einzig über die letzte Sitzung noch nicht, wo es sich gezeigt habe, dass mit den anfänglichen Instruktionen kein Vertrag abzuschliessen sei. Die Delegation sei in allen Teilen am Ende ihrer Mittel angekommen, habe ihre Kompetenzen sogar bereits in einigen Punkten überschritten, wo man aber hoffe, vom Bundesrate nicht desavouiert zu werden. Ö.-U. habe bei allen wichtigen Punkten erklärt, dass es sein letztes Wort gegeben habe. Es sei deshalb an der Zeit, zu neuen Entschlüssen zu kommen.
Von einem Provisorium will Ö.-U. nur etwas wissen, wenn bis 1. Jan. 1906 ein Vertrag zustandekommt und wir dann die darin enthaltenen Ansätze der Anlage A von jenem Tage an auf östr. Waren prov. an wenden; es würde uns dagegen bis zum 1. März 1906 den Status quo gewähren. Ein solches Provisorium würde aber den endgültigen Vertrag präjudizieren und ist daher bei der gegenwärtigen Sachlage nicht angezeigt.
Ö.-U. hat den Vertrag mit Deutschland hinter sich, worin es nur kleine Konzessionen gemacht hat, die es uns jetzt vergrössern soll. Das will es nicht, weil alle weitern Zugeständnisse durch die Meistbegünstigung Deutschland wieder zugute kämen.
Die Delegation ist daher im Falle, vom Bundesrate wesentlich weiter gehende Instruktionen zu erbitten. Um zu erfahren, wie weit wir von unsern Forderungen abgehen können, hat der Sprechende am 4. und 5. Nov. mit den Interessenten Rücksprache getroffen. Es ist dabei zu bemerken, dass Ö.-U. bereit ist, uns bei Positionen zweiten und dritten Ranges entgegenzukommen, bei den Hauptsachen aber sich eher zurückhaltend erweist.
[...]]2
231 und 232 Rohes Nutzholz sind als erledigt zu betrachten.
Herr Deucherflicht hier ein, dass am Samstag der östr. Gesandte bei ihm gewesen sei mit einer langen Depesche seiner Regierung, worin die Abreise unserer Delegation nach Bern erwähnt sei, und ferner, dass die östr. Regierung beunruhigt sei, weil wir alles haben und nichts geben wollten. Namentlich beklagte er sich über unsere Haltung beim Holz und den Keltertrauben, nachdem seine Regierung unsere Vieh- und Weinzölle angenommen habe. Herr Deucher hat nur erwidern können, dass der Eindruck auf unserer Seite ebenfalls sehr ungünstig sei.
Herr Freyhält das diplomatische Dazwischentreten für unstatthaft; man könne nur an einem Orte unterhandeln. Wir haben das Äusserste deklariert, sodass Ö.-U. nichts mehr von uns zu erwarten hat, bevor wir neue Instruktionen haben. Weinmaische und Holz können nach unserer Ansicht als definitiv erledigt betrachtet werden. Bei
233 eichene Schwellen, haben wir 50 Rp. konzediert, ebenso bei
234 andere Schwellen instruktionsgemäss 80 Rp., gleicherweise bei
235 und 236 andere Nutzholz, etc., 60 Rp und 1 Fr. Bei
237 Nadelholz haben wir 1 Fr. deklariert, wie es für gesägtes Laubholz im Vertrage mit Deutschland vereinbart ist, und wo im Geheimprotokolle bestimmt ist, dass Nadelholz behandelt werden soll wie Laubholz.
Herr Dr. Laur. In einem Provisorium wäre dieser Ansatz von 1 Fr. auch aufzunehmen, weil er mit Deutschland vereinbart ist. Ö.-U. hat die positive Erklärung abgegeben, dieser Zoll sei nicht nur absolut unannehmbar, er würde auch die Zurückziehung der Käsekonzession bewirken. Es ist dies eine Sache, worüber noch gesprochen werden kann. Die Drohungen werden sich nicht im vollen Masse erfüllen; es sind mehr taktische Versuche.
