Verhandlungen in Bonn: Deutsche Stimmung, eine Lösung zum Ausgleich der Auflösung der deutschen Guthaben in der Schweiz zu finden, ist gut. Argumente von W. Stucki zur Aufrechterhaltung des schweizerischen Prinzips der Achtung des Eigentums.
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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 18, doc. 93
volume linkZürich/Locarno/Genève 2001
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Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2800#1967/61#120* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2800(-)1967/61 77 | |
Titolo dossier | Avoirs allemands (1950–1955) | |
Riferimento archivio | 37 |
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2801#1968/84#2217* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2801(-)1968/84 91 | |
Titolo dossier | Viermächte-Verhandlungen in Bern und Ablöseabkommen (W.40.1) (1951–1957) |
dodis.ch/8663 Der Delegierte des Bundesrates für Spezialmissionen, W. Stucki, an den Vorsteher des Politischen Departements, M. Petitpierre1 ABKOMMEN VON WASHINGTON. BESPRECHUNGEN IN BONN
Entgegen der mir durch die Gesandtschaft in Köln gemachten Mitteilung, konnte ich den Bundeskanzler und Aussenminister, Dr. Adenauer, nicht sprechen, da er nach Strasburg verreist war. Er wurde vertreten durch den Staatssekretär im Auswärtigen Amt, von Hallstein. Im übrigen fanden die Diskussionen fast ausschliesslich statt mit dem Bundesfinanzminister Schäffer, seinem Staatssekretär Hartmann und dem Fachbearbeiter Ministerialdirektor Wolff. Die Atmosphäre dieser Verhandlungen war ungewöhnlich freundschaftlich, und es machte sich von deutscher Seite nicht nur keinerlei Verstimmung, sondern eine offensichtliche dankbare Anerkennung gegenüber der Schweiz geltend.
Ich legte zunächst dar, dass der Bundesrat, nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit der westdeutschen Bundesrepublik2 Wert darauf lege, diese direkt über die schweizerische Stellungnahme zur Frage der deutschen Vermögen in der Schweiz zu orientieren. In diesem Sinne handle es sich bei meiner Reise um einen Akt der Höflichkeit und auch des gesunden Menschenverstandes, da man nach schweizerischer Auffassung schon vor einiger Zeit die deutsche Regierung zu den Besprechungen zwischen der Schweiz und den Alliierten in irgend einer Form hätte beiziehen sollen. Die Schweiz wünsche, fügte ich bei, mit ihrem nördlichen Nachbarn gute und freundschaftliche Beziehungen wieder herzustellen und würde es sehr begrüssen, wenn das schwierige Problem des Abkommens von Washington in einer Weise gelöst werden könnte, der auch die deutsche Regierung, wenn nicht formell, doch materiell zuzustimmen in der Lage wäre. Ich gab dann eine summarische Übersicht über die Verhandlungen von 1946 und die seitherige Entwicklung. Ich legte dar, dass und wie wir trotz starkem Druck von der andern Seite an dem Grundsatz festgehalten hatten, dass der von unsern Massnahmen betroffene Deutsche einen angemessenen Gegenwert in DM erhalten müsse.
Minister Schäffer fasste seinen Eindruck, sichtlich bewegt, in die Worte zusammen: «Ich hatte den Glauben an Recht und Moral verloren. Durch ihre mutige und konsequente Vertretung des Rechtsstandpunktes gegenüber einer mächtigen Staatengruppe hat mir die Schweiz einen Teil dieses Glaubens zurückgegeben. Wir sind ihr dafür zu grossem Dank verpflichtet.» Herr Schäffer unterstrich dann nachdrücklich, wie sehr man sich in Bonn über den Unterschied in der Haltung der Schweiz einerseits und der übrigen Neutralen – Schweden, Spanien, Portugal und Türkei – anderseits, bewusst sei. Er erklärte, dass natürlich die deutsche Regierung am liebsten sehen würde, wenn das Abkommen von Washington aufgehoben werden könnte, dass sie aber sehr wohl verstünde, dass die Schweiz durch ihre Unterschrift gebunden sei. Soweit es ihr rechtlich und materiell möglich sei, werde die Bundesregierung gerne mithelfen, zu einer für alle Beteiligen erträglichen Lösung zu gelangen.
