Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
VIII. RHEINZENTRALKOMMISSION
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 447
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001C#1000/1541#154* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(C)1000/1541 12 | |
Dossier title | Vertrag mit Deutschland vom 28.3.1929 über die Rheinregulierung (1926–1930) | |
File reference archive | C.13.24.042 |
dodis.ch/45464
Ich beehre mich, Ihnen nachstehend über die Besprechungen betreffend das Traktandum «aménagement du Rhin», die in der Rhein-Zentralkommission einerseits, zwischen den beteiligten Delegationen anderseits, stattgefunden haben, Bericht zu erstatten.
Auftragsgemäss habe ich in der Zentralkommission darauf hingewiesen, dass der Bundesrat bereits mit Note vom 7. Juni d.J.1 der französischen Regierung einen zwischen der Schweiz und Deutschland vorbereiteten Vertragsentwurf über die Ausführung der Rheinregulierung unterbreitet hat mit der Einladung zu Verhandlungen über diesen Entwurf zwischen den drei beteiligten Staaten. Ich erinnerte dabei an den Wortlaut der Resolution der Rhein-Zentralkommission vom 29. April 1925, Ziffer 3, wonach «die Uferstaaten sich bemühen werden, die Art und Weise ihrer technischen und behördlichen Mitarbeit durch ein Abkommen zu regeln, das spätestens sechs Monate nach der Überreichung von Vorschlägen seitens eines der genannten Staaten getroffen sein wird...» und sprach die Erwartung aus, dass die Aufnahme der geplanten Verhandlungen zwischen den drei beteiligten Staaten keine weitere Verzögerung mehr erfahre.
Laut Sitzungsprotokoll der Rhein-Zentralkommission antwortete darauf Herr Fromageot, im Namen der französischen Delegation, folgendes:
«M. Fromageot, Commissaire de France répondant à M. Herold en ce qui concerne la régularisation, rappelle qu’aux termes de la résolution du 29 avril 1925, la Commission a subordonné son approbation à la conclusion d’un accord entre l’Allemagne et la Suisse comportant un engagement:
a) de prendre les dispositions nécessaires pour que la navigation ne subisse aucune gêne appréciable pendant les travaux de régularisation du fait de celle-ci;
b) de remédier à leurs propres frais aux conséquences dommageables qui résulteraient, pour la partie de la voie navigable déjà régularisée en aval de Strasbourg, de l’exécution de la réalisation des travaux de régularisation en amont de Strasbourg.
D’après les explications fournies par M. Herold, cet accord serait sur le point d’aboutir, mais ne serait pas encore intervenu. Lorsqu’il sera réalisé, le texte devrait en être communiqué à la Commission centrale. Mais, tant qu’il n’est pas intervenu, il serait prématuré, aux termes mêmes de la résolution de 1925, de considérer qu’on se trouve en présence d’un projet complet et approuvé.»
Die weitere Aussprache über das Traktandum wurde auf Verlangen der deutschen Delegation, die erklärte, nicht auf eine derartige Diskussion vorbereitet zu sein, auf eine spätere Sitzung der Kommission verschoben. Da das Traktandum bereits am ersten Sitzungstage zur Sprache gekommen war, hatte in der Tat eine vorherige Fühlungnahme zwischen den beteiligten Delegationen nicht stattfinden können.
In einer vertraulichen Besprechung teilte mir in der Folge der deutsche Delegierte, Herr Seeliger, mit, dass die deutsche Regierung mit dem Vorgehen des Bundesrates in der Angelegenheit sich nicht einverstanden erklären könne. Die deutsche Regierung sei überrascht gewesen, der Note des Politischen Departements vom 7. Juni d.J. zu entnehmen, dass der Bundesrat die französische Regierung zur Aufnahme von Verhandlungen «zu Dritt» eingeladen habe, ohne vorher - wie es zwischen der schweizerischen und deutschen Delegation in Berlin vereinbart worden war - mit der deutschen Regierung die bisherigen schweizerisch-deutschen Abmachungen in Form eines Vertrages festzulegen. In deutschen Kreisen sei es etwas übel vermerkt worden, dass der Bundesrat, nachdem er die Berliner Vereinbarung glaubte ablehnen zu müssen, nicht neuerdings - vor weitern Schritten bei der französischen Regierung - mit Deutschland in Verbindung getreten sei.
Ich unterliess natürlich nicht, Herrn Seeliger auf die internen Schwierigkeiten hinzuweisen, denen der Bundesrat in der Angelegenheit gegenüberstand. Ich vertrat ferner den Standpunkt, dass der Bundesrat es wohl deshalb nicht für unerlässlich gehalten hatte, mit Deutschland neue Verhandlungen anzuknüpfen, da er ja in seiner Note sich mit den getroffenen Abmachungen «grundsätzlich» einverstanden erklären konnte und sich ferner von dem Bestreben leiten liess, die Angelegenheit möglichst zu beschleunigen2. Herr Seeliger erklärte indessen, dass die deutsche Regierung auf den Abschluss des erwähnten Vertrages nach wie vor entscheidendes Gewicht lege und sehr wahrscheinlich den deutschen Gesandten in Bern demnächst beauftragen werde, dem Bundesrat ihren Standpunkt in der Angelegenheit auseinanderzusetzen.
