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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 24, doc. 143
volume linkZürich/Locarno/Genève 2012
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1980/83#1417* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1980/83 365 | |
Dossier title | Jonas Franz, österreichischer Bundespräsident, Wien. Empfang in der Schweiz (1969–1969) | |
File reference archive | B.15.51.13 • Additional component: Oesterreich |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1010B#1986/151#429* | |
Dossier title | Staatsbesuch des Staatspräsidenten Frans Jonas von Oesterreich (1969–1969) | |
File reference archive | 217.73 |
dodis.ch/33201
Interne Notiz des Politischen Departements1
Die schweizerisch-österreichischen politischen Beziehungen
1) Grundsätzlich ist festzuhalten, dass unsere Beziehungen zu Österreich herzlich und freundschaftlich sind2 und von keinerlei schwerwiegenden Pro blemen belastet werden. Allfällig auftretende Fragen oder Differenzen lassen sich im allgemeinen durch Besprechungen oder Verhandlungen lösen, ohne dass sich eigentliche diplomatische Interventionen aufdrängen würden. Seit der Unabhängigkeit Österreichs fanden zahlreiche Besuche von österreichischen und schweizerischen Staatsmännern3 statt.
2) Zwischen dem Politischen Departement und dem österreichischen Aus senministerium findet ein regelmässiger Gedankenaustausch auf der Ebene der Chefs der politischen Abteilungen4 statt. Wien ist uns vor allem Quelle für interne Informationen aus der UN5 sowie für den südost- und osteuropäischen Raum.
3) Wien legt Gewicht darauf, dass die österreichische Neutralität nicht im Staatsvertrag6 von den Besatzungsmächten postuliert worden sei, sondern auf freiem österreichischem Entschluss beruhe; dies wohl nicht zuletzt als Alibi dafür, dass sich Wien in der Handhabung seiner Neutralitätspolitik gelegentlich – nach schweizerischen Massstäben – etwas frei bzw. sorglos zeigt.
4) Wien sucht bekanntlich einen Zugang zur EWG7, da nach seiner Auffassung seine Ausfuhren im EWG-Raum in wirtschaftlich untragbarer Weise diskriminiert werden. Die entsprechenden Vorstösse Wiens sind nicht immer mit den Bestrebungen der Schweiz innerhalb der EFTA8 konzertiert und werden im Grunde genommen – nach schweizerischer Ansicht – gegen besseres Wissen unternommen (der sowjetische Widerstand gegen irgendwelche Form einer österreichischen Annäherung an die EWG ist offensichtlich, und auch Frankreich verfolgte bisher gegenüber den Vorstössen Wiens nur eine höfliche Hinhaltetaktik).
5) Österreich ist am Ausbau des Hochrheins zur Schiffbarmachung9 interessiert; mit dem Aufkommen der Atomkraftwerke fällt indessen die für die Schiffbarmachung bisher finanziell gewichtige Mitwirkung der Elektrizitätsunternehmungen durch den Bau von Flusskraftwerken dahin, so dass in schweizerischer Sicht ein Ausbau des Hochrheins vorläufig aus finanziellen Erwägungen zurückgestellt werden muss.
6) An einer von Österreich und der Bundesrepublik gewünschten Neuregelung der Seepolizei-Hoheit auf dem Bodensee10 hat die Schweiz solange kein Interesse, als mit ihr ein Einbruch in die bisher von der Schweiz hochgehaltene Realteilung des Bodensees verknüpft ist.
7) Wien ist offensichtlich bestrebt, unter Ausnützung des von gewissen Genfer Kreisen geschaffenen Malaises in UN-Kreisen, einzelne UN-Spezialagenturen nach Wien zu ziehen. Schweizerischerseits wurde in Wien klargemacht, dass wir diese Konkurrenzierung Genfs11 nicht ohne weiteres hinzunehmen gewillt sind; seither legt sich Wien einige Zurückhaltung auf.
8) Vorübergehend vermutete Italien, aus Österreich geflüchtete Südtirol-Terroristen12 könnten sich auf schweizerisches Gebiet geflüchtet haben; eingehende Abklärungen ergaben die Haltlosigkeit dieser Vermutung. (Es bleibt dahingestellt, wie weit Italien den Vorwurf, angesichts der regelmässigen Kontakte Bern - Wien, lediglich aus taktischen Gründen erhob).