Ich gab dann eine kurze Schilderung unserer jetzigen Verhandlungen mit den Alliierten und gab der Ansicht Ausdruck, dass der in Bern aufgestellte Kompensationsplan3 auch für Deutschland annehmbar und sogar vorteilhaft sei. Die Alliierten könnten ja, auch nach dem neuen Besatzungsstatut, der deutschen Regierung die volle Entschädigung für die Liquidationssumme, gegen 400 Millionen Franken, auferlegen. (Es ist im Verlaufe der Besprechungen diese Kompetenz der Alliierten von deutscher Seite nie bestritten worden.) Statt dessen hätte Deutschland nur ca. DM 90 Millionen kurzfristig aufzubringen, erhielte einen gleich hohen Betrag in Schweizerfranken und müsste für die weitern 180 Millionen Titel ausgeben, die weitgehend verrechnet werden könnten mit den öffentlich-rechtlichen Schulden der Inhaber. Für die Hälfte der von Deutschland aufgebrachten Leistungen könne zudem eine Schweizerfranken-Schuld vermindert werden, die, wenn sie auch heute von der deutschen Bundesregierung noch nicht formell anerkannt worden ist, doch ohne jeden Zweifel in kurzer Frist anerkannt werden muss, wenn die Regierung von Bonn die Rolle des Nachfolgers des deutschen Reiches spielen wolle.
Schliesslich wies ich noch darauf hin, dass nach schweizerischer Auffassung die deutschen Berechtigten 50% ihrer Forderungen ohne irgendwelche Belastungen erhalten sollten und dass wir in dieser Hinsicht eine deutsche Unterschrift benötigten, bevor wir Schweizerfranken nach Bonn überweisen könnten.
Minister Schäffer machte folgende Einwendungen gegenüber dem schweizerisch-alliierten Plan, der ihm durch die Alliierten bekanntgegeben worden war:
1. Das deutsche Budget für 1951 ist vom deutschen Parlament genehmigt worden. Es ist vollkommen ausgeschlossen, aus den bewilligten Summen einen Betrag von 90 Millionen DM für die Durchführung des Planes abzuzweigen. Es müsste deshalb dem deutschen Parlament ein neues Kreditgesuch unterbreitet werden, was im Minimum vier bis fünf Monate erfordern würde und zu einer für alle Beteiligten unangenehmen Diskussion führen könnte.
2. Nach dem vorgesehenen Plan würde derjenige Deutsche, der sein Vermögen in der Schweiz gehabt hat, ganz ausserordentlich begünstigt gegenüber denjenigen, die ihre Werte in andern Ländern angelegt oder in Deutschland selber gelassen hatten. Eine Entschädigungszahlung der deutschen Regierung müsste betrachtet und gerechtfertigt werden unter dem Titel des Lastenausgleichs zu Gunsten der Deutschen, die im Ausland geschädigt wurden. Ganz allgemein kämen hiefür weniger als 10% der Verluste in Frage, während für die Deutschen, die ihr Geld der Schweiz anvertrauten, eine Entschädigung von 75% zu Lasten der deutschen Steuerzahler aufgebracht werden müsste. Dies verstosse gegen das in der Verfassung festgelegte Prinzip der Gleichbehandlung aller Deutschen.
Ich erwiderte sofort, dass uns diese Betrachtungsweise als vollkommen unrichtig erscheine. Wir legten ja gerade den grössten Wert darauf, dass der Deutsche, der sein Vermögen in die Schweiz gelegt hat, nicht zu Schaden kommen solle und dass deshalb zu seinen Gunsten ein Lastenausgleich im deutschen Sinne gar nicht in Frage komme. Wir könnten uns vielmehr vorstellen, dass die aus der Schweiz erhaltenen Entschädigungen in spätern Zeiten zum Lastenausgleich geradezu herangezogen werden könnten. Wenn man der deutschen Regierung gewisse Entschädigungszahlungen zumute, so liegt der Grund darin, dass die Alliierten, die 1946 ausschliesslich Gewalt in Deutschland ausübten, eben eine solche Verpflichtung eingegangen seien und diese nun heute zu einem kleinen Teil der deutschen Regierung auferlegen. Diese handle somit keineswegs auf Grund der kommenden deutschen Gesetzgebung über Lastenausgleich, sondern als gezwungene Vollzieherin der von den Alliierten der Schweiz gegenüber eingegangenen Verpflichtungen. Im übrigen stelle sich die Rechnung so:
50% der Entschädigung wird aufgebracht durch die Schweiz, indem sie ihr Guthaben belasten lässt.
