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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 22, doc. 79
volume linkZürich/Locarno/Genève 2009
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2003-03#1976/44#714* | |
Old classification | CH-BAR E 2003-03(-)1976/44 165 | |
Dossier title | Ghana (1960–1963) | |
File reference archive | t.941.1 • Additional component: Ghana |
dodis.ch/30252
Der Delegierte für Technische Zusammenarbeit, H. Keller, an den Vorsteher des Politischen Departements, F. T. Wahlen1
Technische Zusammenarbeit mit Ghana und Nigeria
Vom 2. bis 10. Mai hat eine von Herrn Bundesrat Spühler geführte Delegation am Eröffnungsflug der Swissair nach Akkra und Lagos teilgenommen. Ich bin dazu ebenfalls eingeladen worden und habe die Gelegenheit benutzt, Fragen unserer technischen Zusammenarbeit mit diesen Ländern an Ort und Stelle zu bearbeiten.
In Ghana und Nigeria ist die technische Hilfe der Bundesbehörden bisher nicht stark in Erscheinung getreten. Offenbar sind den beiden Ländern von anderer Seite so viele Angebote gemacht worden, dass die Hilfe kleinerer, dazu nicht englisch sprechender Staaten vorerst kaum nötig erschien2. Das Interesse der Regierungen von Ghana und Nigeria für das, was die Schweiz an technischer Hilfe bieten kann, ist nun aber im Wachsen. Günstige Erfahrungen einiger westafrikanischer Länder mit schweizerischen Fachleuten und Stipendien tragen wohl dazu bei.
Viel grösser als die Leistungen der Bundesbehörden sind in den beiden genannten Ländern, wie überhaupt in Westafrika, diejenigen privater schweizerischer Organisationen und Unternehmungen. Die Schweizerkolonien in Westafrika entwickeln sich recht günstig. Sie geniessen überall hohes Ansehen und zeichnen sich aus durch Initiative und berufliche Fähigkeit. Es handelt sich vorwiegend um noch junge, tüchtige und unternehmungslustige Mitbürger, deren Ehefrauen meistens ebenfalls Schweizerinnen sind, so dass die Kinder in schweizerischem Geiste heranwachsen und der lebendige Kontakt mit der Heimat erhalten bleibt. Fast ausnahmslos kehren unsere Westafrika schweizer später wieder in die Schweiz zurück. Sie stellen wertvolle Vorposten unseres Landes dar, nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in kultureller und anderer Hinsicht. Zu erwähnen sind auch die recht bedeutenden schweizerischen Investitionen, besonders in Ghana.
Die Basler Mission hat in Ghana schon in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts ihre segensreiche Tätigkeit entfaltet und sich auch von Anfang an um die Erziehung, Schulung und berufliche Ausbildung der einheimischen Bevölkerung bemüht3. In den Schulen und Spitälern der Basler Mission werden heute Lehrer, Krankenschwestern und Handwerker herangebildet. Die Union Handel AG Basel, die sich in mehreren Ländern Westafrikas unter dem Namen Union Trading Co eines ausgezeichneten Rufes erfreut, beschäftigt unter der Leitung tüchtiger Landsleute sehr viele einheimische Angestellte, Arbeiter und Handwerker, die sie schon seit Jahrzehnten beruflich geschult und damit den afrikanischen Nachwuchs zielbewusst herangezogen hat. Schon sehr früh wurden nach Möglichkeit auch Einheimische mit leitenden Funktionen betraut. Besondere Berufsschulen hat die Unternehmung z. B. für Automechaniker errichtet. Es werden aber auch Uhrmacher, Elektriker, Optiker, Spengler, Buchhalter, Korrespondenten, neuerdings auch Verkäufer, ausgebildet. Die Firma hat ferner Reparaturdienste für importierte Aufzüge, Schreibmaschinen, Radioapparate usw. organisiert. Auch andere, jüngere Schweizerfirmen in Ghana und Nigeria leisten ihren Beitrag. Die Zahl dieser Firmen und ihr Gewicht haben in den letzten Jahren zugenommen. In der Brauerei Akkra, in der Baufirma Lang in Akkra, in der Aluminium Manufacturing Co in Lagos, in zwei schweizerischen Parfümeriefabriken in Nordnigeria und in anderen Betrieben sind landeskundige und erfahrene Mitbürger mit der Ausbildung eines immer zahlreicheren beruflichen Nachwuchses beschäftigt. Die Baufirma Lang allein hat während der letzten 20 Jahre mehreren tausend einheimischen Arbeitskräften nicht nur Verdienst, sondern auch eine solide berufliche Ausbildung verschafft. Dass unsere Schweizerfirmen vielfach Produkte ihrer Heimat im Gastland bekanntmachen, war bei den Betriebsbesichtigungen festzustellen, zu denen die Delegation eingeladen wurde.
