Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. BILATERALE BEZIEHUNGEN
6. Deutsches Reich
6.4. Rheinschiffahrt
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 5, doc. 11
volume linkBern 1983
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E8170D#1000/1977#9* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 8170(D)1000/1977 1 | |
Titolo dossier | Korrespondenz mit der Gesandtschaft in Berlin 1903/1905 und Kopien betr. früheren Verhandlungen (1903–1905) | |
Riferimento archivio | 50-2 |
dodis.ch/42866 Der Vorsteher des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartementes, A. Deucher, an den schweizerischen Gesandten in Berlin, A. Roth1
Im Anschluss an unsere provisorische Mitteilung vom 17.1 dies betreffend die Angelegenheit der Kanal- und Rheinschiffahrt bringen wir Ihnen folgendes zur Kenntnis:
Um die vom Auswärtigen Amt gewünschte genauere Formulierung unserer Begehren vorzubereiten, wurde zunächst eine Vorbesprechung der Abteilungsvorstände der speziell beteiligten Departemente veranstaltet. Dieselbe fand am 25. Januar statt. Über den Verlauf und die gefassten Konklusionen orientiert das beiliegende Protokoll2.
Die beteiligten Departemente haben sich seither mit jenen Konklusionen einverstanden erklärt, so dass die Angelegenheit dem Bundesrate zur Beschlussfassung unterbreitet werden könnte. Vorher würden wir aber gerne auch Ihre geschätzte Ansichtäusserung entgegennehmen. Im Zusammenhang stellt sich die Sache dar wie folgt:
1. Schon im Jahre 3893 richtete die Stadt Hüningen eine Eingabe an das k. Ministerium für Elsass-Lothringen, um eine Verbesserung des Hüningerkanals zu verlangen.
2. Im Juli 1895 richtete die deutsche Regierung eine Note an den schweizerischen Bundesrat, in welcher die Zustimmung der Schweiz zur Errichtung eines Stauwehres unterhalb der Einmündung des Hüningerkanals in den Rhein zum Zwecke der Hebung des Wasserstandes im Kanal verlangt wurde. Basel erhob hiegegen Vorstellungen, wegen der mit der Stauung des Rheinwassers verbundenen Überschwemmungsgefahr für verschiedene Stadtteile.
3. An Stelle des genannten, deutscherseits verfolgten Projektes entstand dann in Basel das Projekt einer Verlängerung des zu verbessernden Hüningerkanals bis Basel und Anlage eines Hafens in dieser Stadt. Gemäss einer vorläufigen Punktation zwischen Delegierten von Basel-Stadt und Elsass-Lothringen wären hüben und drüben folgende Verpflichtungen übernommen worden:
a. von Elsass-Lothringen:
1. Vertiefung und Verbreiterung des Kanals bis Hüningen und Errichtung von drei Ausweichstellen. Voranschlang: 1,4 Millionen Mark.
2. Zustimmung zur Anlage eines Verbindungskanals auf deutschem Boden zwischen Basel und Hüningen und zum Betrieb dieses Verbindungskanals durch die Schweiz.
b. von Basel:
1. Anlage des Verbindungskanals und des Hafens auf eigene Kosten.
2. Sicherung einer jährlichen Verzinsung und Tilgung der von Elsass-Lothringen aufzubringenden Summen für die Kanalverbesserung, soweit die zu erhebenden Schiffahrtsabgaben dafür nicht ausreichen sollten.
4. Gegen dieses Projekt, zu welchem, wie aus Punkt 1 und 2 hervorgeht, die Veranlassung indirekt von deutscher Seite gegeben worden war, opponierte erstens die Stadt Hüningen, weil ihr dadurch der Hafen entgangen wäre, von dem sie sich einen wesentlichen Aufschwung ihres Gemeinwesens versprach, zweitens die Reichseisenbahn-Verwaltung wegen der Konkurrenz, die der verbesserte Kanal den elsässischen und badischen Bahnlinien zu machen drohte. Die k. Regierung lehnte schliesslich die Sanktion der provisorischen Vereinbarung zwischen Basel und Elsass-Lothringen, beziehungsweise den Abschluss eines Staatsvertrages zwischen der Schweiz und Deutschland auf genannter Grundlage ab.
