Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
IX. LANDESVERSORGUNG
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 412
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E27#1000/721#3835* | |
Old classification | CH-BAR E 27(-)1000/721 652 | |
Dossier title | Versorgung der Armee mit Lebensmitteln und Fourage (1850–1950) | |
File reference archive | 03.C.7.b |
dodis.ch/43267
Aufzeichnung des Chefs der Generalstabsabteilung, Th. von Sprecher1
GETREIDEVERSORGUNG DER SCHWEIZ IM KRIEGSFÄLLE
Im Januar 1914 erschienen im Berner Tagblatt einige anonyme Artikel (Verf. Oberst a.D. Ludwig v. Tscharner in Bern) durch die dargelegt wurde, die Schweiz könnte und sollte sich die Achtung ihrer Neutralität durch die Nachbarmächte dadurch sichern, dass sie sich verpflichtete, deren Verwundete und Kranke im Kriegsfälle bei sich aufzunehmen und zu verpflegen.
Diese Artikel gaben dem französischen Botschafter, Mr. Beau, Anlass, dem Bundespräsidenten Dr. Hoffmann gelegentlich eines ändern Gespräches zu eröffnen, Frankreich wäre bereit, uns die Zufuhr von Getreide über gewisse französische Atlantik-Häfen (Bordeaux und Nantes) im Kriegsfall zu garantieren. Es könne das tun, weil sein Verbündeter England die See beherrsche und mit der freien Zufuhr einverstanden wäre.
Im Aufträge des Politischen Departements verhandelte ich dann mit dem französischen Militârattaché, Commdt. Pageot, am 25. April über das für Getreidetransporte einzuhaltende Verfahren und berichtete über das Ergebnis der mündlichen Unterhandlung am 23. April an das Politische und das Militär-Departement.
Bundesrat Hoffmann teilte mir mit, er werde im Einverständnis des Bundesrates dem deutschen Gesandten von dem französischen Angebot Kenntnis geben und die Frage stellen, ob wir uns seitens Deutschlands eines gleichen Entgegenkommens versehen könnten. Am l.Mai fand die betreffende Unterredung zwischen Bundesrat Hoffmann und dem Gesandten Freiherr von Romberg statt. Romberg frug sofort, ob Frankreich Bedingungen für die Bewilligung resp. Zusage gestellt habe; dies konnte schlechthin verneint werden. Er erklärte dann, dem Auswärtigen Amt berichten zu wollen, und am 25. Mai langte eine erste Antwort von Berlin ein, dahingehend, der Generalstabschef v. Moltke sei abwesend und Bethmann Hollweg, der Reichskanzler, durch den kürzlich erfolgten Hinschied seiner Frau von den Geschäften ferngehalten. Vorläufig aber wurde berichtet, man sehe einstweilen, nähere Prüfung Vorbehalten, kein Hindernis, dass die Rheinroute und die beiderseitigen Eisenbahnen für unsre Getreidetransporte ab Holland oder Belgien für uns freigegeben würden, und es würde auch darauf verzichten, Beschlag auf für uns in Deutschland liegendes Getreide und Kohlen zu legen. - Schon am 26. Mai langte die schriftliche Bestätigung der Zusage ein (man habe Moltke noch vor seiner Abreise zur Generalstabsreise konsultieren können), die durch v. Romberg mündlich dem Präsidenten Hoffmann noch gleichen Tages eröffnet wurde, und zwar wurde nicht nur obiges bestätigt, sondern auch erklärt, Deutschland werde eignes Rohmaterial zur Verfügung stellen oder uns gestatten, mit unserm Rohmaterial die Transporte hereinzubringen. Die Gefahr zur See wollte Romberg nicht als ernstlich ansehen; es sei nicht wohl möglich, alle Nordseehäfen zu blockieren; übrigens neige England jetzt auch einer wesentlichen Einschränkung des Prisenrechtes zu. (Rede von Lord Grey 1914, April oder Mai.)
Ich erwähnte bei der Besprechung vom 29. Mai d. J. mit Bundespräsident Hoffmann nochmals die Wünschbarkeit, von England direkt eine Mitteilung über den Standpunkt zu erhalten, den dieser Staat in Bezug auf die Beschlagnahme von Getreidetransporten für die Neutralen einnehmen werde. Die Schwierigkeit einer Sondierung in dieser Richtung hegt natürlich darin, dass Frankreich davon Wind bekommen und sich verletzt fühlen könnte, wenn wir bei seiner Zusicherung des englischen Schutzes für unsre Transporte uns nicht beruhigen würden. Der Bundespräsident wird sich diese Frage noch überlegen.
- 1
- (Kopie): E 27, Archiv-Nr. 3835 Bd. 3.↩
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