Classement thématique série 1848–1945:
I. SOCIÉTÉ DES NATIONS
4. Conflit italo-éthiopien, sanctions; venue du Négus en Suisse; manifestation de journalistes italiens à la SdN; reconnaissance de l’Ethiopie italienne
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 11, doc. 316
volume linkBern 1989
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1551#851* | |
Dossier title | Anerkennung der italienischen Souveränität in Aethiopien, Allgemeines (1936–1938) | |
File reference archive | B.15.41.3 • Additional component: Italien |
dodis.ch/46237
Von den Fragen, die an mich gelangten, seitdem Ihr Vertrauen Sie veranlasste, mich für den Römer Posten in Vorschlag zu bringen, haben mich wenige mehr beschäftigt als diejenige unserer Haltung in der Frage der Anerkennung des italienischen Imperiums in Äthiopien2. Die Verantwortung, in dieser Frage zu einer klaren Schlussfolgerung zu gelangen, ist nicht leicht. Auch ist es nicht angängig, einen Entscheid zu fällen, ohne sämtliche Folgen unserer Stellungnahme, soweit sie sich überblicken lassen, zu bewerten.
Es ist – auch in einem Teil der französischen Rechtspresse – gesagt worden, dass die Verweigerung der Anerkennung des italienischen Imperiums einer Carossen-Streitigkeit des 18. Jahrhunderts gleiche. Dies mag, wie die Dinge liegen, der Fall sein. Immerhin muss diese Angelegenheit faktisch Bedeutung gewinnen, seitdem unser westlicher Nachbar, Frankreich, sich in die Weigerung der Anerkennung zurzeit soweit verrannt hat, dass es unter Missachtung wichtiger Interessen seinen Botschafter in Rom abberufen hat, auf die Gefahr hin, dessen Nachfolger in einem wesentlichen Augenblick zurzeit nicht akkreditieren zu können3. (Freilich wird meiner Überzeugung nach gegenüber diesem Missgriff die Überlegung des Quai d’Orsay die Oberhand gewinnen). Eine Anerkennung des Status quo durch die Schweiz kann somit ziemlich heftigen Angriffen des «front populaire» und dessen geistigen Verbündeten ausserhalb und auch innerhalb unserer Grenzen rufen. Auch ist es denkbar – wenn auch nicht sicher – dass eine gewisse momentane Verstimmung bei den angelsächsischen Staaten Platz greift, die in Zeiten der Gefahr für uns einen gewissen Sicherheitsfaktor bilden kann. Abgesehen hievon mag auch folgender Überlegung ein gewisses Gewicht zukommen: Die Schweiz hat bei der Anerkennung neuer Staaten und neuer Regierungsformen nicht stets in erster Linie gestanden. Ihre Anerkennung hat Gewicht und wird umworben. Zwar wurde z. B. die portugiesische Republik von uns zuerst anerkannt4; demgegenüber erfolgte die Anerkennung der Republik Spanien5 in einem gewissen Abstand gegenüber ändern Staaten, und auch staatliche Neubildungen der Nachkriegszeit, wie im Baltikum6, vermochten uns nicht zu einer raschen Stellungnahme zu veranlassen. Diese gewissermassen traditionelle Bedächtigkeit habe ich übrigens bereits gegenüber den hiesigen Stimmen angeführt, die der Hoffnung auf eine baldige Anerkennung des Imperiums durch die Schweiz Ausdruck gaben.
Wenn trotzdem meines Erachtens überwiegende Gründe für die baldige offizielle Anerkennung des italienischen Imperiums in Äthiopien sprechen, so sind diese Gründe folgende.
1.) Vom Standpunkt der italienisch-schweizerischen Beziehungen aus, die durch die letzten Erklärungen des italienischen Regierungschefs gefestigt wurden7, wäre eine Stellungnahme der Schweiz, die auf grundsätzlichen Erwägungen fussend zur Anerkennung führte, zweifelsohne ein bemerkenswerter Aktivposten. Bei meiner letzten Demarche in der Angelegenheit der «SERET»8 wurde mir bestätigt, dass der italienische Regierungschef der Frage der Anerkennung eine «massima importanza» beimesse und dass die Lösung dieses Problems u. a. deshalb ihm so wichtig erscheine, weil es die Rückkehr Italiens in die europäischen Angelegenheiten erleichtere.
