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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 130
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2807#1974/12#477* | |
Old classification | CH-BAR E 2807(-)1974/12 51 | |
Dossier title | Rhodesien (1965–1969) | |
File reference archive | 09 |
dodis.ch/31089
Notiz für den Vorsteher des Politischen Departements, W. Spühler1
Kommissionen für auswärtige Angelegenheiten: Rhodesien
Herr Andres hat Ihnen, in Ergänzung seines Textes2 über aktuelle Probleme der internationalen Politik, eine besondere Notiz meinerseits über die letzten Entwicklungen des Rhodesienproblems aus der schweizerischen Perspektive in Aussicht gestellt. Ich möchte in diesem Zusammenhang vier Punkte berühren.
1. Die schweizerische Haltung.
Sie ist in den Erklärungen erläutert, die Herr Bundesrat Wahlen der Presse am 17. Dez. 1965, gemäss angeheftetem Text (Beilage 1)3 gegeben hat. Diese Haltung hat seither keine Änderung erfahren. Einer gewissen Kritik, die sich bei uns einigenorts geltend machte4, wobei man unsere Massnahmen teils als «neutralitätswidrig» empfand, konnte durch entsprechende Aufklärung weitgehend begegnet werden. Ähnliches gilt für die Rhodesienschweizer5, die (wie seinerzeit die Algerienschweizer6) Tendenz haben, sich mit der ansässigen europäischen Bevölkerung zu identifizieren. Unsere Aufklärungsbemühungen wurden allerdings diskret betrieben. Denn das Aufflammen einer Pressediskussion über Sinn oder Wirksamkeit unserer Massnahmen gegenüber Rhodesien wäre geeignet, die Aufmerksamkeit der «schwarzafrikanischen» Staaten zu wecken und von ihrer Seite, was bisher vermieden werden konnte, entgegensetzte Schwierigkeiten zu provozieren7. Es ist in der Tat zu befürchten, dass sich der bis anhin ausgebliebene Erfolg der allgemeinen Sanktionen in der Suche nach Sündenböcken Luft machen könnte. Wir hätten keinerlei Interesse, uns, zusammen mit Südafrika und Portugal, in diese höchst undankbare, unserem Ruf und unseren Interessen abträgliche Rolle hineinmanövrieren zu lassen.
2. Das britische Drängen.
Über die sich steigernden britischen Begehren nach umfassenderen schweizerischen Massnahmen – man wünscht von uns, über die Beschränkung auf den «courant normal»8 hinaus, eigentliche Sanktionen – habe ich Sie verschiedentlich orientiert. Die beiliegende Notiz vom 4. Februar (Beilage 2)9, die Sie am 8. Februar dem Bundesrat zur Kenntnis brachten, fasst diese Schritte des britischen Botschafters10 und unsere Reaktion, die prinzipiell ablehnend war, zusammen.
3. Sanktionenkomitee der Commonwealth-Staaten.
An der Commonwealth-Konferenz in Lagos über die Rhodesienfrage von anfangs Januar war u. a. beschlossen worden, ein Komitee zu bilden, dem über Umfang und Wirkung der Sanktionen von der britischen Regierung Bericht erstattet werden sollte. Wie erinnerlich, hatte der britische Botschafter auf Weisung Londons die Existenz dieses Komitees Mitte Januar11 zum Anlass genommen, darauf hinzuweisen, dass die schweizerische Haltung bei den «black African States», sobald sie darüber orientiert würden, einen ungünstigen Eindruck hinterlassen müsste. Wir hatten damals diesen Druckversuch entschieden zurückgewiesen. Unsere Haltung scheint in London verstanden worden zu sein. Wie aus einer dieser Tage erfolgten Mitteilung der britischen Botschaft hervorgeht, kommt die Einstellung der Schweiz im Entwurf des Berichtes an das Sanktionenkomitee jetzt in einer Weise zum Ausdruck, die uns, so hoffen wir, keinen nennenswerten Schaden mehr zufügen sollte. Für Näheres vgl. die beigelegte Notiz vom 16. Februar (Beilage 3)12.
4. Übernahme von Interessenvertretungen im Zusammenhang
mit dem Rhodesienkonflikt.
Herr Bundesrat Wahlen hatte die Kommissionen für Auswärtiges an den Sitzungen von Ende November 1965 streng vertraulich über die Anfragen der Regierungen in London und Washington orientiert13, die wissen wollten, ob sich die Schweiz bereit finden könnte, nötigenfalls die britischen und die amerikanischen Interessen auf konsularischer Ebene in Rhodesien zu übernehmen. Vom Bundesrat war diesem Wunsch unter gewissen Bedingungen beigepflichtet worden (Beilagen 4a und 4b)14. Sollten sich Kommissionsmitglieder heute danach erkundigen, so kann geantwortet werden, dass es seither um diese Angelegenheit still geblieben ist. Die Konsularabteilung der britischen Hochkommission, ebenso das amerikanische Generalkonsulat (lediglich der Postenchef wurde abberufen) sind weiterhin in Salisbury tätig.