Herr Frey. Wir haben in der Delegation vor den Unterhandlungen eine längere Besprechung über unser Verhalten gehabt und sind zu dem Schlüsse gekommen, überall, wo es ratsam erscheinen sollte, die äussersten Zugeständnisse zu machen, immer mit dem Hinweis auf unsere Forderungen, von denen diese Konzessionen abhängen.
Bei Nr. 242 und 243 Par ketteriet eile haben wir daher, wie bei allen Holzpositionen, instruktionsgemäss konzediert, also hier 6 Fr. und 10 Fr. Die Angebote sind aber als unannehmbar erklärt worden.
ex 259/64 Gebogene Möbel. Ö.-U. verlangt den Status quo; das sei ein Postulat, an dem es festhalten müsste, sonst müsste es die Reduktion aller unserer Möbelzölle verlangen. Unsere Möbelschreinerei ist aber gerade eine derjenigen Branchen, die am meisten über den Vertrag mit Deutschland geklagt haben. Es ist ausgeschlossen, dass man weiter auf die östr. Forderung eingeht. Durch die neuen Zölle wird allerdings ein Teil der östr. Möbel nicht ungünstiger behandelt als bisher; sobald aber polierte oder gefirnisste in Frage kommen, steht die Sache anders. Aber das war die Absicht der Zolltarifrevision.[...]3
Herr Deucher. Bei den Keltertrauben heisst es non possumus und wenn der Vertrag daran scheitern sollte. Etwas anderes ist es mit dem Holze, wenn das Zustandekommen des Vertrages nur von diesem abhängen sollte. Aber im heutigen Momente muss man mäuschenstill sein; und ich habe selbst noch keine abgeschlossene Meinung, stelle daher auch keinen Antrag, befinde mich vielmehr noch auf dem Boden der Delegation. Da wir Ö.-U. eben nichts anderes vom Wert zu geben haben, wird man die Holzfrage nochmals prüfen müssen.
Herr Dr. Laur. Die östr. Delegation sucht die Sache so darzustellen, als ob wir nichts offerierten; aber wir offerieren einen offenen Markt für Vieh, und unzweifelhaft auch beim Holze. Es ist nicht zu vergessen, dass Ö.-U. von Deutschland 90 Rp. auf den Brettern angenommen hat. Ich habe die Überzeugung, Ö.-U. bekomme durch unser Anerbieten sehr viel, sodass wir gar keine Ursache haben, noch mehr zu bieten, um das Gleichgewicht herzustellen. Es wird uns für die Zukunft einen kleineren Markt bieten. Wenn es zum Zollkrieg kommt, so ist nicht unser Tarif schuld, sondern der österreichische. Im deutschösterreichischen Vertrage hat Ungarn die Rechnung bezahlt, und wir offerieren Ungarn ein gutes Absatzgebiet und Österreich hat diesmal die Rechnung zu begleichen. Das müssen wir den Ungarn klar machen, damit sie auf die Österreicher einen Druck ausüben. Unsere Forstwirtschaft und die Sägereien werden durch die östr. Bretter ausserordentlich gefährdet; es handelt sich weniger um das Holz, als um die Erhaltung der Sägereien in den Holzgebieten. Der Bund, der das Forstgesetz geschaffen hat, hat die Pflicht, ein Äquivalent dagegen zu bieten.
Herr Freywünscht zu wissen, wie sich der Bundesrat zur Zuckerfrage stellt.
Herr Deucher. Wir haben den Beitritt zur Zuckerkonvention angemeldet unter dem Vorbehalte, dass die Schweiz in der Hauptsache unter den gleichen Ausnahmebedingungen aufgenommen werde, wie Italien, Spanien und Schweden, so dass auch die ferner beitretenden Staaten in der permanenten Kommission nur beratende Stimme haben sollen wie die Schweiz. Die Frage der Ansätze ist beim Zolldepartement in Untersuchung.
Herr Frey. Es besteht die Möglichkeit, dass wir die Sache bei Frankreich anbringen, weil für die Herabsetzung der Zuckerzölle dort eher etwas zu machen sein wird.