2.) Was die schweizerischen Interessen in Äthiopien anbetrifft, so bedeutet die Anerkennung des gegenwärtigen Status wohl nicht nur eine Erleichterung, sondern die Vorbedingung einer wirksamen Vertretung derselben. Hierbei ist nicht nur, auch nicht in erster Linie, an die «SERET» zu denken, deren Ansprüche praktisch möglicherweise zu nicht mehr als einer Entschädigung führen werden, sondern an die industrielle Mitwirkung schweizerischer Firmen und Mitglieder der Schweizerkolonie in Italien an der «Valorisierung» Äthiopiens, zu der Deutschland Zugeständnisse gemacht worden sind.
Ich möchte indessen hervorheben, dass so viel Beachtung diese Interessen auch verdienen mögen, und so sehr auch deren Vertretung (vielleicht mehr als andere Argumente) in der öffentlichen Meinung gewürdigt werden mag, dieselben für die prinzipielle Entscheidung unseres Landes nicht ausschlaggebend sein dürfen. In einem durch seine Rückwirkungen möglicherweise sehr wichtigen Entscheid dürfen nur stichhaltige, grundsätzliche Erwägungen eine Rolle spielen, materielle Gründe wohl nur insoweit als sie den erstem nicht gegenüberstehen, sondern parallel laufen. Meines Erachtens ist das letztere der Fall, indem sehr erhebliche Argumente allgemeiner Art für eine Rechtshandlung der Schweiz in der Richtung der Anerkennung sprechen.
3.) Ein Hauptargument für eine positive Stellungnahme der Schweiz dürfte indessen, alles abgewogen, in der Erwägung der Richtlinie liegen, die unser Land im italienisch-äthiopischen Streitfall konstant beibehalten hat. Diese Richtlinie ging darauf aus, die Gegensätze nicht zu verschärfen, sondern zu mildern und namentlich in kritischen Momenten nach Möglichkeit vermittelnd einzugreifen. Da die Frage der Anerkennung über den Charakter einer formalen Streitigkeit hinaus politischen Anstrich gewinnt, kann die Stellungnahme der Schweiz die Entwicklung fördern und somit auf längere Sicht befreiend und befriedend wirken.
Der autonome Akt einer Anerkennung durch die Schweiz scheint keineswegs unseren Verpflichtungen gegenüber dem Völkerbund zuwiderzulaufen. Meines Wissens ist – sollte ich mich irren, wäre ich um Berichtigung dankbar – in Genf nicht irgendwie vorgesehen worden, dass die Mitgliedstaaten ihre Anerkennung verweigern sollten (und durch den südamerikanischen Pakt Saavedra-Lamas9 ist die Schweiz nicht gebunden). Im Gegenteil, es wurden im September seitens des Völkerbundssekretariats Anstalten getroffen, um durch die geplante Verweigerung der Zulassung der äthiopischen Delegation der Anerkennung des Imperiums immerhin Vorschub zu leisten10. Das bekannte sovietrussische Manöver hat diese Pläne vereitelt und die Trennung zwischen Rom und dem Völkerbund verschärft11. Es liegt somit zurzeit bei der individuellen Initiative der Mitgliedstaaten, der notwendigen Anerkennung bestehender Tatsachen vorzuarbeiten.
Auch moralisch wäre ein zuerst gefasster Entscheid der Schweiz nicht im Widerspruch zu unserer Auffassung der Haltung unserer Solidaritätsverpflichtungen gegenüber dem Völkerbund. Seit Beginn unserer Mitgliedschaft am Völkerbund hat die Schweiz das grösste Gewicht auf die Anwendung und den Ausbau des Artikels 19 des Paktes12 (Revision bestehender territorialer Verhältnisse) gelegt. Entgegen der Erwartung wurde durch die Praxis der Völkerbundsmächte dieses Sicherheitsventil nicht geöffnet, sondern gesperrt; dies ist einer der Gründe der gefährlichen Entwicklung der letzten Jahre und des leider in steigendem Masse festgestellten Formalismus im Procedere der Völkerbundsinteressen.
Ein Entscheid in der Frage der Anerkennung des neuen Zustands in Äthiopien entspräche unserer traditionellen Haltung, die ein Erstarren in veralteten Formen ablehnt.
