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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 27, doc. 164
volume linkZürich/Locarno/Genève 2022
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E-01#1988/16#2087* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)-01/1988/16 595 | |
Dossier title | Zusammenarbeit Österreich - Schweiz über Fragen gemeinsamer Interessen (1976–1978) | |
File reference archive | B.15.21 • Additional component: Oesterreich |
dodis.ch/51700Notiz des Vorstehers des Politischen Departements, P. Aubert, an den Bundesrat1
Schweizerisch-österreichische Kontaktgespräche
Anlässlich meines Besuchs, den ich am 29./30. Mai Aussenminister Willibald Pahr in Wien abstattete2, schlug ich meinem österreichischen Gesprächspartner vor, zwischen verschiedenen hohen Beamten beider Aussenministerien einen regelmässigen Gedankenaustausch in Wien resp. Bern einzuführen. Ich ging dabei von folgenden Überlegungen aus:
Die zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen Österreich und der Schweiz können als gut bezeichnet werden3. Es hat sich in den letzten Jahren aber mehrfach gezeigt, dass beide Aussenministerien auf einzelne Ereignisse recht verschieden reagieren, auch wenn keine divergierenden nationalen Sachzwänge vorliegen. Diese Missverständnisse ergeben sich teilweise sicher als Folge mangelnder Vertrautheit mit den Richtlinien des anderen Staates für die Behandlung gewisser Probleme. Zum Teil dürfte der Grund auch darin liegen, dass der persönliche Faktor bei der Beschlussfassung nicht genügend berücksichtigt werden kann. Es scheint jedoch wünschenswert, zwischen den Stellungnahmen beider Staaten zu Einzelfragen unnötige Unterschiede zu vermeiden; dies könnte dazu beitragen, unseren Interventionen mehr Gewicht zu verleihen.
Österreich hat durch seine aktive Tätigkeit in den Vereinten Nationen Erfahrungen gesammelt, die für uns von Interesse sind; seine Präsenz in New York erlaubt der österreichischen Diplomatie zudem, in Kontakten mit Staatsmännern anderer Staaten Informationen einzuziehen, die auch für uns von Bedeutung sein können. Auf Gebieten, wo beide Staaten verschiedene Haltungen einnehmen oder aus Abschätzung ihrer nationalen Interessen andere Ziele verfolgen, wie zum Teil in der Frage der der Sitznahme von UN-Organen in Europa4, kann ein Gedankenaustausch zwischen den zuständigen Beamten einer Abklärung der beidseitigen Interessen förderlich sein, ohne dass dabei unbedingt nach beidseitig abgesprochenen Kompromissformeln gesucht werden sollte.
Seit längerer Zeit finden regelmässig Kontakte in jährlichem Abstand zwischen den Aussenministern5 und ebenfalls zwischen den Generalsekretären der Aussenministerien6 beider Länder statt; auch die Verwaltungsdirektoren und die Leiter der Völkerrechtsdirektionen sehen sich öfters. Ähnliche Kontakte pflegen überdies die Vorsteher anderer eidgenössischer Departemente7 wie auch die Leiter einzelner Ämter mit ihren österreichischen Kollegen8. Die so aufgebauten Beziehungen erlauben die durch die diplomatischen Missionen beider Staaten in den respektiven Hauptstädten hergestellten Kontakte zu vertiefen und zu diversifizieren. Bei dem primär mit der Behandlung der Aussenbeziehungen beauftragten EPD sollte dieser Gedankenaustausch jedoch eine grössere Zahl leitender Beamter und ein weiteres Spektrum der Sachfragen erfassen9.
Mit Aussenminister Pahr wurde vereinbart, ab September 197810 versuchsweise einmal monatlich einen Besuch eines Direktors oder stellvertretenden Direktors des EPD in Wien oder eines österreichischen Beamten in Bern durchzuführen. Diese Besuche erfolgen ohne Begleitung. Zielsetzung der Begegnung ist ein Gedanken- und Erfahrungsaustausch über Fragen, denen sich beide Ministerien gegenübergestellt sehen; es handelt sich somit vorwiegend um nicht-bilaterale Angelegenheiten, die nicht primär die schweizerisch-österreichischen Beziehungen betreffen. Bilaterale Fragen werden bereits im Rahmen der oben erwähnten bestehenden Treffen besprochen. Mit der Organisation dieser Kontakte werden sich die Generalsekretäre Weitnauer (EPD) und Reitbauer (Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten) anlässlich ihres Treffens in Wien am 25. September11 befassen; am selben Tag findet auch eine Zusammenkunft zwischen dem Leiter des Politischen Sekretariates und seines österreichischen Kollegen statt12. Aufgrund der ersten Erfahrungen werden die Generalsekretäre Richtlinien für die Versuchsphase festlegen. Vorderhand vorgesehen13 sind Kontakte zwischen Botschafter Iselin (Politische Abteilung II) und einem besonders für Fragen des diplomatischen und konsularischen Schutzes interessierten österreichischen Beamten im Oktober14, und eine Reise des Leiters der Politischen Abteilung I (Europa, Nordamerika, KSZE, Europarat) im November nach Wien; im Dezember15 schliesslich sollen sich Vertreter der Völkerrechtsdirektion namentlich zur Vorbesprechung der in der Völkerrechtskommission der UNO16 zu behandelnden Fragen treffen.
