Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.3 ALLEMAGNE. LES PERSÉCUTIONS ANTISÉMITES
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 12, doc. 450
volume linkBern 1994
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2001D#1000/1553#3823* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2001D(-)1000/1553 163 | |
Titolo dossier | Judenverfolgungen in Deutschland, Allgemeines (1937–1945) | |
Riferimento archivio | B.34.9.05.10 • Componente aggiuntiva: Deutschland |
dodis.ch/46710
Im Nachgang zu meinem Bericht vom 11. dieses Monats2 betreffend die antijüdischen Vorgänge in Deutschland kann ich Ihnen erfreulicherweise melden, dass nach den bis jetzt vorliegenden Mitteilungen der Konsulate, die ich um Bericht gebeten hatte, nur wenige Schweizerbürger zu Schaden gekommen sind. Aus dem Konsularbezirk der Gesandtschaft ist zu dem bereits Berichteten nachzutragen, dass unser Landsmann Alfred Metzger in intensiven Verhandlungen über die Arisierung des Unternehmens steht und nicht weiter behelligt worden ist. Dagegen erhielt Herr Iwan Bloch am 12. dieses Monats spät abends davon Kenntnis, dass Polizeibeamte in seiner Wohnung vorgesprochen haben und ihn hätten abholen wollen. Er flüchtete daraufhin zu einem meiner Mitarbeiter, bei dem er über Nacht blieb, um dann am folgenden Tage nach der Schweiz zu reisen. Die Gesandtschaft veranlasste im Benehmen mit seiner hierher gesandten Schwester, dass die kleinen Kinder mit dem deutschen Kinderfräulein ebenfalls in die Schweiz reisten, wobei sie sich beim Auswärtigen Amt dafür verwendete, dass wegen der Ausreise keine Schwierigkeiten gemacht werden. Seither hat die Gesandtschaft von Herrn Bloch nichts mehr vernommen. Sodann ist die Gesandtschaft zu Gunsten unseres jüdischen Landsmannes Ingenieur Simeon Zipkes vorstellig geworden, der auf die Arbeitsfront zitiert worden war, wo man ihm mit der Geheimen Staatspolizei gedroht und ihn gezwungen hatte ein Schriftstück zu unterzeichnen, wonach er auf die bisher geführte Verwaltung des Hauses einer italienischen Staatsangehörigen verzichte. Zipkes, der ohnedies die Absicht hatte, Ende des Monats in die Schweiz zu reisen, hat nun die Abreise beschleunigt und sich von der Gesandtschaft mit dem Bemerken verabschiedet, dass er nicht weiter behelligt worden sei und ihm auch wegen seines Umzuges keinerlei Schwierigkeiten gemacht wurden.
Unsere Konsulate in Bremen und Hamburg liessen die Gesandtschaft wissen, dass ihnen keine Klagen von Schweizern zugegangen seien. Dagegen sind im Warenhaus Stubsquelle & Co. in Mainz, an dem, wie Sie wissen, zu 80°7b unser übrigens bereits in die Schweiz übersiedelter Landsmann Siegmund Krausz beteiligt ist, die Einrichtung und die Waren im Werte von angeblich 80000 RM zerstört worden. Ausserdem sind in einem Haus in Frankfurt, das einem Herrn Rechtsanwalt Dr. Guggenheim in Zürich gehört, Scheiben eingeschlagen worden, ohne dass aber grösserer Schaden entstanden zu sein scheint dank dem Dazwischentreten der Polizei. In Friedberg im Harz wurde ein Schweizer Student wegen Photographierens zertrümmerter jüdischer Geschäfte verhaftet und auf die Polizei geführt, jedoch dort wieder freigelassen. Auch seinen Apparat erhielt er zurück, während der Film beschlagnahmt wurde.
Betreffend die Ihnen bereits gemeldete Zerstörung der Wohnung unseres Landsmannes Alfred Dreifuss ist nachzutragen, dass sich die Wohnung nicht in Chemnitz, sondern in Erdmannsdorf befindet. Frau Dreifuss hat inzwischen auf unserem Konsulat in Leipzig einen schriftlichen Bericht über den ihr erwachsenen Schaden unterzeichnet, aus dem zu entnehmen ist, dass ausser der völligen Zerstörung des Mobiliars und eines Kachelofens auch eine Kassette mit einer ganzen Anzahl von Schmucksachen, ferner Pelzsachen und Kleider verschwunden sind. Die Polizei hat auf den Schritt des Konsulats bis jetzt noch nicht geantwortet.
Über den von unserem Konsulat in Mannheim gemeldeten Fall des Herrn Dr. Lauer sind Sie bereits unterrichtet. Ausserdem scheint ein Tochterunternehmen der Firma André & Cie. in Lausanne beschädigt worden zu sein, worüber näherer Bericht noch aussteht. Endlich berichtete das Konsulat, dass sein Vertrauensanwalt, Dr. Jordan, der Jude ist, nunmehr sein Mandat mit Ende dieses Monats niederlegen werde.
