Darin: Antrag des EDA vom 23.12.1991 (Beilage).
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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 1991, doc. 61
volume linkBern 2022
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Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E1004.1#1000/9#1014* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E1004.1(-)1000/9 1448 | |
Titolo dossier | Beschlussprotokolle des Bundesrates Dezember 1991 (6 Bände) (1991–1991) | |
Riferimento archivio | 4.10prov. |
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
Segnatura | CH-BAR#E7115A#2000/383#843* | |
Titolo dossier | Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), Luftverkehrverhandlungen (1991–1991) | |
Riferimento archivio | 831 • Componente aggiuntiva: UdSSR |
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
Segnatura | CH-BAR#E2010A#2001/161#1541* | |
Titolo dossier | Allgemeines (1991–1993) | |
Riferimento archivio | B.15.10 |
dodis.ch/57514Antrag des EDA an den Bundesrat1
Anerkennung der zwölf Republiken der ehemaligen UdSSR
1. Zusammenfassung des Antrages
Wir beantragen, die Föderation Russland sowie die Republiken Ukraine, Weissrussland, Kasachstan, Moldawien, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Usbekistan, Turkmenien, Tadschikistan und Kirgisien, welche sich am 8.12. und am 21.12.1991 zur Gemeinschaft unabhängiger Staaten zusammengeschlossen haben, völkerrechtlich anzuerkennen, sowie – im Anschluss daran – die Aufnahme diplomatischer Beziehungen einzuleiten.
2. Begründung
Einmal mehr haben sich die Ereignisse in der ehemaligen UdSSR in den letzten Wochen und Tagen überstürzt.2 Diesmal scheint nun eine Entwicklung in Gang zu sein, die zu klaren und voraussichtlich dauerhaften politischen Strukturen führen wird:
Mit dem Abkommen von Minsk vom 8.12. ist das Fundament für eine reine Konföderation souveräner Staaten gelegt worden.3 Von zentraler Bedeutung ist, dass diese souveränen Staaten keine der alten gemeinsamen Unionsstrukturen (Regierung, Koordinationsorgane etc.) übernehmen, sondern Gemeinsamkeiten unter (formell) Gleichberechtigten erst definieren und allfällige gemeinsame Strukturen einvernehmlich schaffen wollen. Also zumindest formal ein vollständiger Bruch mit der Vergangenheit, gefolgt von einem Neuaufbau auf neuer Basis. Hier liegt die Erklärung, warum von Personen (Gorbatschow) und Institutionen (Armee), ja sogar von der Geographie her (Minsk anstatt Moskau), die hergebrachten, scheinbar so festgefügten Symbole der vergangenen UdSSR allesamt fallen.
Die Lektüre des Gründungsvertrages vom 8.12.91 der Gemeinschaft der drei unabhängigen Staaten (GUS)4 ebenso wie die bisherigen Äusserungen deren Verantwortlicher zeigen, dass diese neuen Staaten gewillt sind, neben den Rechten unabhängiger Staaten alle Pflichten, welche in westlicher und damit auch schweizerischer Erwartung formuliert worden sind, auf sich zu nehmen. Am 21.12.1991 sind in Alma Ata ausser Georgien alle Republiken der ehemaligen Sowjetunion dem Minsker Abkommen und damit der GUS beigetreten und haben die im Abkommen niedergelegten Pflichten ausdrücklich angenommen.5 Die elf Staaten haben sich damit insbesondere verpflichtet:
– demokratische und rechtsstaatliche Strukturen zu schaffen
– allgemein alle bisherigen Verpflichtungen der alten Sowjetunion zu übernehmen sowohl sicherheitspolitischer (Abrüstung) als auch allgemeiner Natur (KSZE, insbesondere Minderheitsschutz).
– schliesslich ist damit zu rechnen, dass den Bekenntnissen zur Marktwirtschaft konkrete Anstrengungen zur Umgestaltung der sozialistischen Wirtschaftssysteme folgen.
Aus völkerrechtlicher Sicht sind die drei grundlegenden Kriterien der Anerkennung (Territorium, Staatsvolk und Staatsgewalt) erfüllt.6 Seit dem 3.9.91, dem Inkrafttreten von konstitutionellen Übergangsbestimmungen in der Folge des Augustputsches7 sind auch von Seiten des alten Zentrums (Union) die formalen Voraussetzungen einer Anerkennung neuer Staaten erfüllt; abgesehen davon existiert heute kein funktionsfähiges Zentrum mehr, welches die Unabhängigkeit in Frage stellen könnte.
3. Opportunität
Auch wenn alle Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt sind, kann man sich fragen, wann der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist.8 Würde nicht ein Zuwarten erlauben, die tatsächliche Umsetzung der erwähnten Verpflichtungen zu verfolgen, welche die elf Republiken eingegangen sind?
