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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 25, doc. 175
volume linkZürich/Locarno/Genève 2014
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| Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7001C#1984/200#11* | |
| Old classification | CH-BAR E 7001(C)1984/200 1 | |
| Dossier title | Besuch des tschechoslowakischen Vize-Aussenhandelsminister (1972–1972) | |
| File reference archive | 004.12 |
| Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7110#1983/13#983* | |
| Old classification | CH-BAR E 7110(-)1983/13 94 | |
| Dossier title | Handelsverträge (1972–1972) | |
| File reference archive | 821 • Additional component: Tschechoslowakei |
dodis.ch/35676Notiz des Delegierten des Bundesrats für Handelsverträge, R. Probst, an den Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, E. Brugger1
BESUCH DES TSCHECHOSLOWAKISCHEN VIZE-AUSSENHANDELSMINISTERS2
1. Sie haben sich freundlicherweise bereit erklärt, den tschechoslowakischen stellvertretenden Minister für Aussenhandel, Ing. Ivan Peter, am Montag 13. November, 16.00 Uhr, in den Räumlichkeiten der Schweizerischen Delegation in Genf, rue de Varembé 9–11 (EFTA-Gebäude) zu empfangen, da Sie an den nachfolgenden Tagen wegen der EFTA-Ministerkonferenz landesabwesend sein werden3. Peter selbst wird am Montag und Dienstag das GATT in Genf besuchen. Ich bin ebenfalls dort (Jahrestagung der «Contracting Parties» des GATT4) und werde mich (im Anschluss an ein von der Schweizerischen Delegation für GATT-Delegierte anderer Staaten offeriertes Mittagessen) direkt an die rue de Varembé begeben, wo ich Sie, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, kurz vor 16.00 Uhr erwarten darf.
Vizeminister Peter wird von drei Personen begleitet sein: – dem tschechoslowakischen Botschafter in Bern, Herrn Milan Lajčiak; – dem Generaldirektor des Aussenhandelsministeriums, Dr. Alfred Killian (mit dem ich unser neues Wirtschaftsabkommen verhandelt und abgeschlossen habe5); – dem tschechoslowakischen Handelsrat in Bern, Miroslav Maruška. Schweizerischerseits wird uns Herr Jérôme Lugon von unserer Delegation in
Genf (Beamter der Handelsabteilung) assistieren.
2. Anlass des Schweizerbesuchs von Vizeminister Peter sind die vom 15. bis 17. November in Zürich stattfindenden Tschechoslowakischen Wirtschaftstage. Sie werden organisiert von der Tschechoslowakischen Handelskammer in Prag in Zusammenarbeit mit OSEC, Vorort, sowie der neugegründeten Handelskammer Schweiz-Tschechoslowakei (Präsident: Dir. Niederhauser, Ciba/Geigy) und stehen im Dienste der Intensivierung der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen. Am 15. November ist Peter ausserdem Gast der Handelsabteilung in Bern (Besprechung bei mir, Déjeuner, Besichtigung der Chronometerfabrik Heuer-Leonidas in Biel, tags darauf Besuch der Käserei Madiswil, Besuch von Ciba/Geigy etc.). Programm, soweit von uns organsiert, liegt bei6.
3. Persönlich ist Ing. Peter ein noch jüngerer, recht sympathischer und kompetenter Mann. Als Slowake erscheint er ohnehin aufgeschlossener und fröhlicher veranlagt als die eher schwerblütigen, zur Resignation neigenden Tschechen. Ausserdem hat ihn sein mehrjähriger Aufenthalt in Washington als Leiter des Wirtschaftsdienstes der tschechoslowakischen Botschaft offensichtlich beeinflusst und westlicher Lebensart zugänglich gemacht, was sich nicht nur in seinem stark amerikanisch gefärbten Englisch (seiner einzigen Fremdsprache), sondern auch in seinem sonstigen Auftreten zeigt.
Anlässlich der Wirtschaftsverhandlungen von 19717 erwies sich Peter als wohlgesinnt und hilfsbereit. Ein persönlicher Appell an ihn erlaubte es in der entscheidenden Verhandlungsphase, einen ernstlichen «deadlock» zu unseren Gunsten zu überwinden und hierauf zum Abschluss zu gelangen.
Sehr sachkundig, der eigentliche Fachmann der älteren Generation im Ministerium, ist Generaldirektor Killian. Spricht ausgezeichnet deutsch, ist aber in der Lage, auch dem englischen Gespräch zu folgen.
