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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 25, doc. 143
volume linkZürich/Locarno/Genève 2014
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| Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E-01#1987/78#5493* | |
| Old classification | CH-BAR E 2001(E)-01/1987/78 807 | |
| Dossier title | Informationszentrum für jugoslawische Gastarbeiter (1971–1975) | |
| File reference archive | B.25.61.2 • Additional component: Jugoslawien |
| Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.48#1988/169#13* | |
| Old classification | CH-BAR E 2200.48(-)1988/169 4 | |
| Dossier title | Visites officielles échangées Suisse/Youg. (1969–1972) | |
| File reference archive | 331.1 • Additional component: Jugoslawien |
dodis.ch/35158Notiz der schweizerischen Botschaft in Belgrad1
JUGOSLAWISCHE ARBEITSKRÄFTE IN DER SCHWEIZ
1. Allgemeines
In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der in der Schweiz lebenden Jugoslawen mehr als verzehnfacht2. Ende 1962 befanden sich insgesamt rund 2800 jugoslawische Staatsangehörige in unserem Lande, wovon etwa 2000 erwerbstätig waren. Acht Jahre später, also Ende 1970, hielten sich ohne Saisonarbeiter bereits 23’000 Jugoslawen in der Schweiz auf, der grösste Teil davon als Gastarbeiter. Schätzungsweise dürften Mitte 1972, also in der Hauptsaison, einschliesslich der Saisonarbeiter, sich insgesamt 35’000 bis 40’000 jugoslawische Staatsangehörige in unserem Lande aufhalten, wovon zwei Drittel oder mehr als Erwerbstätige.
Von Januar bis Mitte Juni 1972 haben die Botschaft in Belgrad und das Generalkonsulat in Zagreb total 14’476 Visa erteilt, weitaus der grösste Teil für Arbeiter aus dem Baugewerbe (9412).
2. Rekrutierung der Arbeitskräfte
Die Abfertigung der vielen Visagesuche sowie die Visaerteilung selber konnte jeweils während den Stosszeiten (Frühjahr/Frühsommer) nur dank ausserordentlichem Einsatz des Personals der Visadienste in Belgrad und Zagreb bewältigt werden. Die individuelle Rekrutierung zahlreicher Arbeitskräfte, namentlich für das Baugewerbe, führte dieses Jahr zu einem Massenandrang vor dem Botschaftsgebäude, der sowohl von der Nachbarschaft als auch von den Stadtbehörden beanstandet und als öffentliches Ärgernis bezeichnet wurde3. An sich wäre es Aufgabe der jugoslawischen Arbeitsämter, auf Grund von Abmachungen mit den schweizerischen Berufsverbänden die Arbeitskräfte zu rekrutieren, zumindest in jenen Fällen, wo hunderte oder sogar tausende von Arbeitern für die gleiche Branche (z. B. Bauarbeiter, Landarbeiter usw.) benötigt werden. Um sich die Gebühren der jugoslawischen Arbeitsämter von ca. Fr. 250 pro Person zu ersparen, sind insbesondere schweizerische Bauunternehmen dazu übergegangen, «privatim», d. h. ohne Einschaltung der jugoslawischen Amtsstellen, zu rekrutieren. Diese Praxis führte eben zum oben erwähnten Massenandrang von Arbeitern, die sich zur Visumseintra gung und Auskunfterteilung persönlich auf der Botschaft einfanden. Wir müssen in Zukunft bei Massenrekrutierungen von Leuten, die zum ersten Mal nach der Schweiz fahren, trotz erheblicher Widerstände seitens schweizerischer Berufsverbände unbedingt wieder die Vermittlung der hiesigen Arbeitsämter in Anspruch nehmen oder sonst eine Lösung suchen, durch die der Volksauflauf vor der Botschaft vermieden werden kann4.
3. Sozialversicherung
Am 8. Juni 1962 ist zwischen der Schweiz und Jugoslawien ein Abkommen über Sozialversicherung5 abgeschlossen worden. Gewisse Mängel, die seither festgestellt wurden, sollten behoben werden. Die Jugoslawen regten deshalb schon vor zwei Jahren an, die Sache mit den zuständigen schweizerischen Stellen zu erörtern. Schweizerischerseits hatte man diesen Vorschlag positiv aufgenommen6. Es wurde vereinbart, dass uns die Jugoslawen noch Präzisierungen über die zu diskutierenden Punkte unterbreiten. In der Folge geschah dann nichts mehr, weshalb die in Aussicht genommenen Gespräche mit dem damaligen Leiter7 des Bundesrates für Arbeit (Arbeitsministerium) nicht zustande gekommen sind. Der neue Minister (Vuko Dragasevic) dieser inzwischen in «Bundessekretariat für Arbeit und Sozialpolitik» umbenannten Regierungsstelle hält es, wie er der Botschaft gegenüber unlängst erklärte8, für zweckmässig, die offenen Fragen zunächst einmal unter Fachleuten beider Länder zu besprechen. Es ist daher wohl möglich, dass die Jugoslawen bei der bevorstehenden Konsultation mit der von Herrn Botschafter Thalmann geleiteten Delegation das Thema der jugoslawischen Gastarbeiter in der Schweiz ganz allgemein zur Sprache bringen werden9. Dies umsomehr, als vor einigen Wochen eine jugoslawische Delegation bestehend aus Abgeordneten der Nationalversammlungen verschiedener Teilrepubliken die Schweiz besuchte10, um dort mit Kantons- und Bundesbehörden (u. a. mit dem BIGA) sowie mit der jugoslawischen Kolonie Fühlung zu nehmen und die sich stellenden Probleme zu studieren.
- 1
- Notiz (Kopie): CH-BAR#E2001E-01#1987/78#5493* (B.25.61.2). Die Notiz wurde mit gros ser Wahrscheinlichkeit von H. Keller anlässlich des Besuchs von E. Thalmann in Belgrad verfasst. Vgl. Anm. 9.↩
- 2
- Vgl. dazu DDS, Bd. 22, Dok. 109, dodis.ch/30012.↩
- 3
- Vgl. dazu das Schreiben von H. Keller an E. Mäder vom 10. März 1972, dodis.ch/35159 und das Schreiben von H. Keller an E. Thalmann vom 9. Mai 1972, dodis.ch/35160.↩
- 4
- Zur weiteren Entwicklung dieser Angelegenheit vgl. die Aufzeichnung von T. Voegeli vom 20. Oktober 1972, dodis.ch/35162 und das Schreiben von H. Keller an E. Thalmann vom 12. De zember 1972, dodis.ch/35163.↩
- 5
- Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Sozialversicherung (mit Schlussprotokoll) vom 8. Juni 1962, AS, 1964, S. 161–174.↩
- 6
- Vgl. dazu das Schreiben von E. Brugger an H. Keller vom 19. Mai 1970, dodis.ch/35163.↩
- 7
- A. Polajner.↩
- 8
- Vgl. dazu das Schreiben von H. Keller an E. Thalmann vom 8. Juni 1972, CH-BAR#E2001E-01#1982/58#7371* (B.15.21.1).↩
- 9
- Vgl. die Notiz von K. Fritschi vom Juli 1972, dodis.ch/35168. Zur Reise E. Thalmanns vgl. DDS, Bd. 25, Dok. 157, dodis.ch/34496.↩
- 10
- Vgl. dazu die Notiz von G. Pedotti vom 28. April 1972, dodis.ch/35165 und das Schreiben von H. Keller an A. Grübel vom 15. Mai 1972, dodis.ch/35167.↩
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