12 1/2% werden aufgebracht wiederum durch die Schweiz, indem sie auf einen entsprechenden Anteil am Liquidationserlös verzichtet.
12 1/2% werden aufgebracht durch die Alliierten, indem diese ebenfalls auf entsprechende Anteile am Liquidationserlös verzichten.
25% werden aufgebracht durch die deutsche Regierung, die aber für nahezu 100 Millionen Franken in Devisen erhält.
Diese, für die deutschen Herren scheinbar ganz neue Argumentation machte sichtlich Eindruck, und namentlich der Finanzminister selber trat auf den Gedanken ein, dass auch moralisch derjenige eine Privilegierung verdiene, der sein Geld in ein Land gelegt hat, das sich nun so intensiv für die Wahrung des Privateigentums einsetzt.
3. Die Befreiung der ersten 50% von öffentlich-rechtlichen Abgaben ist nach der deutschen Gesetzgebung ohne besondere Schwierigkeiten durchzuführen und, ohne dass er dem Auswärtigen Amt oder dem Justizministerium vorgreifen wolle, glaubt er sagen zu können, dass eine deutsche Mitwirkung bei der Durchführung des Planes möglich wäre bei Aufrechterhaltung der grundsätzlich negativen Einstellung gegenüber dem Abkommen von Washington.
4. Die Ausgabe von Titeln, wie sie im schweizerisch-alliierten Plane vorgesehen sind, kann Deutschland nur mit Zustimmung des Parlamentes vornehmen. Es ist fraglich, ob eine solche erhältlich wäre.
Ich warf, rein persönlich und unverbindlich, die Frage auf, ob man diese grosse Schwierigkeit dadurch umgehen könnte, dass an Stelle von eigentlichen Titeln individuelle Schuldverschreibungen ausgestellt würden. Sie könnten auf den Betrag lauten, der den 50% nicht in bar ausbezahlten Beträgen, abzüglich der vom Gläubiger aus öffentlichem Recht geschuldeten Bussen, Steuern, etc. entsprechen würde. Herr Schäffer und ich behielten uns die Stellungnahme zu dieser Idee ausdrücklich vor.
5. Finanzminister Schäffer erklärte mehrfach, dass die Alliierten wohl das Recht hätten, der Bundesrepublik den Berner Plan durch ein alliiertes Gesetz aufzuzwingen, dass er aber nahezu sicher sei, dass dies aus politischen Gründen nicht geschehen werde. Trotzdem sei er zu einer weiteren positiven Mitarbeit sehr bereit, wobei deutlich zum Ausdruck kam, dass ihn ganz besonders die Schweizerfranken-Devisen lockten. Angesichts der grossen Bedeutung des Problems müsse er eine Vorlage an das deutsche Kabinett machen und diesem die Entscheidung überlassen.
Zum Schluss bedankte sich Minister Schäffer nochmals sehr herzlich für unsern Besuch – ich war bei allen Besprechungen begleitet vom schweizerischen Geschäftsträger in Köln, Herrn Aubert de la Rüe – und gab der Hoffnung Ausdruck, dass wir durch neue Besprechungen doch zu einer Lösung gelangen würden.
Auf seinen Wunsch orientierte ich kurz vor der Abreise den führenden Finanzsachverständigen der Alliierten Hohen Kommission in Bonn über das Resultat und den Sinn meiner Besprechungen mit den deutschen Vertretern.
- 1
- Bericht: E 2800(-)1967/61/77. Die Besprechungen von W. Stucki in Bonn fanden hauptsächlich am 30. April 1951 statt.↩
- 2
- Vgl. BR-Prot. vom 16. März 1951, E 1004.1(-)-/1/527 (dodis.ch/8077).↩
- 3
- Zu den Verhandlungen mit den Alliierten und zum Kompensationsplan vgl. das Protokoll der Verhandlungen vom 14. März 1951, E 2801(-)1968/84/91 (dodis.ch/8671).↩
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