Herr Dr. Laurnimmt einen abweichenden Standpunkt ein und möchte, wenn immer mögfich, die Zuckerzölle in den Verhandlungen mit Ö.-U. verwerten. Wir wissen noch nicht, wie es mit F. kommt. Er möchte die autonome Herabsetzung umgehen, weil man auf die Bundesversammlung nicht zählen könne. Die Ausführungen der östr. Delegation zeigen eine gewisse Schadenfreude; sie stellt die Sache wertloser dar als sie ist. Sie haben aber immer wieder angefangen davon und daraus darf man schliessen, dass sie eine Herabsetzung doch nicht ganz für wertlos halten.
Herr Frey. Ich habe mich vielleicht vorhin nicht ganz klar ausgedrückt. Ich bin nicht für die autonome Herabsetzung, meine aber bloss, wenn man die Sache bei Frankreich anbringe, könne man vielleicht etwas dagegen erhalten. Ö.-U. verlangt Bindung, stellt uns aber die Position wieder ganz zur Verfügung.
Herr Deucher. Wir wollen das weitere abwarten.
Herr Dr. Laurmöchte die autonome Herabsetzung auch deswegen umgehen, weil sonst die Sozialdemokraten in der Bundesversammlung sofort auch den Ochsenzoll herabgesetzt wissen wollten.
Herr Dr. Eichmannweist darauf hin, dass man mit bezug auf Frankreich noch sehr im Ungewissen sei, ob überhaupt ein Vertrag möglich werde. Er neigt daher mehr der Ansicht des Herrn Dr. Laur zu. So ganz gleichgültig werde Ö.-U. die Sache nicht sein und parlamentarisch wäre die Reduktion für dasselbe doch von Vorteil.
Herr Comtessefindet eine Vereinfachung darin, wenn die Frage geregelt werden kann ohne den umständlichen Apparat der Gesetzgebung.
Herr Freyhält dafür, dass wir eher mit Frankreich zu einem Vertrage kommen als mit Ö.-U. und kommt dann auf einige schon angetönte Punkte zurück: Man sollte Ö.-U. in seiner Forderung zu den Hausschuhen aus Leder wenn möglich entgegenkommen. Bei den Parketterieteilen sei dies ohne Preisgabe unserer Industrie nicht möglich. Auf die Position gebogene Möbel lege Ö.-U. sehr grosses Gewicht. Die Zölle seien aber nicht so, dass sie nicht überwunden werden könnten; es bestehe aber auch eine schweizerische Industrie (Glarus, Klingnau), die geschützt werden müsse. Dabei sei auch zu beachten, dass unsere Schreiner geschnittenes Buchenholz künftig höher zu verzollen haben.
Herr Deuchermöchte an den Möbelzöllen festhalten; er habe schon so viele Vorwürfe gehört, dass er nachgerade genug habe.
Herr Frey. Durch die kleinste Konzession würde der ganze Möbeltarif über den Haufen geworfen.
[...]4
Zur Behandlung kommt nun die Viehseuchen-Konvention, woran auch die Herren Müller, Chef der Landwirtschaftsabteilung und Oberst Potterat, Oberpferdearzt, teilnehmen.
Herr Dr. Laur. Die Delegation hat erklärt, dass wir nicht in der Lage seien, auf ein Abkommen einzutreten.5 Man sei froh, kein solches mehr zu haben. Ö.-U. weist darauf hin, dass das die Handelsvertragsunterhandlungen sehr erschwere, und die Ungarn behaupten, jedes Interesse am Vertrage zu verlieren, wenn die Konvention nicht zustandekomme. Das Hauptinteresse Ö.-U. dabei ist natürlich, seinen Schlacht- und Nutzviehimport in die Schweiz zu sichern. Im technischen Komitee beschränken wir uns auf das Anhören der östr. Auseinandersetzungen, ohne selber irgendwelche Vorschläge zu machen. Die Herren haben sich dort beklagt, dass ohne Konvention ihre Viehausfuhr vom Wohlwollen der Schweiz abhänge, dass die Ochsen nur hereingelassen werden, wie der Produktion entspreche, und dass Einfuhrbewilligungen nur an Schweiz. Händler erteilt würden. Wir betonen neuerdings, Ö.-U. habe das letzte Abkommen selber gekündigt. In der Schweiz bestehe kein Bedürfnis für ein neues Abkommen; das deutsch-östreichische Abkommen sei zu kompliziert. Dagegen meinte Ö.-U., sie wollten in einer Konvention mit der Schweiz nicht so weit gehen, wie mit Deutschland, bloss einige Grundsätze festlegen. In unserer Delegation legte besonders Herr du Martheray ein grosses Interesse an den Tag. Daraufhin machte der Sprechende einen Entwurf, den er aber bloss als eine Idee, nicht als Antrag oder Initiative aufgefasst wissen möchte. Auch dieser Entwurf würde für unsere Landwirtschaft ein grosses Opfer bedeuten. Alle Herren waren mit mir der Ansicht, wir dürfen unsere Autonomie nicht aufgeben. Durch einiges Entgegenkommen wären die Ungarn für den Vertrag zu gewinnen und würden auf Ostreich einen Druck ausüben.