Zur Ergänzung des Gesagten übermittle ich Ihnen Durchschläge der Berichte unserer Konsulate in Frankfurt vom 11. dieses Monats3 und in Mannheim vom 14. dieses Monats4. Die Generalkonsulate in München und Wien haben Ihnen ihre Berichte direkt gesandt. Herr Konsul von Weiss in Köln hat mit besonderem Eifer Informationen über die Ausschreitungen gesammelt. Ich lasse Ihnen als Stimmungsbild Durchschläge seiner Berichte vom 12.5, 15.6 und 17.5 November zugehen mit dem Hinweis darauf, dass bekanntlich der Berichterstatter etwas dazu neigt, die Dinge allzusehr zu dramatisieren.
Was die von der deutschen Regierung erlassenen Vorschriften betrifft, so übermittle ich Ihnen beigeschlossen Reichsgesetzblatt Teil I Nr. 189 vom 14. dieses Monats. Darin finden sie den Wortlaut der Verordnung über die Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit in der Höhe von einer Milliarde Reichsmark. Ausländische Staatsangehörige werden dadurch nicht berührt. Weiter wurde eine Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November erlassen, wonach mit Wirkung vom 1. Januar den Juden die Führung der dort erwähnten Gewerbebetriebe verboten wird. Vom gleichen Zeitpunkt ab dürfen sie weder Betriebsführer eines Unternehmens noch Mitglied einer Genossenschaft sein. Es bleibt abzuklären, ob und in welcher Weise die Bestimmungen auch auf ausländische Juden Anwendung finden. Endlich wurde eine Verordnung zur Wiederherstellung des Strassenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben erlassen, wonach die geschädigten Inhaber der zerstörten Gewerbebetriebe und Wohnungen verpflichtet sind, selbst die entstandenen Schäden sofort zu beseitigen und wonach Versicherungsansprüche von Juden deutscher Staatsangehörigkeit zu Gunsten des Reiches beschlagnahmt werden. Der Vollständigkeit halber erwähne ich, dass auf Grund einer Verordnung gegen den Waffenbesitz der Juden vom 11. November 1938 (Reichsgesetzblatt Teil I S. 1573) den Juden der Besitz von Waffen und Munition unter Androhung von Geld- und Freiheitsstrafen verboten wurde.
Wegen der Wahrnehmung der Interessen unserer jüdischen Landsleute habe ich mit den hiesigen diplomatischen Vertretungen der Vereinigten Staaten, Grossbritanniens, Frankreichs und der Niederlande Fühlung genommen. Anlässlich einer Vorsprache auf der Amerikanischen Botschaft erfuhr ich, dass in Berlin nur zwei Schadensfälle gemeldet worden sind, bei denen die betroffenen Geschäfte zweifellos in amerikanischem Besitz sind. Bei einem dritten zerstörten Betrieb sind die Eigentumsverhältnisse noch unabgeklärt. Von den verschiedenen Konsulaten liegen zur Zeit Berichte über grössere Schäden nicht vor. Trotz dieser Sachlage hat die Amerikanische Botschaft am 15. November dem Auswärtigen Amt die in Kopie beigeschlossene Verbalnote7 übergeben. Darin wird gesagt, dass die amerikanische Regierung sich alle Rechte wahre im Interesse von amerikanischen Geschäftsbesitzern, die während der antijüdischen Manifestationen zu Schaden gekommen seien. Anlässlich der Vorsprache auf dem Auswärtigen Amt wurde auch die Frage der Anwendung der verschiedenen gegen die Juden gerichteten Erlasse auf ausländische Staatsangehörige erörtert. Der zuständige Referent im Auswärtigen Amt bestätigte, dass ausländische Juden zur Zahlung der Entschädigungssumme von einer Milliarde Reichsmark nicht herangezogen und dass die ihnen zukommenden Versicherungssummen nicht konfisziert würden. Was die Schliessung jüdischer Betriebe auf den 1. Januar anbelangt, so sei vorläufig noch nicht abgeklärt, ob auch ausländische Juden darunter fallen müssen.
Von der Britischen Botschaft erfuhr ich, dass sie ebenfalls eine grundsätzliche Note an die deutsche Regierung gerichtet habe, und zwar unter dem 12. November. Darin wird das Recht der britischen Regierung Vorbehalten, Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Gleichzeitig wurde die Hoffnung ausgedrückt, dass Massnahmen zum Schutze der Interessen britischer Untertanen ergriffen würden. Schadensfälle wurden der Botschaft bisher nur ganz vereinzelt gemeldet.
Wie ich von der Französischen Botschaft erfuhr, sind lediglich in einem unter jüdischer Geschäftsführung stehenden Reisebureau die Fensterscheiben eingeschlagen worden. Diesbezüglich fand nur ein Schritt bei der örtlichen Polizeibehörde statt. An das Auswärtige Amt ist die Botschaft bisher nicht gelangt.