- 1
- Notiz: CH-BAR#E2001E-01#1988/16#2087* (B.15.21). Zur Besprechung der Notiz im Bundesrat vgl. das BR-Beschlussprot. II vom 8. September 1978 der 29. Sitzung vom 30. August 1978, dodis.ch/51752.↩
- 2
- Vgl. dazu das Telegramm Nr. 93 von H. Renk an P. Aubert vom 30. Mai 1978, dodis.ch/51776; die Notiz von F. Nordmann vom 21. Juli 1978, dodis.ch/51772 sowie das Schreiben von R. Keller an P. Aubert vom 19. Dezember 1978, dodis.ch/51754.↩
- 3
- Vgl. dazu auch die Notiz von A. Hegner an P. Graber vom 29. Juni 1976, dodis.ch/51844; die Notiz von K. Vogler vom 2. November 1977, dodis.ch/51765; das Schreiben von R. Keller an A. Hegner vom 22. Dezember 1977, dodis.ch/51766; die Notiz von W. Schmid vom 31. Oktober 1978, dodis.ch/51767 sowie den Schlussbericht von R. Keller vom 26. November 1979, dodis.ch/51753.↩
- 4
- Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 25, dodis.ch/48714, bes. Anm. 3, 4, 5.↩
- 5
- Vgl. dazu DDS, Bd. 22, Dok. 46, dodis.ch/30181; DDS, Bd. 23, Dok. 63, dodis.ch/31092; Dok. 108, dodis.ch/31397, Anm. 6 und Dok. 148, dodis.ch/31105; DDS, Bd. 24, Dok. 21, dodis.ch/33202 und Dok. 143, dodis.ch/33201, Anm. 3; DDS, Bd. 26, Dok. 18, dodis.ch/40541 sowie DDS, Bd. 27, Dok. 111, dodis.ch/52279.↩
- 6
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 143, dodis.ch/33201, bes. Anm. 4; das Schreiben von R. Keller an P. Graber vom 24. Februar 1976, dodis.ch/51779; die Notiz von L. Favre vom 18. Mai 1977, dodis.ch/51781 sowie die Notiz von A. Maillard vom 6. Dezember 1977, dodis.ch/51782.↩
- 7
- Zu K. Furgler vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 18, dodis.ch/51701; zu H. Hürlimann vgl. das Schreiben von R. Keller an H. Hürlimann vom 7. September 1977, dodis.ch/51777; zu R. Gnägi vgl. das BR-Beschlussprot. II vom 18. November 1977 der 37. Sitzung vom 2. November 1977, dodis.ch/51831 sowie die Notiz von C. Caratsch vom 18. September 1978, dodis.ch/51835 und zu F. Honegger vgl. die Notiz von C. Sommaruga vom 9. August 1978, dodis.ch/51769.↩
- 8
- Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 138, dodis.ch/51703.↩
- 9
- Vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 28, dodis.ch/35766.↩
- 10
- Zum Besuch von F. Pometta in Wien am 4. September 1978 vgl. die Notiz von C. Caratsch vom 12. September 1978, dodis.ch/51848.↩
- 11
- Das Treffen fiel wegen eines Unfalls von A. Weitnauers aus. Vgl. das Telegramm von. P. Aubert an alle diplomatischen Vertretungen vom 13. September 1978, dodis.ch/54020.↩
- 12
- Vgl. dazu die Notiz von C. Caratsch vom 18. September 1978, dodis.ch/51751.↩
- 13
- Für eine Übersicht über die geplanten Besuche vgl. die Notiz A. Hegner vom 24. Mai 1978, dodis.ch/51750.↩
- 14
- Vgl. Doss. wie Anm. 1.↩
- 15
- Vgl. dazu die Notiz von W. Schmid vom 14. Dezember 1978, dodis.ch/51768.↩
- 16
- Vgl. dazu den Bericht von S. Marcuard an E. Diez vom 16. November 1978, dodis.ch/52284.↩