Dazu ist zu sagen, dass die internationale Anerkennung gleichermassen einen gewissen Vertrauensvorschuss wie auch das Einbinden in die internationale Staatengemeinschaft bedeutet. Die Anerkennung erlaubt es, ohne formale Verrenkungen von aussen beim Aufbau neuer Strukturen in Politik und Wirtschaft mitzuhelfen und bestehende Verträge mit neuen Partnern zu verankern.9
Heute Montag, 23.12.1991 ist klar, dass die zwölf Republiken in nächster Zukunft international anerkannt werden. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich entsprechend geäussert, von den USA ist bekannt, dass sie – eine Geste an den ehemaligen Partner unter Supermächten – damit warten will, bis Gorbatchew formal zurücktritt.10
Sicherheitspolitische Auflagen im Bereich der Nuklearrüstung, welche die USA und die übrigen NATO-Staaten bislang im Zusammenhang mit der Anerkennung genannt haben, sind natürlich auch für die Schweiz von Bedeutung; indes sind das nicht Aspekte, die für einen neutralen Staat formal im Vordergrund stehen.
Georgien ist ein Spezialfall. Es hat den Minsker Vertrag noch nicht unterzeichnet, zudem ist die innenpolitische Lage dort so verworren, dass eine sofortige Notifizierung der Anerkennung aus praktischen Gründen nicht möglich erscheint.11 Wir schlagen vor, dass Georgien zwar anerkannt, die Notifikation dieser Anerkennung aber aufgeschoben wird.
Auch heute, im Zeitalter fortschreitender Relativierung staatlicher Souveränität, kann ein Anerkennungsentscheid der Schweiz in voller Unabhängigkeit gefällt werden. Da, wie dargelegt, alle Voraussetzungen erfüllt sind, zudem die Anerkennung aller Voraussicht nach lediglich eine Zeitfrage ist, kann unser Entscheid im gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgen.
4. Umsetzung
Was die Aufnahme diplomatischer Beziehungen anbelangt – ein von der Anerkennung formal zu trennender Akt – so sehen wir ein ähnliches Vorgehen wie im Falle der drei baltischen Republiken.12 Nach der Notifizierung der Anerkennung wird Anfang 1992 ein hochrangiger Vertreter des EDA anlässlich einer Reise in die drei Hauptstädte die diplomatischen Beziehungen etablieren.13 Die Frage der schweizerischen Vertretungen in den drei Staaten ist wiederum separat zu behandeln; wir werden zum gegebenen Zeitpunkt entsprechende Anträge vorlegen.14
5. Die Frage der Anerkennung von Slowenien und Kroatien stellt sich bekanntlich ebenfalls.15 Sie ist indes verschieden von der hier behandelten Anerkennung neuer Republiken auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR;16 falls es die internationale Entwicklung über die nächsten Tage weg nahe legt, werden wir auf Jugoslawien in einem weiteren Antrag zurückkommen.17
6. Aufgrund dieser Ausführungen beantragen wir,
– die Föderation Russland, sowie die Republiken Ukraine, Weissrussland, Kasachstan, Moldawien, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Usbekistan, Turkmenien, Tadschikistan und Kirgisien anzuerkennen,18
– die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu den zwölf Republiken,19
– die Notifizierung der Anerkennung von Georgien aufzuschieben und durch das EDA zum gegebenen Zeitpunkt vorzunehmen.
- 1
- CH-BAR#E1004.1#1000/9#1014* (4.10prov.). Dieser Antrag wurde unter der Verantwortung des stv. Chefs der Politischen Abteilung I, Daniel Woker, verfasst (vgl. das DossierCH-BAR#E1001#1996/73#68* (1)) und vom Vorsteher des EDA, Bundesrat René Felber, unterzeichnet. Die Bundeskanzlei übermittelte den Antrag am 23. Dezember 1991 um 12:00 Uhr per Fax an die Bundesräte. Der Bundesrat hiess diesen in seinem letzten Beschluss des Jahres 1991 (Nr. 2518) nach Beratung per Telefonkonferenz zwischen 13:30 und 13:45 Uhr gut, vgl. das BR-Beschlussprot. II vom 23. Dezember 1991, dodis.ch/57766 sowie das Faksimile dodis.ch/57514. Der Inhalt des Bundesratsbeschlusses wurde um 16:36 Uhr vom EDA per Fernschreiben an alle Vertretungen der Schweiz im Ausland übermittelt, vgl. das Dossier CH-BAR#E2010A#2001/161#1541* (B.15.10).↩
- 2
- Im November 1991, «zu einem Zeitpunkt [...], da sich die tiefe wirtschaftliche und politische Krise in der Sowjetunion weiter zuspitzt und der Erosionsprozess der Union sich beschleunigt», besuchte der Staatssekretär des EDA, Klaus Jacobi, die Städte St. Petersburg, Moskau und Kiew. Vgl. DDS 1991, Dok. 58, dodis.ch/58470.↩