9) Der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass sich seit einiger Zeit eine militärische Zusammenarbeit13 zwischen der Schweiz und Österreich angebahnt hat (Besuche hoher Offiziere, Erfahrungsaustausch).
- 1
- Notiz: E2001E#1980/83#1417* (B.15.51.13).↩
- 2
- Vgl. dazu das Schreiben von W. Spühler an K. Waldheim vom 13. November 1969, dodis.ch/33378 und das Schreiben von K. Waldheim an W. Spühler vom 26. November 1969, dodis.ch/33380.↩
- 3
- Vgl. dazu DDS, Bd. 22, Dok. 46, dodis.ch/30181; DDS, Bd. 23, Dok. 63, dodis.ch/31092; Dok. 108, dodis.ch/31397, Anm. 6 und Dok. 148, dodis.ch/31105; DDS, Bd. 24, Dok. 21, dodis.ch/33202; das Protokoll von H. Kaufmann vom 26. April 1968, dodis.ch/3385; die Notiz von C. Sommaruga vom 9. Mai 1969, dodis.ch/33388; das Protokoll von H. Kaufmann vom 22. Mai 1969, dodis.ch/33389; das Schreiben von W. Spühler an den Regierungsrat des Kantons Bern vom 23. Mai 1969, dodis.ch/33390 und das Protokoll von F. Blankart und H. Zimmermann vom 27. Oktober 1969, dodis.ch/33813.↩
- 4
- Zu den Chefbeamtenbesprechungen vgl. das Protokoll von H. Kaufmann vom 18. November 1968, dodis.ch/33391; für die technische Zusammenarbeit vgl. das Protokoll von R. Högger vom 8. Januar 1969, dodis.ch/33372 und für die europäische Integration vgl. die Notiz von P. R. Jolles vom 21. Juni 1967, dodis.ch/33846 und die Notiz über die Beamtenbesprechung Schweiz/ Österreich über Integrationsfragen 27./28. Juni 1968 in Bern vom 2. Juli 1968, dodis.ch/33815.↩
- 5
- Vgl. dazu das Schreiben von B. Turrettini an R. Bindschedler vom 13. März 1967, E 2210.5(-) 1981/113 Bd. 28 (7-i).↩
- 6
- Zum österreichischen Staatsvertrag vgl. DDS, Bd. 20, Dok. 7, dodis.ch/10072, und Dok. 10, dodis.ch/10061. Zur österreichischen Neutralität vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 21, dodis.ch/33202, Anm. 4.↩
- 7
- Zum österreichischen Versuch einer EWG-Assoziation vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 148, dodis.ch/31105, Anm. 13; die Notizen von H. Schaffner an die Mitglieder des Bundesrats vom 12. Januar 1967, dodis.ch/33375 und vom 12. Februar 1968, dodis.ch/33374.↩
- 8
- Zur EFTA vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 117, dodis.ch/33014.↩
- 9
- Vgl. dazu die Notiz von E. Diez an A. Janner vom 6. April 1967, dodis.ch/33363.↩
- 10
- Vgl. dazu die Notiz von E. Diez vom 27. Juni 1968, dodis.ch/33916.↩
- 11
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 148, dodis.ch/31105, Anm. 16; das Schreiben von R. Pestalozzi an J. Humbert vom 28. Mai 1968, dodis.ch/32915; das Schreiben von B. Turrettini an E. Thalmann vom 25. Oktober 1968, dodis.ch/32913; das Schreiben von B. Turrettini an E. Thalmann vom 1. November 1968, dodis.ch/32914 und das Schreiben von B. Turrettini an W. Spühler vom 18. Januar 1969, dodis.ch/33393.↩
- 12
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 20, dodis.ch/31057; die Notiz von P. Micheli an W. Spühler vom 18. September 1967, dodis.ch/32671 und die Notiz von M. Gelzer vom November 1967, dodis.ch/32674.↩
- 13
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 76, dodis.ch/33200.↩