Inquiétudes quant à l'activité politique des travailleurs espagnols immigrés. Le rôle de certaines organisations et personnalités suisses, qui s'engagent contre le régime de Franco.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 22, doc. 108
volume linkZürich/Locarno/Genève 2009
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
Old classification | CH-BAR E 2804(-)1971/2 55 |
Dossier title | Spanien (1962–1962) |
File reference archive | 11 |
dodis.ch/30478
Spanische Agitation
I. Ausgangslage
In den letzten Monaten hat sich in unserem Land eine vermehrte gegen das Regime von General Franco gerichtete Agitation bemerkbar gemacht2. Sie wird im wesentlichen getragen von schweizerischen gewerkschaftlichen Kreisen, die wie erinnerlich beispielsweise Ende Juni in Genf gegen die Zulassung der offiziellen spanischen Arbeitnehmerdelegation an der Jahresversammlung des BIT3 manifestiert hatten, sowie vom schweizerischen Aktionskomitee für eine politische Amnestie in Spanien, das mit entsprechenden Komitees im westlichen Ausland in Verbindung steht und dem bei uns u. a. so bekannte Leute wie der Theologe Karl Barth, der Dirigent Ernest Ansermet, der Schriftsteller Arnold Kübler, der Verleger Nationalrat Conzett, der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Hermann Leuenberger, Nationalratspräsident Bringolf, alt Ständerat Klöti, die Nationalräte Gallus Berger, Oprecht, Gitermann, Nobelpreisträger Ruzicka etc. angehören.
Soweit es sich um Veranstaltungen eines schweizerischen Komitees, getragen von schweizerischen Rednern vor der schweizerischen Öffentlichkeit handelt, ist dagegen im Rahmen unserer verfassungsmässig garantierten Freiheitsrechte nichts einzuwenden. Das Politische Departement kommt immer wieder in die Lage, diesen Standpunkt gegenüber Beschwerden ausländischer Staaten mit allem Nachdruck zu verfechten.
Die Lage gestaltet sich dort schwieriger, wo – wie nunmehr bei der Diskussion um die spanischen Probleme – einerseits in zunehmendem Masse ausländische Redner für öffentliche Veranstaltungen beigezogen werden und anderseits versucht wird, als tragendes Element solcher Kundgebungen bewusst auch ausländische, in unserem Lande tätige Arbeitskräfte zu mobilisieren. Namentlich die Bundesanwaltschaft, aber auch die Fremdenpolizei und das Politische Departement hatten sich schon verschiedentlich mit den daraus erwachsenden Schwierigkeiten zu befassen. Gerade aus den letzten Wochen sei an die Veranstaltungen erinnert, die mit dem aus den spanischen Gefängnissen entlassenen spanischen Dichter Marcos Ana4 vom Komitee für die politische Amnestie in verschiedenen Schweizerstädten organisiert wurden. Bekanntlich sind im Zusammenhang damit diesen Monat u. a. im Zürcher Kantonsrat Interpellationen eingereicht worden, die von Polizeidirektor Dr. Zumbühl beantwortet wurden. Unterdessen haben neue Veranstaltungen dieser Art am 16. Oktober in Genf, am 27. Oktober in Lugano, am 29. Oktober in Lausanne und sehr wahrscheinlich am 30. Oktober in La Chaux-de-Fonds stattgefunden, über die auch in der Presse eingehend berichtet worden ist5. Die Genfer Veranstaltung hat der spanischen Botschaft in Bern Anlass gegeben, dem Politischen Departement am 18. Oktober die in Kopie beiliegende Note6 zu überreichen; es ist anzunehmen, dass auch die weiteren Veranstaltungen zu solchen Demarchen führen werden. Obwohl die in der spanischen Note enthaltenen Kritiken und Beschwerden teils über das Ziel hinausschiessen und für die schweizerische Einstellung nicht wegleitend sein können, liegt hier doch ein Problem vor, das in unserem eigenen wohlverstandenen Interesse der näheren Prüfung bedarf.