- 3
- Zur Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) durch die Staatsoberhäupter Russlands, Weissrusslands und der Ukraine am 8. Dezember 1991 in Minsk vgl. den Politischen Bericht des schweizerischen Botschafters in Moskau, Jean-Pierre Ritter, vom 10. Dezember 1991, dodis.ch/60365.↩
- 5
- Zur Alma-Ata-Erklärung vgl. das Fernschreiben Botschafter Ritters vom 22. Dezember 1991, dodis.ch/58736. ↩
- 6
- Vgl. dazu das im BR-Prot. Nr. 1817 vom 23. September 1991 zur Kenntnis genommene Aussprachepapier des EDA zur Anerkennung von Staaten nach schweizerischer Praxis, dodis.ch/57480 sowie die Notiz des Politischen Sekretariats des EDA an Bundesrat Felber vom 4. September 1991, dodis.ch/59508.↩
- 7
- Zum Augustputsch vgl. DDS 1991, Dok. 34, dodis.ch/54827 sowie die Zusammenstellung dodis.ch/C1951.↩
- 8
- Am 13. Dezember 1991 diskutierten Vertreter der Direktion für Völkerrecht, des Finanz- und Wirtschaftsdienstes, der Politischen Abteilungen I und III sowie des Politischen Sekretariats des EDA und des Bundesamts für Aussenwirtschaft des EVD die Frage der Anerkennung der einzelnen Republiken der UdSSR, vgl. dodis.ch/58737.↩
- 9
- Für die völkerrechtlichen Betrachtungen zur Staatennachfolge in Verträgen vgl. dodis.ch/59822. Zu den Erwägungen des Bundesamts für Aussenwirtschaft des EVD vgl. dodis.ch/59805.↩
- 10
- Zur Haltung der USA vgl. das Fernschreiben des schweizerischen Botschafters in Washington, Edouard Brunner, an das Politische Sekretariat des EDA vom 11. Dezember 1991, dodis.ch/59291.↩
- 11
- Zwischen dem 22. Dezember 1991 und dem 6. Januar 1992 kam es zu einem schliesslich erfolgreichen Militärputsch oppositioneller Kräfte gegen den georgischen Präsidenten Swiad Gamsachurdia.↩
- 12
- Am 2. September 1991 ermächtigte die Landesregierung den Chef der Politischen Abteilung I des EDA, Botschafter Jenö Staehelin, als Sondergesandter des Bundesrats für die baltischen Staaten mittels Briefwechsel mit den Republiken Litauen, Lettland und Estland diplomatische Beziehungen aufzunehmen, vgl. das BR-Prot. Nr. 1653, dodis.ch/57448. Vgl. dazu auch DDS 1991, Dok. 39, dodis.ch/57645.↩
- 13
- Zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den GUS-Staaten vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2010.↩
- 14
- Vgl. die BR-Prot. Nr. 27 vom 15. Januar 1992, dodis.ch/58006 und Nr. 301 vom 19. Februar 1992, dodis.ch/59817. Vgl. dazu auch die Zusammenstellung dodis.ch/C2011.↩
- 15
- Vgl. DDS 1991, Dok. 55, dodis.ch/57983 sowie die Zusammenstellung dodis.ch/C2037.↩
- 16
- In der Beratung des Antrags warf der Bundesrat die Frage auf, weshalb die sowjetischen Teilrepubliken anerkennt werden sollen, nicht jedoch die jugoslawischen. «Herr Felber verweist auf die Gefahr, dass eine Anerkennung von Serbien [sic] und Kroatien den Bürgerkrieg schüren könnte, z. B. durch ein Übergreifen auf andere Teile des jugoslawischen Staates (Herzegowina). Diese Gründe für die unterschiedliche Haltung der Schweiz in bezug auf die ehemaligen Sowjetrepubliken resp. Jugoslawien sollen der Presse gegenüber deutlich dargelegt werden.» Vgl. dodis.ch/57766. ↩
- 17
- Vgl. das BR-Prot. Nr. 25 vom 15. Januar 1992, dodis.ch/58005.↩
- 18
- Noch am Abend des 23. Dezembers 1991 notifizierte das EDA via die schweizerische Botschaft in Moskau per Fernschreiben die Anerkennung gegenüber den Präsidenten der elf Republiken und kündigte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen an. Die Schreiben wurden von Bundesrat Felber in seiner Funktion als aktueller Vizepräsident und als Bundespräsident des Jahres 1992 signiert. Vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C1950.↩
- 19
- Vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2010.↩
Collegamenti ad altri documenti
http://dodis.ch/58737 | vedere anche | http://dodis.ch/57514 |
http://dodis.ch/58736 | vedere anche | http://dodis.ch/57514 |
http://dodis.ch/57514 | est discuté dans | http://dodis.ch/57766 |
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Questioni legate al riconoscimento di Stati
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