Dagegen hat die Schweiz Ende Dezember 1965, im Gefolge des durch die Rhodesienfrage bedingten Abbruchs der diplomatischen Beziehungen Algiers mit London, die Interessenvertretung für Grossbritannien in Algerien übernommen15. (In den anderen afrikanischen Staaten, die ihre Beziehungen zu Grossbritannien abbrachen, beanspruchte London die Dienste seiner «historischen» Commonwealth-Partner Kanada und Australien.)
Ausserdem hat die Schweiz, nach Schliessung der auch mit konsularischen Aufgaben betraut gewesenen kanadischen Handelsmission in Salisbury, Ende Januar die «liaison» zwischen den kanadischen Staatsangehörigen in Südrhodesien und der kanadischen Botschaft in Südafrika übernommen. Sofern hierüber nähere Einzelheiten benötigt werden, sind sie im beiliegenden Bericht an den Bundesrat vom 5. Februar enthalten (Beilage 5)16
- 1
- Notiz: E 2807(-) 1974/12 Bd. 51 (09). Verfasst und unterzeichnet von R. Probst. Visiert von P. Micheli.↩
- 2
- E 2807(-) 1974/12 Bd. 20 (042.3-01).↩
- 3
- Vgl. das Schreiben von E. Thalmann an B. Turrettini vom 21. September 1966, Anhang 2, dodis.ch/31066.↩
- 4
- Zur Kritik der aussenpolitischen Kommissionen des National- und Ständerats vgl. das Protokoll der gemeinsamen Sitzung vom 8. Dezember 1965, dodis.ch/31098. Vgl. auch das BR-Verhandlungsprot. der 88. Sitzung vom 13. Dezember 1965, E 1003(-) 1994/26 Bd. 3: Herr Wahlenteilt mit, dass er die aussenpolitische Kommissionen orientiert habe. Die Reaktion habe ihn überrascht. Es bestand sehr wenig Bereitschaft, überhaupt etwas zu tun. Das Gefühl habe vorgeherrscht, dass das zu weite gehe, und dass man uns in eine Solidaritätsaktion der UNO eingliedern wolle. Er habe dann aufgeklärt, dass es sich um eine Selbsthilfeaktion handle.↩
- 5
- Zur Reaktion der Schweizer Kolonie in Rhodesien auf den Entscheid des Bundesrats, die Einfuhr von Waren aus Rhodesien zu beschränken, vgl. das Schreiben von J. Knüsi an die Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements vom 18. März 1966, dodis.ch/31116.↩
- 6
- Vgl. den Bericht von H. Voirier vom 29. Mai 1961, E 2001(E) 1976/17 Bd. 262 (B.73.0) sowie das Referat von M. Petitpierre vor der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats am 15. Mai 1961 und vor der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats am 24. Mai 1961, E 2800 1990/106 Bd. 2 (113.2).↩
- 7
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 120, dodis.ch/31085.↩
- 8
- Zur Frage des «courant normal» vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 154, dodis.ch/31951.↩
- 9
- Vgl. die Notiz von R. Probst an P. Micheli vom 4. Februar 1966, dodis.ch/31096.↩
- 10
- R. S. Isaacson.↩
- 11
- Vgl. dazu die Notiz von R. Probst an P. Micheli vom 20. Januar 1966, E 2001(E) 1978/84 Bd. 936 (C.23.2).↩
- 12
- Vgl. Doss. wie Anm. 1.↩
- 13
- Die Ausführungen von F. T. Wahlen wurden nicht protokolliert. Vgl. dazu das Protokoll der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, Sitzung vom 22./23. November 1965, E 2004(B)1972/120/ Bd. 1 (a.123.2.(2)), S. 7–9: Herr Wahlen möchte sich zum Problem Rhodesien äussern, wobei der zweite Teil seiner Ausführungen als streng vertraulich zu betrachten ist. Er soll auch nicht ins Protokoll aufgenommen werden. Vgl. ferner das BR-Verhandlungsprot. der 81. Sitzung vom 19. November 1965, dodis.ch/32005.↩
- 14
- BR- Prot. Nr. 1969 vom 16. November 1965, dodis.ch/31118 sowie BR- Prot. Nr. 1970 vom 16. November 1965, dodis.ch/31122. Vgl. dazu auch das BR-Verhandlungsprot. der 80. Sitzung vom 16. November 1965, dodis.ch/32006 sowie das Telegramm Nr. 497 von A. Zehnder an P. Micheli vom 18. November 1965, dodis.ch/31128.↩
- 15
- Zur eventuellen Übernahme britischer Interessen in verschiedenen afrikanischen Staaten aufgrund des Rhodesienkonflikts vgl. das BR- Prot. Nr. 2159 vom 13. Dezember 1965, dodis.ch/31125.↩
- 16
- BR- Prot. Nr. 327 vom 18. Februar 1966, dodis.ch/31123.↩
Tags
Foreign interests UN Sanctions against Rhodesia (1966)