II. Politische Reden von Ausländern
Was zunächst die Teilnahme aus dem Ausland beigezogener ausländischer Redner an öffentlichen oder geschlossenen Versammlungen in der Schweiz betrifft, so ist hier die Rechtslage einigermassen klar. Massgebend ist der Bundesratsbeschluss betreffend politische Reden von Ausländern, vom 24. Februar 19487, der u. a. bestimmt, dass solche Ausländer nur mit besonderer Bewilligung über ein politisches Thema reden dürfen, dass sie sich jeder Einmischung in innerschweizerische politische Angelegenheiten zu enthalten haben und dass die Bewilligung zu verweigern ist, wenn eine Gefährdung der äusseren oder inneren Sicherheit des Landes oder Störungen von Ruhe und Ordnung zu befürchten sind. Über die Bewilligung entscheidet die Kantonsregierung, wobei sich der Bundesrat vorbehalten hat, für die Kantone verbindliche Richtlinien zu erlassen oder im Einzelfall selbst über die Zulassung oder Ablehnung eines ausländischen Redners zu entscheiden.
Dieser Bundesratsbeschluss sollte eigentlich genügen, um die Lage unter Kontrolle zu halten, verbindliche Richtlinien sind zwar u. W. vom Bundesrat nicht erlassen worden; in der Praxis ist es aber doch wohl so, dass die kantonalen Behörden in kritischen Fällen zumeist mit der Bundesanwaltschaft vorgängig Fühlung nehmen. Hinsichtlich der Manifestationen betreffend Spanien hat die Bundesanwaltschaft überdies die obersten Polizeibehörden der Kantone mit Rundschreiben vom 6. Dezember 19618 noch ausdrücklich gebeten, sich vor Erteilung einer Redebewilligung mit Bern in Verbindung zu setzen. Dennoch scheint es weiterhin an der wünschbaren Koordination zu fehlen. So hat beispielsweise Genf dem Dichter Marcos Ana nicht gestattet, das Wort zu ergreifen, während Zürich und andere Städte ihm dies erlaubten. Eine einheitliche Anwendung des Bundesratsbeschlusses, der zugegebenermassen der Interpretation einigen Spielraum lässt, wäre deshalb nützlich. Es wäre zu prüfen, was von Seiten des Justiz- und Polizeidepartements vorgekehrt werden könnte, um hier eine bessere Koordinierung und eine korrekte Auslegung des Bundesratsbeschlusses in allen Fällen herbeizuführen. Eventuell müsste der Bundesrat nunmehr doch zur Erteilung verbindlicher Richtlinien schreiten.
III. Politisierung der spanischen Arbeiter in der Schweiz
Bedeutend heikler erscheinen die Probleme, die sich aus der Anwesenheit einer grossen Anzahl ausländischer Arbeitskräfte in unserem Lande ergeben. Für die Teilnahme dieser Leute an politischen Manifestationen liegt noch keine genauere gesetzliche Regelung vor. Ohne Zweifel besteht aber ein schweize risches staatliches Interesse daran, dass diese Arbeiter, solange sie in der Schweiz sind, von der Auseinandersetzung über Streitfragen, die die Innenpolitik ihres Heimatstaates zum Gegenstand haben, möglichst ferngehalten werden. Es könnte sich in der Tat als folgenschwer erweisen, wenn die italienischen Arbeiter in unserem Lande, die fast eine halbe Million ausmachen, politisch aktiviert würden9. Gerade in dieser Hinsicht scheint man aber in Bezug auf die rund 44’000 spanischen Arbeitskräfte seitens gewisser schweizerischer Kreise mit etwelcher Sorglosigkeit vorzugehen. Die Verantwortung dafür liegt weitgehend bei den schon erwähnten privaten Organisatoren der Kundgebungen zu spanischen Fragen. Wir besitzen allerdings keine rechtliche Handhabe, spanische Arbeiter an Zutritt zu solchen Kundgebungen zu verhindern. Es wäre u. E. auch keineswegs wünschbar, und vertrüge sich schwerlich mit unseren freiheitlichen Traditionen, dies zu tun. Was aber verhindert werden sollte, ist, dass es die schweizerischen Organisatoren solcher Kundgebungen bewusst darauf anlegen, spanische Arbeiter zur Teilnahme an den Veranstaltungen aufzufordern und solche Veranstaltungen teils sogar zu eigentlichen «spanischen» Kundgebungen ausarten zu lassen. Es ist dies in den letzten Monaten an einigen Orten wiederholt geschehen, so u. a., indem die Propaganda für eine bevorstehende Kundgebung der fraglichen Art nicht nur in unserer betreffenden Landessprache, sondern auch durch Verteilung von Flugblättern in spanischer Sprache und an Orten, wo eine grössere Zahl spanischer Arbeiter anzutreffen war, betrieben wurde (Beispiel: Aufruf für die Protestversammlung gegen die offizielle spanische Arbeitnehmerdelegation Ende Juni in Genf10). Ins gleiche Kapitel gehört, wenn in den Kundgebungen im Anschluss an die Hauptreferate deren spanische Übersetzungen oder Zusammenfassungen verlesen werden (so in Genf, Zürich etc.) oder wenn gar gewisse Voten von vorneherein in spanischer Sprache erfolgen (MarcosAna in Zürich). Die Folge solcher Praktiken ist, dass schon mehrmals derartige Veranstaltungen eine überwiegende Mehrzahl spanischer Teilnehmer aufwiesen und, statt eine Meinungsäusserung von Schweizerbürgern zu sein, zu einer Kundgebung spanischer Arbeitskräfte in der Schweiz gegen ihre eigenen heimatlichen Behörden ausarteten. Dass es dabei gelegentlich auch zu lautstarken und handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Spaniern selbst (Ruhestörung!) gekommen ist, sei nur am Rande vermerkt.
