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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 24, doc. 73
volume linkZürich/Locarno/Genève 2012
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1980/83#2147* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1980/83 428 | |
Dossier title | Sozialversicherungsabkommen mit der Schweiz (1968–1970) | |
File reference archive | B.31.31.0.1 • Additional component: Spanien |
dodis.ch/32304
Interne Notiz des Politischen Departements1
Verhandlungen über die Revision des schweizerisch-spanischen Sozialversicherungsabkommens aus dem Jahre 1959 in Madrid
In der Zeit vom 7. bis 14. März 1968 fanden in Madrid Verhandlungen zwischen einer schweizerischen und einer spanischen Delegation über die Revision des schweizerisch-spanischen Sozialversicherungsabkommens2 statt. Schweizerischerseits waren die Herren Vizedirektor Dr. Motta, Dr. Hans Naef, Dr. Jean-Daniel Baechtold, Herr Charles Villars vom Bundesamt für Sozialversicherung und der Unterzeichnete anwesend; über die Zusammensetzung der spanischen Delegation orientiert beiliegende Teilnehmerliste3.
Die Verhandlungen fanden in einer sehr freundschaftlichen und offenen Atmosphäre statt. Gelegentlich hatte man aber den Eindruck, dass sich die Mitglieder der spanischen Delegation für die Verhandlungen nicht gründlich vorbereitet hatten. Auch wurden sie immer wieder durch die ordentlichen Geschäfte absorbiert, was sich auf die Verhandlungen zum Teil verzögernd auswirkte. Manchmal wurden sie sich auch der Konsequenzen dieser oder jener Lösung für die spanische Seite nicht recht bewusst.
Die Verhandlungen haben zu einem gegenüber dem ersten spanischen Entwurf wesentlich anderen Text geführt, der sich teilweise an das Abkommen mit Italien4, teilweise an jenes mit Luxemburg5 anlehnt. Die Lösungen sind, was die Schweiz anbetrifft, äusserst günstig. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass die Spanier auf den einen oder andern Punkt noch zurückkommen könnten.
Die zweite Verhandlungsphase6 ist für den Monat September in Bern vor gesehen. Vorher sollen innert drei Monaten die Delegationschefs7 ihre allfälligen Bemerkungen8 zum jetzigen Abkommensentwurf bekanntgeben. Die spanische Seite hätte es sogar gern gesehen, wenn nach diesen drei Monaten, d. h. noch vor dem neuen Zusammentreffen in Bern, das Abkommen9 unterzeichnet werden könnte, um die zweite Verhandlungsphase in Bern in erster Linie der Ausarbeitung einer Verwaltungsvereinbarung zu widmen. Das Schlussprotokoll, das jeweils integrierender Bestandteil des Abkommens ist, konnte nicht mehr im Entwurf festgelegt werden; dagegen wurden die darin zu behandelnden Punkte am letzten Sitzungstag noch kurz besprochen.
Über einzelne Punkte sei folgendes kurz festgehalten:
1. Gegenüber dem jetzigen Abkommen aus dem Jahre 1959 werden auch die Versicherung gegen die Folgen von Invalidität, Familienzulagen sowie die Freizügigkeit in der Krankenversicherung vorgesehen.
2. Auf dem Gebiet der AHV wird die jetzige Minimalfrist für die Erwerbung einer ordentlichen Rente von fünf auf ein Jahr herabgesetzt. Gleich wie beim Italienerabkommen kann aber eine ordentliche Teilrente, die nicht mehr als 15% der ordentlichen Vollrente ausmacht, unter bestimmten Voraussetzungen ausgekauft werden.
3. Auf dem Gebiet der Invalidenversicherung wurde eine gegenüber den bisherigen revidierten Abkommen neuartige Lösung getroffen. Diese besteht darin, dass die Invalidenversicherung sozusagen als reine Risikoversicherung geführt wird: Ein Spanier hat nur dann Anspruch auf Leistungen der schweizerischen Invalidenversicherung, wenn er in der Schweiz ist und invalid wird. Wird er in Spanien invalid, hat die spanische Sozialversicherung die Leistungen zu übernehmen. Dagegen kann eine in der Schweiz bereits zugesprochene Rente ins Ausland mitgenommen werden.
Diese Lösung für die IV war notwendig, weil nach der spanischen Sozialversicherungsgesetzgebung eine Rente für Invalidität grundsätzlich nur dann ausbezahlt wird, wenn einer vollständig invalid ist und das 45. Altersjahr erreicht hat, sofern er die sehr langen Beitragszeiten nachweisen kann, währenddem in der schweizerischen IV grundsätzlich schon bei einer 50%igen Invalidität nach einem Beitragsjahr eine Rente zugesprochen werden kann. Die getroffene Lösung ist eindeutig im schweizerischen Interesse, u. a. auch deshalb, weil die meisten spanischen Gastarbeiter innerhalb von 5 Jahren definitiv in die Heimat zurückkehren. Sie hat auch zur Folge, dass die schweizerischen Versicherungsorgane keine Invalidenfälle im Ausland abzuklären haben, was zu einer wesentlichen administrativen Vereinfachung führt.