Der niederländische Geschäftsträger ist ebenfalls beim Auswärtigen Amt, und zwar bei Herrn Unterstaatssekretär Woermann vorstellig geworden, um den Schutz seiner Staatsangehörigen gegen weitere Übergriffe nachzusuchen und Auskunft über die sich aus den eingetretenen Schäden ergebenden Fragen zu erlangen. Dabei wurde ihm erklärt, dass ausländischen Juden ihre Versicherungsansprüche ausbezahlt werden. Dagegen dürfte eine anderweitige Entschädigung nicht in Frage kommen, da sonst ja die Schäden doppelt vergütet würden. Jedenfalls sei es angebracht, dass die niederländischen Juden zunächst einmal ihre Versicherungsansprüche geltend machen. Grosses Gewicht legte der niederländische Geschäftsträger darauf, dass die niederländischen Juden nicht gehalten sein sollen, die ihnen zukommenden Versicherungsummen für die Wiederinstandsetzung der zerstörten Geschäfte aufwenden zu müssen, sondern berechtigt seien, anderweitig über diese Beträge zu verfügen. Auch stellte er die Frage, ob die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben ebenfalls für ausländische Juden gelte. Mein erster Mitarbeiter hatte ausser Schritten beim Auswärtigen Amt in verschiedenen Einzelfällen (Metzger, Bloch, Zipkes) auch einen zunächst rein informatorischen Schritt bei Herrn Geheimrat Hinrichs im Auswärtigen Amt unternommen, der das Referat Deutschland, d. h. die Behandlung der innerdeutschen Angelegenheiten, innehat. Dieser gab ihm Kenntnis von dem Bescheid, den der Unterstaatssekretär dem niederländischen Geschäftsträger erteilt hat, mit dem Beifügen, dass wegen den von ihm und von den diplomatischen Vertretern verschiedener anderer Staaten unternommenen Schritten das Auswärtige Amt sich mit dem Beauftragten für den Vierjahresplan zur Abklärung der gestellten Fragen in Verbindung gesetzt habe. Er sei deshalb zur Zeit noch nicht in der Lage; auf diese Fragen weitere Auskunft zu geben, stehe aber, sobald sie intern geklärt seien, gern zur Verfügung. Dabei äusserte er sich auch in allgemeiner Weise über das Vorgehen Deutschlands in der Judenfrage. Aus seinen Ausführungen ergab sich, dass man ein weiteres Verbleiben der Juden in Deutschland nicht mehr wolle. Man müsse sich vergegenwärtigen, dass Deutschland eben mit seinen Juden «Krieg führe». Angesichts der Anhänglichkeit der deutschen Juden an Deutschland, das ihnen klimatisch und wegen der Eigenschaften der deutschen Bevölkerung besonders Zusage, könne nur mit drakonischen Mitteln ihre Auswanderung erzwungen werden. Hätte Deutschland Kolonien oder würden solche ihm zurückgegeben, so könnte man die deutschen Juden dort innerhalb des deutschen Währungsbereiches ansiedeln, sodass sie die Möglichkeit hätten ihr Vermögen mitzunehmen. Ich habe den Eindruck, dass dies aber nur als persönliche Auffassung des betreffenden Sachreferenten anzusehen ist. Ein Transfer der Judenvermögen ins Ausland sei dagegen angesichts der Devisenlage Deutschlands einfach unmöglich. Es könne sich nur darum handeln, gewisse Teilbeträge auszuführen.
Mein Mitarbeiter wies darauf hin, dass auf Grund der eingetretenen Lage die Gesandtschaft den Schweizerjuden den Rat erteilt habe, ihre Rückwanderung in die Schweiz in die Wege zu leiten; jedoch werde man ihnen die nötige Zeit dazu lassen müssen, ihre Existenz hier abzubrechen und den Aufbau einer neuen Existenz in der Schweiz vorzubereiten. Eine gewisse Frist sei auch deshalb nötig, weil der Transfer der Rückwanderervermögen auf Grund der mit Deutschland getroffenen Abmachungen nur allmählich im Rahmen der Verwendungsmöglichkeiten für die von der Gesandtschaft zu übernehmenden Markbeträge möglich sei. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes antwortete, es stehe selbstverständlich nichts im Wege, auf Grund einer gegenseitigen Verständigung unseren Landsleuten die nötigen Fristen einzuräumen.
Es dürfte sich somit empfehlen, zunächst die weiteren Aufschlüsse des Auswärtigen Amtes über die verschiedenen sich stellenden Fragen abzuwarten. Unterdessen werde ich zusammen mit den Konsulaten bemüht sein abzuklären, welche Schäden unseren jüdischen Landsleuten erwachsen sind und wie weit sie durch Versicherungsansprüche gedeckt werden können. Erst wenn dies feststeht, wird zu prüfen sein, ob und in welcher Weise allenfalls versucht werden soll, vom Deutschen Reich Ersatz für den nicht gedeckten Schaden zu erlangen. Indessen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie in der Zwischenzeit die grundsätzliche Frage einer solchen Schadensforderung abklären wollten.
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