4.) Endlich liegt es im Bereich der Möglichkeit, dass letzten Endes – wenn auch wahrscheinlich nicht sofort – unsere Haltung auch von den Mächten gewürdigt wird, die zurzeit die Anerkennung verweigern, resp. deren Erteilung verzögern und an gewisse Vorteile knüpfen wollen. Ein gewisser Missmut dürfte sich äussern, ebenso wie er sich äusserte als Sie, Herr Bundesrat, in der ersten Völkerbundsversammlung für die Aufnahme Deutschlands eintraten13 oder als Sie, im September 1923, Bedenken gegen die Aufnahme Äthiopiens äusserten14 und als Sie 1934 gegen die Aufnahme Russlands in Genf scharf Stellung nahmen15. In all diesen Fällen gab die Geschichte der Schweiz Recht, und der Missmut wich der Achtung vor unserer Haltung.
Letzten Endes kann es den Regierungen mancher Staaten nur erwünscht sein, dass die Stellungnahme der Schweiz ihren eigenen und doch unabweislichen Beschlüssen als Präzedenzfall den Weg ebnet.
Aus den vorstehenden Erwägungen beehre ich mich, auf den Vorschlag zurückzukommen, den ich Ihnen in meinem Bericht vom 31. v. Mts.16 unterbreitete: es möchte der prinzipielle Beschluss gefasst werden – dessen Ausführung sich verzögern liesse und weitere Studien ermöglichen würde – in Addis-Abeba eine konsularische Vertretung zu errichten. Ein solcher grundsätzlicher Beschluss könnte, wenn der Bundesrat einer baldigen formellen Anerkennung des italienischen Imperiums in Äthiopien abgeneigt wäre, doch – in anderer und allgemeiner Form gefasst und unter Umständen nicht notifiziert – die Bedeutung haben, dieser Anerkennung, die doch einmal kommen muss, die Bahn zu ebnen.
- 1
- E 2001 (D) 1/32. Zur Anerkennung des italienischen Imperiums in Äthiopien. Annotation marginale de Motta: Die Frage ist so wichtig dass wir dem Bundesrat Bericht erstatten sollten. Aber wie, in welchem Sinne? Die Idee der grundsätzlichen Errichtung eines Konsulats gefällt mir wenig. 16. XI. 36.↩
- 2
- Cf. aussi no 310.↩
- 3
- L’ambassadeur Ch. de Chambrun a été rappelé le 31 octobre. Pendant deux ans, la France va être représentée à Rome par un chargé d’affaires, le conseiller d’ambassade J. Blondel.↩
- 4
- Le 11 octobre 1910. Cf. DDS vol. 5, nos 277-279 (dodis.ch/43132, dodis.ch/43133, dodis.ch/43134). ↩
- 5
- Le 21 avril 1931, le Conseil fédéral avait reconnu le gouvernement républicain comme gouvernement provisoire, après la France et une série d’autres Etats. Cf. PVCF no 673 du même jour (E 1004 1/327).↩
- 6
- En 1918–1919, le Conseil fédéral n’avait reconnu aucun des nouveaux Etats baltes. Pour la Lituanie, cf. DDS vol. 7-1, nos 54 et 55. Pour la Lettonie (Latvia), cf. DDS vol. 7-II, no 191 dodis.ch/44402. ↩
- 7
- Cf. le discours prononcé par Mussolini à Milan, le 1er novembre: Uno dei paesi confinanti con l’Italia e con il quale le nostre relazioni furono, sono e saranno sempre estremamente amichevoli, è la Svizzera. Paese piccolo, ma di una importanza grandissima e per la composizione sua etnica e per la posizione geografica ehe occupa nel quadrivio d’Europa. Le 3 novembre, dans une lettre à G. Motta, le ministre Ruegger a commenté ainsi ce passage du discours de Mussolini: Les deux phrases que M. Mussolini consacre aux rapports italo-suisses ont toutes les deux été méditées. Dans la première, il est mis fin, d’une façon qui exclut toute velléité contraire, aux contrastes qui, quoiqu’on en dise, se sont produits du fait du prolongement des sanctions. Ce sont, d’autre part, les remerciements dus à l’action conciliatrice de la Suisse et la réplique à vos interventions à Genève, faites dans un esprit d’apaisement. La seconde phrase est – pour ceux que cela concerne – la manifestation de la volonté du Chef qu’on ne discute plus notre composition ethnique. A deux reprises, vis-à-vis de mon prédécesseur et de moi-même, M. Mussolini avait dit qu’il attendrait pour choisir le moment de marquer à nouveau sa désapprobation de menées irrédentistes. Il a tenu parole. Je souhaiterais très vivement que la presse suisse comprît et soulignât ces passages d’une importance capitale. Ainsi que je viens de le dire à M. le Ministre Bonna, j’ai envoyé aussitôt après le discours un télégramme à M. Mussolini... D’autre part, j’ai également écrit au Comte Ciano, Ministre des Affaires Etrangères, que je souhaite voir associé, au seuil de sa nouvelle carrière, aussi étroitement que son beau-père, à l’idée de l’amitié italo-suisse. (E 2300Rom, Archiv-Nr. 36.)↩