In einen ähnlichen Zusammenhang gehört der Umstand, dass von der sozialistischen Partei Genf neuerdings ein Bulletin für die spanischen Arbeiter in spanischer Sprache herausgegeben wird (Beilage11). Dass darin gewerkschaftliche und ähnliche Fragen behandelt werden, erscheint ohne weiteres angängig. Es geht aber u. E. zu weit, wenn das Bulletin auch zu Angriffen gegen den spanischen Staat und seine Regierung verwendet wird.
Die geschilderte Entwicklung liegt bestimmt nicht im schweizerischen Interesse. Die Meinungs-, Vereins- und Versammlungsfreiheit, die dem Schweizer eingeräumt ist, sollte nicht dazu dienen, Ausländer in der Schweiz gegen ihre Behörden aufzuwiegeln. Das Regime Franco ist zwar in der schweizerischen öffent lichen Meinung seit jeher auf wenig Sympathien gestossen. Daneben bleibt aber die Tatsache bestehen, dass die Schweiz mit Spanien normale Beziehungen unterhält. Diese Beziehungen werden durch die geschilderten Vorkommnisse, gegen die Madrid begreiflicherweise reagiert, zweifellos beeinträchtigt.
Neben diesen aussenpolitischen Gesichtspunkten ist auch zu erwägen, ob unsere innere Ruhe und Sicherheit durch die politische Aktivierung der ausländischen Arbeitermassen nicht beeinträchtigt werden könnte. Unter den spanischen Arbeitern lässt sich bereits, jedenfalls in grösseren Zentren wie Genf und Lausanne, eine gewisse Unrast feststellen. Wenn sie sich verstärken sollte und wenn ähnliches auch im Sektor der italienischen Fremdarbeiter zur Gewohnheit würde, liessen sich die Folgen nur schwer absehen.
Zu diesen Überlegungen, seien sie nun aussen- oder innenpolitischer Natur, gesellen sich noch wirtschaftliche Erwägungen. Unsere Wirtschaft ist heute auf die Anwesenheit ausländischer Arbeitskräfte angewiesen. Die Spanier stellen darunter das zweitgrösste Kontingent dar. Der Bund hat mit Spanien 1961 ein Abkommen über die Anwerbung spanischer Arbeitskräfte und deren Beschäftigung in der Schweiz abgeschlossen12, das bisher gut funktionierte. Als angesichts der bekannten Schwierigkeiten im Hinblick auf die Erneuerung des Einwanderungs- und des Sozialversicherungsabkommens mit Italien13 Rom als Druckmittel dieses Frühjahr den Zustrom italienischer Landarbeiter weitgehend unterband, waren unsere Behörden und unsere Landwirtschaft froh, aus Spanien entsprechenden Ersatz nachziehen zu können. Natürlich profitiert auch Spanien von der Möglichkeit, überzählige Arbeitskräfte nach der Schweiz abzugeben. Unser eigenes Interesse ist aber zumindest ebenso gross. Nun wirkt es aber stossend, wenn diese Arbeitskräfte, um die wir uns von Staates wegen bemühen, einmal in der Schweiz, systematisch in eine politische Aktion gegen ihre eigene Regierung eingespannt werden. Angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten (soziale Unruhen etc.), die sich dem spanischen Regime entgegenstellen, wäre es nicht undenkbar, dass man sich spanischerseits gegenüber unseren Arbeitskraftwünschen zurückhaltender zeigen könnte, wenn man in Madrid die Überzeugung gewänne, dass die spanischen Arbeiter bei uns gegen das Regime aufgehetzt werden. Die Folgen für unsere Wirtschaft, namentlich die Landwirtschaft, wären beträchtlich. Auch diesen Aspekt gilt es zu beachten.