4. In bezug auf die Unfallversicherung wurde die gleiche Regelung getroffen wie mit Luxemburg und Italien.
5. Ebenso ist vorgesehen, gegenseitig die Familienzulagen zu gewähren.
6. Bei den Unterstellungsbestimmungen ist in bezug auf die Angehörigen des diplomatischen und konsularischen Korps bzw. das auf dem Platz angestellte Personal die gleiche Regelung vorgesehen wie in früheren revidierten Sozialversicherungsabkommen. So sind die Angehörigen des diplomatischen und konsularischen Korps der heimatlichen Sozialversicherung unterstellt, währenddem die auf dem Platz Angestellten grundsätzlich der Gesetzgebung des Gastlandes unterstehen, aber die Möglichkeit haben, sich innert drei Monaten ebenfalls der Sozialversicherungsgesetzgebung ihres Heimatstaates anzuschliessen.
Das Schlussprotokoll wurde, wie schon erwähnt, nicht mehr zu Entwurf gebracht. Es ist aber vorgesehen, darin wie schon im ersten Abkommen die freiwillige AHV für Auslandschweizer aus dem Abkommen auszunehmen. Umgekehrt aber können die Schweizer, die nach der Schweiz zurückkehren, die spanische Sozialversicherung freiwillig fortführen. Auch können wie bisher die schweizerischen Lehrer an schweizerischen Schulen in Spanien von der spanischen Sozialversicherung ausgenommen werden, da sie der schweizerischen EVK unterstellt sind. Ebenso wird die Freizügigkeit in der Krankenversicherung unter bestimmten Bedingungen vorgesehen. Die Spanier haben ebenfalls wie Italien10 die Frage aufgeworfen, ob die in Spanien wohnenden Familienangehörigen von in der Schweiz arbeitenden spanischen Gastarbeitern in die Krankenversicherung einbezogen werden können. Wir haben auf die Schwierigkeiten, die wir deswegen mit Italien haben, hingewiesen, worauf die Spanier nicht weiter insistierten.
Abschliessend ist noch festzuhalten, dass die spanische Haltung zur Emigration ihrer Angehörigen eine grundsätzlich andere zu sein scheint, als jene der italienischen Behörden. Spanien hat kein unbedingtes Interesse daran, dass seine Landsleute im Ausland bleiben. Es ist an einer Repatriierung interessiert, mit dem Hinweis darauf, dass es die Arbeitskräfte selber nötig habe. Nach offizieller Darstellung soll es in Spanien keine Arbeitslosen geben. Die meisten Spanier sollen denn auch in den ersten fünf Jahren definitiv nach Spanien zurückkehren.
- 1
- Notiz (Kopie): E2001E#1980/83#2147* (B.31.31.0.1). Verfasst und unterzeichnet von M. Leippert. Kopie an die schweizerische Botschaft in Madrid und den politischen Dienst West des Politischen Departements.↩
- 2
- Abkommen zwischen der Schweiz und Spanien über soziale Sicherheit (mit Schluss protokoll und Briefwechsel) vom 21. September 1959, AS, 1960, S. 795–804.↩
- 3
- Vgl. Doss. wie Anm. 1.↩
- 4
- Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über Soziale Sicherheit (mit Schlussprotokoll) vom 14. Dezember 1962, AS, 1964, S. 727–742. Vgl. dazu DDS, Bd. 22, Dok. 103, dodis.ch/18769; Dok. 169, dodis.ch/18960 und Dok. 180, dodis.ch/18770.↩
- 5
- Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Grossherzogtum Luxemburg über Soziale Sicherheit (mit Schlussprotokoll) vom 3. Juni 1967, AS, 1969, S. 411–425. Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 171, dodis.ch/31661; das Schreiben des Zentralverbands schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen an das Bundesamt für Sozialversicherung des Departements des Innern vom 27. April 1967, dodis.ch/32322 und das Referat von C. Motta vom 15. November 1968, dodis.ch/32323.↩
- 6
- Zur zweiten Verhandlungsphase vom 8.–9. Januar 1969 vgl. die Notiz von M. Leippert vom 17. Januar 1969, Doss. wie Anm. 1.↩
- 7
- C. Motta und A. Garcia Lahiguera.↩
- 8
- Vgl. das Schreiben von C. Motta an F. Abella Martin vom 10. Dezember 1968, dodis.ch/32305.↩
- 9
- Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Spanien über Soziale Sicherheit (mit Schlussprotokoll) vom 13. Oktober 1969, AS, 1970, S. 953–968.↩
- 10
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 56, dodis.ch/32300.↩
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