- 8
- Cf. no 310, n. 2 et annexe.↩
- 9
- Cf no 257, n.6.↩
- 10
- En septembre, le secrétaire général de la SdN, J. Avenol, s’est rendu à Rome où il s’est entretenu a vec Mussolini et Ciano au sujet de la collaboration de l’Italie à la SdN. Sur ces entretiens, cf. la lettre de E. de Haller, membre de la Section des Mandats du Secrétariat de la SdN, à P. Bonna, du 16 septembre: Il[Avenol]a nettement dit au Comte Ciano et au Duce qu’il serait impossible d’obtenir de l’Assemblée l’escamotage formel de l’Ethiopie; que, par contre, il résultait de l’étude qu’il avait personnellement faite que le Négus, en tant que souverain ayant quitté son pays, ne pouvait valablement accréditer des délégués. Le Secrétaire général a rapporté de Rome l’impression que l’Italie se contentera d’une absence de toute délégation éthiopienne, ou d’un rapport négatif de la commission de vérification des pouvoirs si une délégation éthiopienne se présente. Dans ce cas, la délégation italienne prendrait place à l’Assemblée déjà mardi, c’est-à-dire le lendemain de l’ouverture. Je crois que le Secrétaire général pense qu’il n’y aura pas de difficultés à l’Assemblée au sujet de cette question des pouvoirs d’une délégation éthiopienne éventuelle: la «pilule» a été avalée au mois de juillet et ce qu’on désire maintenant, c’est de travailler avec l’Italie.[...] (E 2001 (C) 4/92). Sur le voyage à Rome du secrétaire général de la SdN, cf. aussi la déclaration faite par J. Avenol, le 18 septembre, au Conseil de la SdN (JO. SDN, novembre 1936, p. 1139).↩
- 11
- Après l’ouverture, le 21 septembre, de la dix-septième session ordinaire de l’Assemblée, la commission chargée de la vérification des pouvoirs des délégués à la SdN, a présenté son rapport à l’Assemblée le 23 septembre. Ce rapport écarte l’idée de demander à la Cour de La Haye un avis consultatif sur le point de savoir si, eu égard à la situation en Ethiopie, les pouvoirs conférés par Hailé Sélassié à la délégation éthiopienne à Genève, peuvent être considérés comme valables. Dans son rapport, la commission est parvenue aux conclusions suivantes: ... l’opinion a finalement prévalu que le recours à La Haye n’aurait pas de signification pratique et que, dès lors, la meilleure solution serait de proposer à l’Assemblée de considérer les pleins pouvoirs présentés par la délégation éthiopienne, malgré le doute qui pèse sur leur régularité, comme suffisants pour permettre à cette délégation de siéger à la présente session. Cette opinion a reçu l’approbation unanime de la Commission, qui, pour l’adopter, a tenu compte de la considération que le doute dont il a été question doit profiter à ceux sur qui il pèse, et aussi de celle qu’étant donné la situation actuelle en Ethiopie, en s’arrêtant à la solution indiquée, valable uniquement pour la présente session, on ne préjuge en quoi que ce soit de l’avenir. Le 23 septembre, lors du vote concernant le rapport présenté par la commission de vérification des pouvoirs, rapport accepté par la majorité des membres de l’Assemblée, la délégation suisse s’est abstenue, et Motta a expliqué par une brève déclaration l’attitude de la Suisse (JO. SDN, 1936, Supplément spécial no 155, pp. 40–42).↩
- 12
- Cf. annexe I au no 287, n. 24.↩
- 13
- Le 15 décembre 1920, au cours d’un discours prononcé au sujet de l’admission de l’Autriche dans la SdN.↩
- 14
- Motta avait formulé ses réserves, les 19 et 20 septembre 1923, devant la sixième commission de l’Assemblée, chargée des questions politiques, qui étudiait la demande d’admission présentée par l’Ethiopie à la SdN (JO. SDN, 1923, Supplément spécial no 19, pp. 12ss.). Le 28 septembre suivant, l’Assemblée avait décidé à l’unanimité d’admettre l’Ethiopie dans la SdN (JO. SDN, 1923, Supplément spécial no 13, pp. 125–126).↩
- 15
- Cf. no 62, n.10.↩
- 16
- Cf. no 310, n.l.↩