Es wäre u. E. nützlich, wenn man sich dieser Gedankengänge und Zusammenhänge vermehrt bewusst würde. Die kantonalen Polizeidirektionen dürften es in der Hand haben, in Zusammenarbeit mit der Bundesanwaltschaft dafür zu sorgen, dass Veranstaltungen schweizerischer Organisationen, die spanische Fragen zum Gegenstand haben, ihrem Zweck nicht entfremdet werden, dass eine bewusste und gewollte Ausdehnung auf die spanische Arbeiterschaft (spanische Flugblätter, Übersetzungen etc.) unterbleibt, dass solche Manifestationen nicht als Mittel zur politischen Mobilisierung der Spanier in der Schweiz gegen ihre eigene Regierung dienen. Unseren politischen Freiheiten wäre damit u. E. keinerlei Abbruch getan.
Daneben dürfte von den Kantonen wohl auch erwartet werden, dass im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung gewissen Übertreibungen ein Riegel geschoben wird. Wir denken z. B. an das Bild, das anlässlich der letzten Genfer Manifestation zur Schau gestellt wurde, worauf gemäss Pressemeldungen General Franco zu sehen gewesen sei, der, hinter Gefängnisgittern, zwischen den Augen von einem Blitz getroffen wird (Beleidigung eines fremden Staatsoberhauptes?), oder an die Aushängung der alten republikanischen Fahne Spaniens, wie sie bei den Kundgebungen in Genf und Zürich erfolgte. Auch solche Vorkommnisse wären inskünftig nach Möglichkeit zu vermeiden.
IV. Schlussbemerkungen
Man kann sich fragen, ob es sich nicht als nötig erweisen wird, allgemeingültige Rechtssätze zu schaffen, um angesichts des ungeahnten Zustroms ausländischer Arbeitskräfte deren Politisierung in der Schweiz zu verhindern. Es ist dies allerdings ein heikles Gebiet, das sorgfältiger und zeitraubender Prüfung bedürfen wird. Indessen kann nicht so lange zugewartet werden. Angesichts der «spanischen» Agitation, die in den letzten Wochen in mehreren Schweizerstädten besorgniserregendes Ausmass angenommen hat, erscheint es dem Politischen Departement vordringlich, dass sich der Bundesrat im Sinne der obigen Ausführungen mit dem Problem befasst. Eine gewisse Ratlosigkeit der Kantone macht wohl ein klärendes Wort von Seiten der obersten Landesbehörde erforderlich. Es wäre zu prüfen, was getan werden kann und soll, um zu vermeiden, dass innenpolitische Konflikte aus den Heimatstaaten unserer Gastarbeiter auf die Schweiz übergreifen, und namentlich, dass einer solchen Entwicklung von schweizerischen Kreisen Vorschub geleistet wird. Es geht darum, durch Präventivmassnahmen dafür zu sorgen, dass uns die Situation nicht aus der Hand gleitet14.
- 2
- Vgl. Nrn. 14, 99 und 105 in diesem Band.↩
- 3
- Internationales Arbeitsamt.↩
- 4
- Mit bürgerlichem Namen F. Macarro-Castillo.↩
- 5
- Vgl. E 2001(E)1976/17/47.↩
- 6
- Vgl. Anm. 5.↩
- 7
- Vgl. AS, 1948, S. 119 f.↩
- 8
- Vgl. Anm. 5.↩
- 9
- Vgl. dazu DDS, Bd. 22, Dok. 170, dodis.ch/18765.↩
- 10
- Vgl. dazu die Notiz Genfer Gewerkschaftsdemonstration gegen Spanien von Probst vom 30. Juni 1962, E 2001(E)1976/17/47.↩
- 11
- Vgl. Anm. 5.↩
- 12
- Für dieses Abkommen vom 2. März 1961 vgl. AS, 1961, S. 981 ff.↩
- 13
- Vgl. Nrn. 20, 22, 103, 169 und 180 in diesem Band.↩
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