Entwurf Laur: 1. Statt allgemeiner Sperren gegenüber Ostreich für Schlachtvieh nur solche gegenüber einzelner Sperrgebiete. Gleichzeitig die Bedingung der Abschlachtung in öffentlichen Schlachthäusern. 2. Das Vieh muss innerhalb 24 Stunden abgeschlachtet werden. 3. Ö.-U. müsste sich der viehseuchenpolizeilichen Kontrolle unterziehen.
Gegenleistung: Für Zuchtvieh freie Grenze, Status quo für Käse, Verzicht auf weitere Reduktion der Holzzölle.
Herr Müller: Ö.-U. ist mit seiner Vieheinfuhr in die Schweiz gegenüber Italien und Frankreich begünstigt. In St. Margrethen befindet sich eine sog. Kontumazanstalt. In der Ostschweiz gibt es wenig öffentl. Schlachthäuser; es ist auch kein Bedürfnis dafür vorhanden. Wenn das Projekt Laur angenommen würde, müsste die Sache der Seuchenpolizei darunter leiden; das wäre ein Nachteil. Jetzt wird dem Bedürfnis entsprechend importiert, nachher käme östr. Vieh in ganzen Herden, sodass es nicht möglich wäre, alles innert 24 Stunden zu schlachten. Wenn die Viehpreise in Ungarn, Mähren, Böhmen günstig sind, verlegt sich der Viehhandel sofort auf diese Gebiete. Das Sperrsystem nach dem Entwürfe Laur hätte zur Folge, dass auch Nutzvieh eingeführt werden könnte. Dagegen müssen wir uns mit allen Mitteln wehren, schon wegen der ausserordentlichen Seuchengefahr, die uns immer von Ö.-U. her bedroht.
Herr Potter at. Ö.-U. besitzt vorzügliche Regiemente gegen die Seuchen, sie werden aber nicht gehalten. Wir haben deshalb immer krankes Vieh an der Grenze. Die Seuchen grassieren ohne Unterbruch in Ö.-U. Das letzte Seuchenabkommen wurde von Ö.-U. gekündet, weil es darin für seinen Export die früher besessenen Vorteile nicht mehr fand. Unsere Metzger decken ihren Bedarf grossenteils in Bregenz, wo grosse Märkte stattfinden. Der Sprechende war schon inkognito dort, um die Handhabung der Seuchenpolizei zu überwachen. Gesundes und krankes Vieh wird in die gleichen Wagen verladen. Es befinden sich zwar zwei Veterinäre in Bregenz; aber in Ö.-U. betrachtet man die Maulund Klauenseuche als quantité négligeable; nur Pest und Lungenseuche gelten als eigentliche Krankheiten. In Wien und Innsbruck führt man schon bessere Kontrolle; aber in Bregenz sieht es schlimm aus damit.
Jedesmal, wenn die Grenze freigegeben wurde, kam auch sicher die Seuche wieder herein. Die Idee mit den begrenzten Sperrgebieten ist nicht durchführbar, weil die Kontrolle zu lose ist.
