Classement thématique série 1848–1945:
IV. RÉFUGIÉS, IMMIGRATION, POLICE DES ÉTRANGERS
IV.1 LA SUISSE ET L'IMMIGRATION JUIVE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 374
volume linkBern 1994
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1552#3207* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 114 | |
Dossier title | Wiedereinführung des Visums für deutsche und österreichische Pässe nach dem Anschluss, Allgemeines (1938–1940) | |
File reference archive | B.44.31.1 • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/46634
Ich beehre mich, den Empfang Ihres Schreibens vom 1. dieses Monats2 betreffend die Kontrolle über die Einreise deutscher Emigranten zu bestätigen, das sich mit meinen Mitteilungen vom gleichen Tage gekreuzt hat3. In der Folge bin ich auch von Herrn Dr. Rothmund über den Schritt des deutschen Gesandten in der gleichen Angelegenheit verständigt worden.
Anknüpfend an jene Unterhaltung eröffnete mir heute Herr Geheimrat Rödiger vom Auswärtigen Amt, dass man deutscherseits die Frage erneut geprüft habe, wie eine allgemeine Wiedereinführung des Sichtvermerkzwanges vermieden werden könne. Um der Schweiz soweit als möglich entgegenzukommen, sei man deutscherseits grundsätzlich bereit, eine Kennzeichnung der an Juden ausgestellten Pässe vorzunehmen, die sich sowohl auf das Altreich als auch auf Österreich und endlich auch auf die im Ausland ausgestellten deutschen Pässe für Juden erstrecken würde. Gleichzeitig wäre die deutsche Regierung damit einverstanden, dass schweizerischerseits für die so gekennzeichneten Pässe der Sichtvermerkzwang eingeführt wird. Allerdings könnte man deutscherseits dabei nicht auf eine gewisse Gegenseitigkeit verzichten. In dieser Beziehung gelang es mir, den Vertreter des Auswärtigen Amtes davon zu überzeugen, dass eine Kennzeichnung der Pässe von schweizerischen Juden aus praktischen und verfassungsmässigen Gründen unmöglich sei. Dagegen wünscht man deutscherseits zum mindesten den Sichtvermerkzwang für Schweizerjuden vorzuschreiben, ohne dass eine Mitwirkung schweizerischer Behörden bei der Durchführung Platz zu greifen hätte.
Für die Kennzeichnung der Judenpässe wurden mir zwei Vorschläge vorgelegt, von denen wohl nur der zweite, übrigens auch nach der Ansicht des Auswärtigen Amtes, durchführbar ist. Der erste geht nämlich dahin, die Unterstreichung der Vornamen, die sonst mit schwarzer Tinte vorgenommen wird, bei den Juden mit roter Tinte vorzunehmen. Dabei besteht auf jeden Fall die Gefahr, dass die Inhaber nachher die Striche mit schwarzer Tinte überstreichen. Dagegen geht der zweite Vorschlag dahin, auf der ersten Seite des Passes links oben einen Stempel anzubringen, bestehend aus einem Kreis von ca. 2 cm Durchmesser und dem Buchstaben J oder allenfalls auch einem anderen Zeichen, wozu wir noch Wünsche äussern können. Ich habe den Eindruck, dass diese Kennzeichnung unseren Bedürfnissen vollauf genügen würde. Sie würde bei neu auszustellenden Pässen sofort angebracht werden und bei den bereits im Umlauf befindlichen sobald der Pass in die Hände der Passbehörden kommt.
In formeller Beziehung würde wohl eine Vereinbarung in der Form eines neuen Notenwechsels zur Abänderung bezw. Ergänzung der Vereinbarung über die Aufhebung des Sichtvermerkzwanges von 1926 notwendig sein, über deren Wortlaut man sich noch zu einigen hätte sobald feststeht, dass die beiden Regierungen grundsätzlich einig sind.
Ich bin der Auffassung, dass die deutsche Regierung uns mit ihrem Vorschlag sehr weit entgegenkommt und dass die von ihr vorgeschlagene Lösung für uns annehmbar ist. Sie bringt die verlangte hundertprozentige Kontrolle über die Zureise nichtarischer Emigranten und ermöglicht eine rasche Abfertigung an der Grenze, wo lediglich das Vorhandensein des Stempels auf der ersten Seite und gegebenenfalls des Sichtvermerks festgestellt werden muss.
Auch die von der deutschen Regierung aus begreiflichen Gründen gewünschte teilweise Gegenseitigkeit scheint mir tragbar. Die Zahl der schweizerischen Juden, die unter den heutigen Verhältnissen ein Bedürfnis haben nach Deutschland zu reisen, dürfte gering sein. Es wurde mir erklärt, dass die Einführung des Sichtvermerkzwanges für sie durchaus nicht bezwecke, ihnen die Einreise zu verunmöglichen. Lediglich die dauernde Niederlassung neuzureisender ausländischer Juden in Deutschland werde als unerwünscht betrachtet. Die Möglichkeit sie zu verhindern, haben die deutschen Behörden auch ohne Sichtvermerkzwang in den Händen.
Ein Bedenken, das ich auch bei der Besprechung zum Ausdruck brachte, besteht darin, dass übereifrige deutsche Behörden versucht sein könnten, arischen schweizerischen Staatsangehörigen wegen ihres äusseren Aussehens mangels eines Visums Schwierigkeiten zu machen. Das Auswärtige Amt ist jedoch durchaus bereit, die erforderlichen Weisungen zu veranlassen, damit das Entstehen von derartigen Zwischenfällen, die im beiderseitigen Interesse höchst unerwünscht wären, vermieden werde. Wie man mir sagte, dürfte sich die Sache praktisch so machen, dass in Fällen, wo eine deutsche Behörde den Eindruck erhält, dass ein Schweizerjude ohne Visum nach Deutschland reise, Erkundigungen durch die zuständige deutsche Vertretung in der Schweiz über die Person des Betreffenden eingezogen würden und dieser, wenn sich herausstellen sollte, dass er nichtarischer Abstammung ist, die Grenzsperre zu gewärtigen hätte.
Ich wäre Ihnen nun sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie die deutschen Vorschläge prüfen und mir sobald als möglich mitteilen wollten, ob Sie mit der ins Auge gefassten Lösung einverstanden sind, damit als dann die schriftliche Formulierung vorbereitet und die Neuregelung so rasch als möglich in Kraft gesetzt werden kann.
P.S. Wie ich bei dieser Gelegenheit hörte, ist beabsichtigt, die Bestimmungen über die kennzeichnenden jüdischen Vornamen auch auf Österreich auszudehnen und wenn irgend möglich dort auf den gleichen Zeitpunkt wie für das alte Reich in Kraft zu setzen. Der Grund, warum die Verordnung nicht von Anfang an für Österreich Geltung erhielt, ist ein rein formeller und liegt darin, dass das Gesetz, auf dem sie beruht, vor dem Anschluss erlassen wurde und daher erst in Österreich ausdrücklich in Kraft gesetzt werden muss.
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