dodis.ch/34372

Notiz des Generalsekretärs des Politischen Departements, E. Thalmann, an den Bundespräsidenten, N. Celio1

Der Departementschef3 hat mich gebeten, Sie im Hinblick auf seine Abwesenheit während der nächsten Woche kurz über unsere Pläne betreffend Anerkennung der DDR4 persönlich zu unterrichten. Da ich Sie nicht erreichen konnte, erlaube ich mir, es auf diesem Wege zu tun.

Bekanntlich haben Schweden und Österreich bereits verkündet, dass sie die DDR mit Wirkung ab 21. Dezember (Datum der Unterzeichnung des Grundvertrages5) anerkennen bzw. diplomatische Beziehungen mit ihr aufnehmen werden6. Dieses Vorgehen fällt für uns ausser Betracht, da wir ja bereits die Vereinbarung vom 12. Juli betreffend Austausch von Handelsmissionen mit der DDR7 abgeschlossen haben. Nach einer Klausel dieser Vereinbarung waren beide Seiten einverstanden damit, nach einem halben Jahr, d. h. im Monat Januar 1973, die Situation im Lichte der Entwicklung zu überprüfen. Wir beabsichtigen daher, dem Bundesrat zu beantragen, in seiner Sitzung vom 20. Dezember zu beschliessen, mit der DDR diplomatische Beziehungen auf zunehmen8 und über die damit verbundenen praktischen Fragen im Verlaufe des Monats Januar Verhandlungen aufzunehmen. Ein Aufschub dieses Beschlusses etwa auf den 10. Januar erscheint nicht zweckmässig, nachdem nun auch die NATO ihren Mitgliedern ab 21. Dezember Handlungsfreiheit einräumt und Länder wie Belgien zweifellos raschmöglichst von dieser Freiheit Gebrauch zu machen wünschen9. Die Schweiz sollte in der Tat eher im Felde der Neutralen als in demjenigen der NATO-Länder figurieren.

Anschliessend an die Bundesratssitzung vom 20. Dezember würde das beiliegende Communiqué10 veröffentlicht, das die Anerkennung impliziert.

Mit diesem Vorgehen glauben wir, den der DDR gegenüber mit der Vereinbarung vom 12. Juli erzielten Vorsprung halten zu können, ohne allzu sehr ins Rampenlicht zu geraten.

Die aussenpolitischen Kommissionen beider Räte würden am 19. Dezember nachmittags orientiert11.

Der Öffentlichkeit12 gegenüber können zurzeit keinerlei Angaben über dieses Prozedere gemacht werden. Wir beschränken uns darauf zu sagen, dass keine Notwendigkeit besteht, dass alle Neutralen an einem bestimmten Datum Stellung nehmen und dass es, was die Schweiz betrifft, am Gesamtbundesrat ist, einen Entscheid zu fällen. Gleichzeitig weisen wir darauf hin, dass die meisten Fragen, die von Österreich und Schweden jetzt noch geregelt worden sind, für die Schweiz bereits im Rahmen der Vereinbarung vom 12. Juli die derzeit mögliche Lösung gefunden haben.

Ich benütze die Gelegenheit, um Ihnen im Zusammenhang mit der Affäre Mujibur Rahman13 einen Zeitungsausschnitt vom 7. 12. 72 sowie den Text unserer Sprachregelung14 zur Kenntnis zu bringen.