Wenig erfreulich verlief leider auch meine Besprechung mit dem französischen Delegierten Herrn Dreyfus. (Herr Fromageot hatte in der Zwischenzeit Strassburg verlassen.) Er erklärte, dass er sich wohl für eine möglichst baldige Beantwortung unserer Note vom 7. Juni. d.J. einsetzen werde, dass hingegen die französische Regierung voraussichtlich in ihrer Antwortnote genau den Standpunkt vertreten werde, wie er von Herrn Fromageot vorgetragen worden sei3. Frankreich betrachte den Abschluss der in Ziffer II der Resolution von 1925 vorgesehenen Vereinbarung zwischen der Schweiz und Deutschland über die Aufrechterhaltung der Schiffahrt während der Ausführung der Regulierungsarbeiten und betreffend Übernahme der Kosten für allfällige schädliche Folgen dieser Arbeiten auf der Strecke unterhalb Strassburg als unerlässliche Vorbedingung der Verhandlungen «zu Dritt». Es stütze sich dabei auf den Wortlaut der erwähnten Resolution selbst, der die Genehmigung des Regulierungsprojektes durch die Kommission ausdrücklich vom Zustandekommen eines entsprechenden Abkommens zwischen der Schweiz und Deutschland abhängig mache.
Die Aussprache, die im Anschluss an diese Fühlungnahme zwischen den beteiligten Delegationen gestern in der Kommission stattfand, brachte nicht mehr viel Neues. Ich beschränkte mich darauf, zu erklären, dass in bezug auf die Auslegung der Resolution der Rhein-Zentralkommission vom 29. April 1925 offenbar Meinungsverschiedenheiten zwischen der schweizerischen und französischen Delegation bestehen. Es werde Sache der beteiligten Regierungen sein, sich über die streitigen Punkte zu einigen. Da die französische Delegation ihre Antwortnote für die allernächsten Tage in Aussicht gestellt habe, bestehe immerhin die Hoffnung, dass in absehbarer Zeit weitere Fortschritte in der Angelegenheit erzielt werden können.
Herr Dreyfus bestätigte im Namen der französischen Delegation, dass die Antwortnote der französischen Regierung nicht mehr länger werde auf sich warten lassen. Nebenbei erwähnte er, dass die Verzögerung, welche die Beantwortung unserer Note gefunden habe, kaum wesentlich sei, wenn man bedenke, dass die Resolution der Kommission im Jahre 1925 gefasst worden sei, die Schweiz also mithin 3 Jahre benötigt habe, um mit Vorschlägen an die französische Regierung zu gelangen. Die oben erwähnten Ausführungen des Herrn Fromageot korrigierte er insoweit, als er betonte, die Weiterführung der Verhandlungen zur Ausführung der Regulierung sei ausschliesslich Sache der beteiligten Staaten; die Rhein-Zentralkommission habe sich weiter nicht mehr mit der Angelegenheit zu befassen.
Bei der Sachlage wird meines Erachtens nichts anderes übrig bleiben, als die Verhandlungen mit Deutschland neuerdings aufzunehmen um zu versuchen, eine Einigung betreffend die Übernahme der Haftung für allfällige Schädigungen des Regulierungswerkes unterhalb Strassburg durch die geplanten Arbeiten auf der oberen Strecke herbeizuführen. Nach wie vor wird meines Erachtens schweizerischerseits die Übernahme auch nur eines Teils dieser Haftung kaum in Frage kommen können. Es wird dagegen damit zu rechnen sein, dass Deutschland sich nur dann dazu entschliessen wird, die Gesamthaftung für diese Schäden zu übernehmen, wenn die Schweiz ihrerseits einer entsprechenden Erhöhung ihres Beitrages an die Kosten des Regulierungswerkes zustimmt und ausserdem sich bereit erklären wird, die bisherigen Abmachungen mit Deutschland in Form eines Vertrages festzulegen. Aus den Besprechungen mit der französischen Delegation ging jedenfalls klar hervor, dass von Frankreich jegliche Beteiligung an der Schadenshaftung abgelehnt wird. In Anlehnung an einen schon früher von der französischen Delegation geltend gemachten Standpunkt betonte Herr Dreyfus, dass seines Erachtens die Schweiz sich anschicke, den Rhein zwischen Strassburg und Basel zu verderben und dass es Frankreich kaum zugemutet werden könne, auch die unterhalb Strassburg zu erwartenden Schädigungen ohne Entgelt in Kauf zu nehmen4.