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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 27, doc. 170
volume linkZürich/Locarno/Genève 2022
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E7110#1989/32#2454* | |
Old classification | CH-BAR E 7110(-)1989/32 156 | |
Dossier title | Zahlungsverkehr, A-Z nach Namen (1978–1978) | |
File reference archive | 890.1 • Additional component: Korea, Demokratische Volksrepublik |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2010A#1995/313#5479* | |
Old classification | CH-BAR E 2010(A)1995/313 646 | |
Dossier title | Allgemeines (1974–1984) | |
File reference archive | C.41.100.0 • Additional component: Corée du Nord |
dodis.ch/50115Der schweizerische Botschafter in Peking, W. Sigg, an den Direktor der Handelsabteilung des Volkswirtschaftsdepartements, P. R. Jolles1
Uhrenfabrik in Nordkorea
Anlässlich der Feierlichkeiten zum 30-jährigen Bestehen der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nord-Korea), während meines Aufenthaltes in Pyongyang2, habe ich, in Begleitung meines Mitarbeiters, Herrn Botschaftsrat Ducrey, am 11. September die neue Uhrenfabrik besichtigt, deren Einrichtung durch die Firma Blanchut & Bertrand zur Zeit im Gange ist3.
Der stattliche Fabrikbau befindet sich in Pyöngsöng, ca. 30 km von Pyongyang entfernt, in einer von bewaldeten Hügeln umrahmten Landschaft. Wie alles in diesem Land ist der Standort gemäss Erklärung des koreanischen Direktors – vom grossen Führer Kim Il Sung persönlich ausgewählt worden!
Das Gebäude ist eindrücklich, grosszügig und modern gebaut. Die über 500 Maschinen stehen an ihrem Standort, und viele sind in den geräumigen Hallen betriebsbereit. Die momentan anwesenden ca. 20 schweizerischen Techniker sind emsig an der Arbeit, beheben die durch lange Lagerung entstandenen Schäden an den Maschinen, besorgen die Installation, legen Leitungen und Schalter, instruieren die koreanischen Mitarbeiter. Bereits funktioniert die Sektion Assemblage, mit Bestandteilen noch grösstenteils aus der Schweiz, aber bereits auch mit solchen, die an Ort und Stelle schon hergestellt werden können. Unsere Landsleute, mit denen ich, zusammen mit einigen koreanischen Herren von der Direktion, einen Abend verbrachte, sind vertauensvoll und rühmen die zunehmend gute Zusammenarbeit mit den koreanischen Stellen. Seinerseits spendete der koreanische Direktor dem schweizerischen Team hohes Lob; es beeindrucke durch Sachkenntnis, durch Arbeitseifer und Disziplin, und es wisse mit viel Verständnis die koreanischen Mitarbeiter bestens zu belehren und anzuspornen. Über das Datum der voraussichtlichen offiziellen Eröffnung der Fabrik scheinen noch Unklarheiten zu bestehen, begreiflicherweise, denn es ist unter den gegebenen Umständen wohl nicht möglich, genau zu planen.
Der ebenfalls in Korea anwesend gewesene Vertreter der Lieferfirma, Herr Velan, hat Grund zur Annahme, dass weitere Kredite für Zu- und Nachlieferungen vielleicht nicht notwendig sein werden. Seine Ansicht, dass die Koreaner darauf bedacht seien, keine neuen Schuldverpflichtungen einzugehen sondern weitere Käufe nur nach Massgabe der vorhandenen Devisen zu tätigen, wird auch von andern Gesprächspartnern geteilt. Er rechnet also eher damit, dass die Zulieferungen gegen Barzahlung erfolgen werden. Interessant war, dass der Fabrikdirektor anlässlich des Tischgesprächs sich für die Verzögerung der Fabrikeinrichtung entschuldigte, indem er offen zugab, sein Land habe sich in den letzten Jahren wegen Mangel an Devisen in einer Zwangslage befunden, die nun aber bald überwunden sein werde4.