5. Heute liegt die Sache in verschiedener Hinsicht günstiger. Für Basel fällt die Erstellung eines Verbindungskanals und eines Hafens weg. Das statt dessen zu erstellende Verbindungsgeleise zwischen dem Güterbahnhof St. Johann und dem in Hüningen anzulegenden Hafen wird von den Bundesbahnen besorgt werden. Die Leistungen Basels werden sich also voraussichtlich auf eine Verzinsungs- und Amortisations-Garantie für die von Elsass-Lothringen vorzunehmende Kanalverbesserung nebst einer freiwilligen Kapitalbeteiligung an der Hafenanlage in Hüningen beschränken.
Die Stadt Hüningen erhält den Hafen, den sie mit Hülfe von Subventionen selbst erstellen will. Sie wird also diesmal das Projekt nach Möglichkeit fördern und bei der Reichsregierung befürworten wollen.
Opponenten werden nur noch die badische und die elsässische Bahn sein, mit Bezug auf welche Herr von Koerner dem Chef unserer Handelsabteilung gegenüber in Frankfurt bemerkte, dass sie, wenn man diesmal auf das Projekt einträte, wahrscheinlich eine Einwirkung auf dem Kanaltarif verlangen würden. Beiläufig gesagt, würde eine solche Bedingung hier allseitig als unannehmbar erachtet.
6. Wenn Sie sich einverstanden erklären, würden wir nun dem Bundesrate beantragen, die schweizerischen Forderungen3 zuhanden des Auswärtigen Amtes zu formulieren wie folgt:Die k. Regierung gibt ihre ZustimmungI. Hinsichtlich des Hüningerkanals:
a. zu den von der Regierung von Elsass-Lothringen und der Stadt Hüningen auszuführenden Arbeiten, nämlich Verbreiterung und Vertiefung des Hüningerkanals in der Weise, dass derselbe mit der Kanalstrecke Mülhausen-Strassburg gleichwertig wird, Anlage von Ausweicheplätzen im Kanal und Hafenanlage in Gross-Hüningen, mit den erforderlichen Quais, Anlanderampen, Kranen, etc.;
b. zu einer Geleiseverbindung zwischen der Hafenanlage in Gross-Hüningen und der Güterstation St. Johann;
c. zur Besorgung des Betriebsdienstes auf diesem Verbindungsgeleise durch die schweizerischen Bundesbahnen.II. Hinsichtlich der Rheinschiffahrt:
zur Aufnahme der Schweiz in die revidierte Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober 1868.
7. Was das weitere Vorgehen anbelangt, so nehmen wir an, dass nach erfolgter Zustimmung der k. Regierung betreffend den Kanal ein besonderer Staatsvertrag zwischen der Schweiz und der k. deutschen Regierung abzuschliessen wäre, und zwar auf Grund einer zunächst zwischen der Regierung von Basel-Stadt und dem k. Ministerium von Elsass-Lothringen zu treffenden Verständigung, ähnlich derjenigen vom Jahre 1895. Wahrscheinlich werden die beiden letzteren Regierungen zu diesem Zwecke schon vorher wieder miteinander Fühlung suchen, und wir denken, dass dies nicht nur zulässig, sondern sogar sehr wünschenswert wäre.
Wir wollen nicht unterlassen, Ihnen hiemit auch eine Abschrift einer Vernehmlassung des Departements des Innern des Kantons Basel-Stadt, datiert 3. dies, zu übermitteln. Zu den bezüglichen Ausführungen bemerken wir folgendes:
1. Dass das Begehren betreffend die Rheinschiffahrt über denjenigen bezüglich des Hüningerkanals nicht zu vernachlässigen sei, betrachten wir als selbstverständlich, wenn auch in der Konferenz der Abteilungsvorstände, namentlich seitens der Herren Vertreter der Generaldirektion der Bundesbahnen, das Kanalprojekt als das praktisch zunächst ins Auge zu fassende bezeichnet wurde. In unserer Instruktion vom 7. Oktober haben wir diesbezüglich ausdrücklich bemerkt, dass die Gelegenheit der Handelsvertrags-Unterhandlungen zu benutzen sei, um beide Schiffahrtsangelegenheiten mit allem Ernst und Nachdruck zu betreiben.