4. In wirtschaftlicher Hinsicht stellt die Tschechoslowakei insofern einen Sonderfall dar, als unsere Handelsbilanz mit ihr, über längere Zeiträume hinweg, einigermassen ausgeglichen ist (gegenüber den andern Oststaaten sind wir in der Regel stark aktiv). Im Jahre 1971 stand schweizerischen Ausfuhren von 170 Mio. Fr. ein Einfuhrbetrag aus der Tschechoslowakei von 167 Mio. Fr. gegenüber8. Darin kommt zum Ausdruck, dass das Land, im Vergleich zu andern Oststaaten, einen recht hohen Grad der Industrialisierung erreicht hat und somit über ein diversifizierteres Warenangebot verfügt. Entsprechend kommen auf der Ausfuhrseite auch unsere Konsumgüter verhältnismässig besser als bei den Exporten nach weniger fortgeschrittenen Oststaaten zum Zuge.
5. Die Tschechoslowakei war der erste Oststaat, mit dem ein Wirtschaftsabkommen gemäss unserer modernen Konzeption9 (Abschaffung des Clearing; Beachtung der Exportstruktur, d. h. Berücksichtigung der Konsumgüter; Preisdisziplin, d. h. kein Dumping; Kooperationsklausel etc.) geschlossen werden konnte. Ausserdem sind Verhandlungen über einen Vertrag zum Schutze von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und andern geographischen Bezeichnungen schon gut fortgeschritten10. Die Erfahrungen mit dem seit Juli 1971 in Kraft stehenden neuen Wirtschaftsabkommen sind übrigens durchaus befriedigend11. Auf dem Gebiet der industriellen Zusammenarbeit sind Fortschritte zu verzeichnen. Im Handelssektor zeigt die schweizerische Statistik, bei gleichbleibenden schweizerischen Exporten, einen merklichen Anstieg der tschechoslowakischen Lieferungen, während die tschechoslowakische Statistik, die auch die Transitgeschäfte berücksichtigt, immer noch ein Aktivum zugunsten der Schweiz aufweist. Eine weitere Intensivierung des Wirtschaftsverkehrs darf erwartet werden. Auch in Prag wird unser Abkommen positiv bewertet. In einem Meinungsaustausch mit den ausländischen Handelsattachés zu Beginn dieses Jahres hob Aussenhandelsminister Barčak in seiner einleitenden Ansprache die Zusammenarbeit mit der Schweiz im Rahmen des neuen Wirtschaftsabkommens als «gutes, nachahmenswertes Beispiel» ausdrücklich hervor12. Ähnlich äusserte sich unlängst auch Dr. Killian in einem Zeitungsartikel.
6. In den letzten Monaten ist allerdings auch die Sorge laut geworden, dass die günstige Entwicklung des Handelsaustausches durch unser Abkommen mit der EWG13 und die Schaffung eines «grossen» westeuropäischen Freihandelsraumes beeinträchtigt werden könnte. Gedanken dieser Art waren auch im September zu hören, als ich auf Einladung Peters die Internationale Maschinenmesse in Brünn besuchte. Ich benützte deshalb den Anlass, in meiner Ansprache am Schweizertag der Messe solchen Vorstellungen entgegenzutreten. Es ist durchaus denkbar, dass Peter auch bei Ihnen auf das Thema zurückkommt. Der Text14 meiner Ansprache (materielle Teile angestrichen) ist deshalb für alle Fälle beigelegt.
- 3
- Vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 174, dodis.ch/34571, bes. Anm. 8.↩
- 4
- Vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 174, dodis.ch/34571, bes. Anm. 17.↩
- 5
- Vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 157, dodis.ch/34496, Anm. 17.↩
- 6
- Doss. wie Anm. 1. Vgl. auch das Schreiben von R. Probst an W. Bossi vom 24. November 1972, CH-BAR#E7110#1983/13#983* (821).↩
- 7
- Vgl. dazu Anm. 5.↩
- 8
- Vgl. dazu auch DDS, Bd. 25, Dok. 19, dodis.ch/35677.↩
- 9
- Zur neuen Konzeption der Osthandelspolitik des Bundesrats vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 58, dodis.ch/35754. Vgl. dazu auch DDS, Bd. 25, Dok. 176, dodis.ch/35755.↩
- 10
- Vgl. dazu das BR- Prot. Nr. 1685 vom 18. September 1972, CH-BAR#E1004.1#1000/9#786*.↩
- 11
- Vgl. dazu das Protokoll von R. Probst und A. Killián vom 12. Mai 1972, dodis.ch/36422.↩
- 12
- Vgl. dazu das Schreiben von W. Bossi an P. R. Jolles vom 26. Januar 1972, dodis.ch/36421.↩
- 13
- Zum Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 182, dodis.ch/35776, bes. Anm. 3.↩
- 14
- Referat von R. Probst vom 13. September 1972, Doss. wie Anm. 1. Vgl. auch das Rundschreiben von R. Probst an diverse schweizerische diplomatische Vertretungen vom 20. September 1972, dodis.ch/35844.↩
Tags
East-West-Trade (1945–1990) European Union (EEC–EC–EU) Czechoslovakia (General)