Zu irgendwelchen Gesprächen mit Ministerien oder Korporationen war der Anlass meines Besuches denkbar ungünstig. Zum vornherein habe ich darauf verzichtet, Termine zu wünschen oder gar zu verlangen, nachdem ich festgestellt hatte, dass unter den Delegationen anderer Länder zwei Staatschefs, mehrere Ministerpräsidenten und zahlreiche Fachminister als Regierungsvertreter erschienen waren. Es schien mir ein Gebot der Höflichkeit zu sein, diesen Persönlichkeiten für Unterredungen mit Regierung und Verwaltung den Vorrang zu lassen ohne zu versuchen, mich auch vorzudrängen. Die Erfahrung einiger Botschafter-Kollegen, die darnach trachteten, haben mich von der Richtigkeit meines Vorgehens überzeugt. Ich werde demnach für bilaterale Gespräche gelegentlich nach Pyongyang zurückkehren müssen5.
Über die Wirtschaftslage Nordkoreas oder über den Stand des neuen Siebenjahresplanes habe ich also keine Informationen aus erster Hand. Noch mehr als im Vorjahr macht der Stand der wirtschaftlichen Entwicklung, soweit in der Stadt und bei Ausflügen aufs Land sichtbar, einen recht blühenden Eindruck, namentlich auch verglichen etwa zu China oder zu gewissen Ländern Südasiens. Die Bevölkerung ist gut gekleidet, offenbar ausreichend ernährt, und für passende Wohnungen ist gesorgt. Die Elektrifizierung soll jetzt das entlegenste Dorf erreicht haben, wird stets mit Stolz versichert. Der nüchterne Schweizer rechnet dabei, wie viel mehr Arbeitsstunden auf den Wirtschaftsaufbau verwendet werden könnten, würde die Pracht der Paraden und Empfänge und der Bau von Prunkbauten eingeschränkt! Es ist ihm auch fremd, warum in jede Stadt, jede Fabrik, jeden landwirtschaftlichen Musterbetrieb ein Museum zu Ehren bzw. zur Verehrung des ganz Grossen gehören soll. Mit seinem Reichtum an Bodenschätzen und seiner zu Arbeit und Disziplin straff erzogenen tüchtigen Bevölkerung wird auch Norkorea ein wirtschaftlich nicht unbedeutendes Land werden, wenn auch nicht, wie es Nationalrat Jean Ziegler nach seinem kürzlichen Besuch6 proklamierte, «das Modell für die Dritte Welt». Aus politischen Gründen nicht. Gerade Vertreter aus der Dritten Welt – von wenigen Ausnahmen abgesehen – stehen der Verehrung des Grossen Führers und dem der Bevölkerung auferlegten unerbittlichen Zwang sehr ablehnend gegenüber. «Diese Woche war der schlimmste Alptraum meines Lebens», meinte einer der Delegierten aus einem sich sozialistisch nennenden Land Asiens bei seiner Abreise aus Pyongyang.
- 1
- Schreiben: CH-BAR#E7110#1989/32#2454* (890.1). Kopie an den Finanz- und Wirtschaftsdienst des Politischen Departements und an das Sekretariat der Geschäftsstelle für Exportrisikogarantie in Zürich. Visiert von H. Hofer, B. von Tscharner und M. Krell.↩
- 2
- Vgl. dazu das Schreiben von W. Sigg an J. Iselin vom 18. September 1978, dodis.ch/50826 sowie das Schreiben von C. van Muyden an A. Weitnauer vom 26. September 1978, dodis.ch/50827.↩
- 3
- Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 91, dodis.ch/39265, Punkt f sowie die Notiz von A. Rüegg vom 18. Mai 1976, dodis.ch/50837.↩
- 4
- Zur nordkoreanischen Schuldenkrise vgl. die Notiz von R. Probst an E. Brugger vom 23. Dezember 1975, dodis.ch/39276; den Politischen Bericht Nr. 4 von H. Langenbacher vom 18. Januar 1977, dodis.ch/50838 sowie die Notiz von B. von Tscharner an P. R. Jolles vom 2. August 1977, dodis.ch/50833.↩
- 5
- Zum Stand der bilateralen Beziehungen vgl. den Schlussbericht von H. Langenbacher vom 4. Februar 1977, dodis.ch/50831.↩
- 6
- Zum Besuch von J. Ziegler bei der schweizerischen NNSC-Delegation in Panmunjom vgl. das Schreiben von C. van Muyden an A. Weitnauer vom 13. August 1978, dodis.ch/50834; die Notiz von J. Ziegler an P. Aubert vom 20. September 1978, dodis.ch/50835 sowie das Schreiben von P. Aubert an R. Gnägi vom 16. Oktober 1978, dodis.ch/50836. Allgemein zur NNSC vgl. die Notiz von C. van Muyden vom 22. März 1976, dodis.ch/50839.↩
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