2. Ob die Erteilung der gewünschten Zusicherungen der k. Regierung eine absolute Voraussetzung des Zustandekommens eines neuen Handelsvertrages bilden werde, kann zur Zeit nicht mit Sicherheit gesagt werden. Massgebend ist einstweilen die bereits genannte Instruktion, nach welcher die Angelegenheit nicht unmittelbar mit den Handelsvertragsunterhandlungen verbunden, sondern nur gleichzeitig und solange es zweckmässig erscheint in konditionellem Zusammenhang mit denselben behandelt werden soll.
3. Wie unsere Forderung betreffend die Rheinschiffahrt zu begründen ist und inwieweit insbesondere die Wienerkongressakte von 1815 dazu herbeigezogen werden soll, muss Ihrem Ermessen anheimgestellt werden. In unserer mehrgenannten Instruktion haben wir mit Bezug hierauf der Ansicht Ausdruck gegeben, dass es zur Stützung unserer Forderungen keiner Berufung auf den Wienerkongress und keiner langen völkerrechtlichen Erörterungen bedürfe, sondern dass deren Berücksichtigung vor allem als ein Gebot des freundnachbarlichen Verkehrs erscheine. In Ihrer Note vom 16. November an das Auswärtige Amt ist übrigens der völkerrechtlichen Seite der Angelegenheit bereits Erwähnung getan worden.
4. Einer Zusicherung der deutschen Regierung, die Aufnahme der Schweiz in die Rheinschiffahrtsakte bei den Niederlanden zu befürworten, wird es kaum bedürfen, wenn sie überhaupt der Sache günstig gestimmt ist. Dass unserseits eine nachträgliche Verständigung mit der niederländischen Regierung in Aussicht genommen sei und dass dieselbe unschwer zu erlangen sein dürfte, haben Sie in Ihrer Note an das Auswärtige Amt hervorgehoben.
Dass Deutschland zu einer Revision der Rheinschiffahrtsakte Hand bieten müsste, sofern eine solche durch den Eintritt der Schweiz in dieses Vertragsverhältnis wirklich geboten wäre, scheint uns eine logische Folge seiner allfälligen prinzipiellen Zustimmung zu unserer Aufnahme zu sein.
Auch die Ausdehnung der Erleichterungen, die Deutschland den Niederlanden gewährt, auf die Schweiz dürfte sich schon aus deren Aufnahme in die genannte Akte, soweit es nötig ist, von selbst ergeben. Abgesehen hievon wäre es wohl verfrüht, die Punkte 1-3 des Schreibens von Basel schon jetzt des nähern in unsere Vorverhandlungen mit der k. Regierung hineinzuziehen.
- 1
- Schreiben (Kopie): E VED, A + W,.↩
- 2
- E VED A + W 1909-19551511.↩
- 3
- Die Begehren an Deutschland wurden am 29. Januar 1904 dem Departement des Innern des Kantons Basel-Stadt mitgeteilt, welches dazu am 3. Februar sein Einverständnis gab. Am 25. März beschloss der Bundesrat, die genannten Forderungen an Deutschland zu stellen; diese wurden am 29. März mit einer Verbalnote des schweizerischen Gesandten in Berlin dem Auswärtigen Amt überreicht. Die Weiterverfolgung dieser Angelegenheit erlitt zunächst durch den Tod des schweizerischen Gesandten Arnold Roth vom 7. April 1904 und die anhaltende Stockung der schweizerischdeutschen Handelsvertragsunterhandlungen einen längeren Unterbruch. Am 19. August 1904 erklärte das Auswärtige Amt nach wiederholten Anfragen, noch keine formelle Antwort erteilen zu können.↩