Herr Comtessewundert sich, dass Deutschland eine Seuchenkonvention mit Ö.-U. eingegangen ist; es sei doch sonst so zurückhaltend und vorsichtig in solchen Fragen. Die Schweiz könnte sich ja alle nötigen Vorbehalte sichern; aber man sollte nicht von vorneherein jedes Abkommen zurückweisen, besonders dann nicht, wenn dagegen nützliche Zugeständnisse für Käse etc. in Aussicht gestellt werden.
Herr Deucher. Sobald wir eine Seuchenkonvention mit dem Handelsverträge verbinden, sind wir für zwölf Jahre gebunden. Das ist zu vermeiden. Hätten die Östreicher eine gehörige Ordnung in ihrer Seuchenpolizei, so könnte man vielleicht den Vorschlag des Herrn Dr. Laur prüfen. Aber hier ist Vorsicht dringend geboten. Ich erinnere mich mit Schrecken der Volksversammlung im Jahre 1893; das war die reinste Revolution. Ö.-U. ist heute besser gestellt als Italien und Frankreich, und günstiger werden wir es überhaupt nicht stellen können.
Herr Müller. Die Antwort auf die Ausführungen des Herrn B. R. Comtesse ist leicht zu geben: Die Deutschen halten die Konvention einfach nicht. Sie befinden sich in günstigerer Lage als wir; Deutschland hat eine Menge grösserer Industriestädte mit vorzüglichen Schlachthäusern, die eine grössere Menge Vieh auf einmal aufnehmen und in kürzester Zeit abschlachten können. Das haben wir in der Schweiz nicht: in Zürich herrschen nach dieser Richtung schauerliche Zustände, und in Basel steht es nicht viel besser. Wir haben übrigens nur sanitarische Kontrolle, und keinen Protektionismus; und wir brauchen das ausländische Schlachtvieh. Unsere Grenze ist nur frei gegen Deutschland, weil dort gute sanitarische Zustände bestehen. Vor einigen Jahren waren z. B. die Schweine in Deutschland billig, und es wurden eine Masse solcher ohne jede Gefahr importiert.
Herr Deucher. Wir sollten Ö.-U. sagen, dass seine Einfuhr durch eine Konvention nicht verbessert würde. Früher war Ö.-U. unser grösster Schlachtviehlieferant; jetzt ist die Sache anders geworden und heute klagt es auch über Fleischnot.
Herr Frey. Die Seuchenkonvention bleibe nur aus dem Handelsvertrag. Ö.-U. nimmt jede Form und Dauer eines Abkommens an. Es glaubt uns aber nicht, wenn wir ihm sagen, es sei die Meinung des B. R.; die Delegation wäre daher sehr dankbar, wenn der B. R. ein kurzgefasstes Schreiben an uns richten würde, das wir den östr. Delegierten vorweisen könnten.
Herr Deucher. Wir könnten dem Bundesrate Antrag stellen, und begründen, dass wir namentlich aus wirtschaftlichen Gründen nicht eintreten, und dass die Östreicher durch die Massnahmen, die wir treffen, besser behandelt werden als die übrigen Länder, ausgenommen Deutschland.
Herr Dr. Laurwünscht, dass man der Delegation die östreichische Note vom 8. März 1892 übersende, womit die letzte Seuchenkonvention gekündigt wurde; es ist ihm namentlich um das Pro memoria zu tun, das dieser Note beiliegen soll6. Provisorium.
Herr Frey. Ö.-U. hat gesagt, wenn wir erst einen Vertrag haben, regelt sich die Frage des Provisoriums von selbst; es würde uns den Status quo bis 1. März 1906 bewilligen, wenn wir vom 1. Januar an auf östr. Produkte den neuen Gebrauchstarif mit den im neuen Vertrage gemachten Zugeständnissen anwenden würden. Man könnte Ö.-U. diesen Wunsch erfüllen, und von Neujahr ab die Abmachungen des Vertrages provisorisch in Kraft erklären, eventuell auch die Abmachungen, die bis zu einem Unterbruche der Verhandlungen getroffen worden sind. Wenn wir das nicht annehmen, dann gibts eben kein Provisorium, sondern einen Bruch. Ö.-U. unterhandelt gegenwärtig noch mit Russland und Bulgarien, möchte diese Woche mit uns fertig werden, um dann sofort mit Belgien, Rumänien und Italien zu beginnen; denn am 19. Dez. will es den ganzen Vertragsblock dem Parlament vorlegen.