Diese Situation schafft gute Voraussetzungen für neue Aktionen unserer technischen Hilfe, die sich auf die bestehenden, bewährten schweizerischen Positionen stützen kann. Gegenwärtig wünscht die Regierung Ghanas z. B. unsere Mitwirkung bei der Angliederung einer kleinen Pflegerinnenschule an das Spital der Basler Mission in Agogo. Die Regierung ist bereit, ungefähr den dritten Teil der Kosten selbst aufzubringen. Der Chefarzt des Spitals hat das Projekt, das von schweizerischen Fachleuten nach gründlicher Prüfung befürwortet wird, Herrn Bundesrat Spühler und andern Mitgliedern der Delegation vorgetragen und insbesondere erläutert, dass die Ausbildung von Krankenpflegepersonal einem dringenden Bedürfnis des Gastlandes entspricht. Die Bauarbeiten sollen der bereits erwähnten schweizerischen Firma Lang anvertraut werden. Die Voraussetzungen für ein fachgemässes Vorgehen und für sparsame Verwendung unserer Mittel wären also durchaus gegeben. Die Basler Mission wird dem EPD demnächst ein Gesuch um einen namhaften Beitrag aus Bundesmitteln (gemäss BB vom 13. Juni 19614) unterbreiten. Unsere Botschaft in Akkra sowie der dortige Resident Representative des UNTAE5 beurteilen das Projekt ausgesprochen günstig.
Präsident Kwame Nkruma hat während der Audienz, die er Herrn Bundesrat Spühler am 3. Mai gewährte, bemerkt, er benötige gelegentlich einen schweizerischen Fremdenverkehrsfachmann für einige wenige Wochen zwecks Abklärung der Frage, ob gewisse Pläne zur Entwicklung des Fremdenverkehrs in Ghana Aussicht auf Erfolg hätten. Einem solchen Wunsche könnten wir entsprechen.
In Nigeria haben sich Schwierigkeiten bei der Auswahl von Stipendiaten ergeben. Das dortige Aussenministerium regt nun an, unter den vielen bereits in Deutschland arbeitenden Studenten aus Nigeria einige auszuwählen, die sich besonders für die Ausbildung in der Schweiz eignen, so dass die Sprachschwierigkeiten vermindert und Kandidaten für die deutschschweizerischen Hochschulen gewonnen werden könnten, womit eine zusätzliche Belastung der Westschweiz vermieden werden kann. Ich habe dem Ministerium wohlwollende Prüfung und baldige Stellungnahme durch unseren Botschafter in Lagos in Aussicht gestellt.
Der Verkehrsminister von Nigeria, der die Schweiz 1961 besuchte6, hat ein Gesuch um technische Hilfe für den Ausbau des Fernverbindungsnetzes angekündigt. Ein solches Begehren müsste im Einvernehmen mit der Generaldirektion der PTT in Bern behandelt werden. Herr Alfred Langenberger, Direktor der Fernmeldedienste bei der Generaldirektion der PTT, der Mitglied der Delegation war, kennt den Fall bereits.
Die Tatsache, dass ein Mitglied des Bundesrates an der Spitze einer Delegation Ghana und Nigeria (und damit Afrika) erstmals besuchte, hat bei den Regierungen, in Wirtschaftskreisen, in der Presse, vor allem aber auch bei unseren Schweizerkolonien grosses Interesse gefunden. Unsere Landsleute zeigten lebhafte Genugtuung über den offiziellen Besuch, und die lokalen Behörden fühlten sich geehrt.
Die von der Swissair eingeladenen schweizerischen Pressevertreter hatten Gelegenheit, in Ghana und Nigeria die Probleme der Entwicklungsländer etwas näher kennen zu lernen. Das grosse Vertrauen, das die jungen afrikanischen Staaten gerade unserem Lande entgegenbringen, hat die Journalisten immer wieder überrascht.
- 1
- Notice (Kopie): E 2003-03(-)1976/44/165. Paraphe: KH. Kopien dieser Notiz gingen an die Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements, an die Abteilung für Internationale Organisationen des Politischen Departements, an das Sekretariat des Departements des Innern, an die Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements und an die schweizerischen Botschaften in Akkra und Lagos.↩
- 2
- Zur amerikanischen technischen Hilfe an Ghana vgl. z. B. das Schreiben von H. Keller an P. Micheli vom 1. November 1961 (dodis.ch/30641).↩
- 3
- Zur von der Basler Mission in Ghana geleisteten Entwicklungshilfe vgl. auch das BR- Prot. Nr. 513 vom 15. März 1963 (dodis.ch/30646).↩
- 4
- Vgl. Nr. 39, Anm. 22, in diesem Band.↩
- 5
- United Nations Temporary Executive Authority.↩
- 6
- Wahrscheinlich handelt es sich beim hier erwähnten Besucher nicht um Verkehrsminister R. Njoku, sondern um Kommunikationsminister O. Akinfosile, der 1961 im Rahmen einer Informationsreise in Sachen Kommunikation Europa und im März auch die Schweiz besuchte. Vgl. die Notiz von A. Tripet für R. Probst vom 2. März 1961, E 2001(E)1976/17/539.Für Kontakte zum nigerianischen Verkehrsminister vgl. z. B. das vertrauliche Schreiben von G. E. Bucher an J. Burckhardt vom 20. September 1961, E 2200.168(-)1981/165/12.↩
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Ghana (General) Nigeria (General)