Herr Deucher. Wir werden Ö.-U. also ein Provisorium vorschlagen: Vom 1. Jan. an Anwendung unseres neuen Gebrauchstarifes mit den bis zum Unterbruch gemachten Konzessionen, und die Antwort gewärtigen.
Herr Frey. Bei einem Bruche fällt in Betracht, dass unsere Industrie ohne zu grossen Nachteil den Export für einige Zeit zurückhalten kann, nicht aber Ö.-U. den seinigen: seine Eier, sein Holz, Malz und Vieh erleiden keine Unterbrechung der Ausfuhr. Der Vorteil liegt also auf unserer Seite.
Auf der von Ö.-U. bis jetzt gestellten Basis ist der Abschluss eines Vertrages absolut ausgeschlossen. Ungarn kann mit Getreide und Vieh nicht mehr nach Deutschland, es muss also ein umso grösseres Interesse an einem Vertrage mit uns haben, und es ist zu erwarten, dass es den deutsch-östreichischen Vertrag gar nicht ratifiziert, wenn es mit uns zu einem einigermassen annehmbaren Abschlüsse kommen kann.
- 1
- E 13 (B)/244. Österreich-Ungarn. Anwesend: A. Deucher, M. Ruchet, R. Comtesse (Delegation des Bundesrates für die Handelsvertragsunterhandlungen), A. Frey, E. Laur (Unterhändler), A. Eichmann, E. Bonjour, P. Thomann (Handelsabteilung). Protokollführer: J. Schmid.↩
- 3
- Weitere Besprechung einzelner Positionen.↩
- 4
- Bericht der Delegation betreffend den österreichisch-ungarischen Tarif. Am Schluss dieses Berichtes zog Nationalrat Frey das Fazit, dass uns Österreich- Ungarn auf allen Hauptpositionen nicht entspricht, während es auf minderwertigen oder zweifelhaften Zugeständnisse macht. Es liegt nun an uns, den guten Willen durch weiteres Zurückschneiden zu dokumentieren und es dann vor die Alternative zu stellen: Vertrag oder nicht! Es folgt die artikelweise Beratung des Textentwurfes.↩
- 5
- Diesbezüglich hatte das Handelsdepartement dem Bundesrat am 25. September 1905 die folgende Instruktion vorgeschlagen: Zu den von Österreich- Ungarn proponierten neuen Bestimmungen über den Viehverkehr (Seite 29, 31, 35, und 37) bemerkt das Landwirtschaftsdepartement in seinem Berichte vom 18. Juli 1905, dass dieselben unbedingt abzulehnen seien, weil sie unsere Autonomie in Angelegenheiten der Viehseuchenpolizei beschränken und uns wieder in die unheilvolle Lage zurückversetzen würden, die die Folge der mit Österreich- Ungarn abgeschlossenen Seuchenkonvention von 1893 war. Die Vorschläge bezwecken nichts anderes, als die möglichst unbehinderte Einfuhr des östr.-ungarischen Viehes. Was einzig annehmbar erscheine, sei der letzte Absatz auf Seite 31, der den Transit von Tieren und tierischen Rohstoffen in plombierten Wagen gegenseitig zusichere (E 13 (B)/240).↩
- 6
- Am 10. November 1905 beschloss der Bundesrat, ein Schreiben betr. Viehseuchenkonvention an die schweizerischen Delegierten zu erlassen. Der Schlussabschnitt dieser Weisung lautet: Wir erwarten, es werde Ihnen nicht schwer fallen, unter Darlegung der Ihnen bekannten tatsächlichen Verhältnisse die österreichisch-ungarische Delegation zu überzeugen, dass die Verquickung viehseuchenpolizeilicher Fragen, oder gar einer Seuchenkonvention, mit den Handelsvertragsunterhandlungen keinem der beiden Teile nützen dürfte (E 1004 1/222).↩