Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 74
volume linkBern 1983
more… |Die Schweiz und die Konstruktion des Multilateralismus, Bd. 1. Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte des Internationalismus 1863–1914, vol. 13, doc. 33
volume linkBern 2023
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E14#1000/39#1171* | |
Old classification | CH-BAR E 14(-)1000/39 78 | |
Dossier title | Internationaler Kongress für Expansion der Weltwirtschaft, Mons 1905 (1908–1915) |
dodis.ch/42929Antrag des Vorstehers des Departements des Innern, Bundesrat Forrer, an den Bundesrat1
[Schweizerische Teilnahme am internationalen Weltwirtschaftskongress in Mons 1905]
Die Einladung zur Beschickung des Kongresses in Mons, welche die belgische Regierung durch ihren hiesigen Vertreter an den Bundesrat gerichtet hat,2 ist in erster Linie unserem Departement zum Bericht zugewiesen worden, um alsdann den beiden Departementen der Industrie und des Handels, sowie der Finanzen und der Zölle zum Mitbericht zugestellt zu werden.
Das Programm des Kongresses3 ist ein so weites, ja geradezu kolossales, dass, bei der Nähe des Eröffnungstermins, ein sachliches Gelingen absolut ausgeschlossen ist. Der Gedanke liegt nahe, dass der Kongress irgend einem nicht bekannt gegebenen Zwecke dienen soll. Um uns darüber Klarheit zu verschaffen, haben wir, wie Ihnen bereits bekannt, Herrn Dr. Milliet, dem zu diesem Behuf vom Finanzdepartement Urlaub erteilt wurde, in vertraulicher Mission nach Brüssel gesandt.4 Was dabei Herr Milliet erfuhr (s. sein Bericht),5 gibt unserer Vermutung Recht. Es ist dem belgischen König6 daran gelegen, dass seine Kongo-Politik verherrlicht werde. Ursprünglich war geplant, dass dies von einem der vielen Kongresse, welche dieses Jahr in Verbindung mit der sogenannten Weltausstellung in Lüttich stattfinden, besorgt werde. Der König befürchtet jedoch, dass es diesfalls in Lüttich, wo die Kongresse auf freiester Basis organisiert sind, schief gehen und insbesondere die Opposition gegen jene seine Kolonialpolitik sich in unerwünschtem Masse geltend machen könnte. Deshalb veranstaltet er nun den ausschliesslich amtlichen Charakter tragenden Extra-Kongress in Mons, unter der Vorgabe, dass dieser südlich gelegenen wallonischen Stadt anlässlich des fünfundsiebzigjährigen Jubiläums des Bestandes des belgischen Staates auch etwas geboten werden müsse. Wir werden also tatsächlich einen Kolonialkongress in Mons erleben, mit grossem offiziellem Gepränge, aber ohne anderen ernstlichen Inhalt als den, wie gesagt, der Verherrlichung der belgischen Kongo-Politik.
Unter diesen Umständen haben wir dort eigentlich nichts zu tun.
Nun lässt aber die Note der belgischen Gesandtschaft7 sehr deutlich durchblicken, dass die Beschickung des Kongresses durch die Staaten ein ganz persönlicher Wunsch des Königs sei. Dieser Umstand hat uns veranlasst, uns in vertraulichem Rundschreiben an unsere Vertreter in den vier Nachbarstaaten und in England zu wenden, um zu erfahren, was man in Ansehung des Kongresses dort zu tun gedenke. Wir legen Ihnen die bis heute eingegangenen Berichte vor.8 Es steht nicht viel darin. Immerhin ist soviel liquid, dass man überall von dem Projekt wenig erbaut ist und den Kongress lieber nicht beschicken möchte, dass aber jedenfalls Paris und Rom Delegierte entsenden werden, um dem belgischen Staatsoberhaupt angenehm zu sein.
Wir halten nun dafür, dass diese letztere Erwägung auch für uns massgebend sein soll, indem uns die belgische Regierung vor nicht langer Zeit (Vertretung unserer Interessen in Rom nach dem diplomatischen Bruch wegen Silvestrelli)9 eine grosse Gefälligkeit erwiesen hat, und betreffend Lüttich unser Verhalten ein ablehnendes war.
Fachmänner oder Professoren zu entsenden hat keinen Sinn und wäre die reinste Komödie. Höchstens ein Vertreter der Statistik wäre dort allenfalls am Platze. Unsere Statistiker sind aber gerade im September und Oktober dieses Jahres, wegen der eidgenössischen Betriebszählung, sonst schon sehr in Anspruch genommen.
So kommen wir dazu, unsern Generalkonsul in Brüssel, Herrn Dr. Borel, als Delegierten vorzuschlagen.
1) Als schweizerischer Delegierter an den Kongress in Mons wird Herr Generalkonsul Dr. Borel in Brüssel bezeichnet und dem belgischen Gesandten in Bern unter Verdankung der Einladung davon Mitteilung gemacht, Herr Borel ist von der Ernennung in Kenntnis zu setzen.10
2) Mitt[ei]l[un]g an das Departement des Innern, unter Rückschluss der Akten, und an das Finanzdepartement.
Beilage: der Aktenfaszikel Kongress Mons
Nicht ins Bulletin.
- 1
- CH-BAR#E14#1000/39#1171*, DDS, Bd. 5, Dok. 74. Dieser Antrag wurde vom Vorsteher des Departements des Innern, Bundesrat Ludwig Forrer, unterzeichnet und an der Sitzung des Bundesrats vom 2. Mai 1905 behandelt, vgl. das BR-Prot. Nr. 2058 vom 2. Mai 1905, CH-BAR#E1004.1#1000/9#9635*. Der Vorsteher des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartements, Bundesrat Adolf Deucher, fügte am 24. April dem Antrag folgende Bemerkung hinzu: Pol[itisch]. Bern, 24. A[pril]. [19]05 Dem Berichte habe nichts beizufügen. Einverstanden: Deucher. Der Vorsteher des Finanz- und Zolldepartements, Bundesrat Robert Comtesse, signierte mit: D’accord! Comtesse.↩
- 2
- Note von Gontran de Lichtervelde an Bundespräsident Marc Ruchet vom 14. März 1905, CH-BAR#E14#1000/39#1171*.↩
- 3
- Für das Kongressprogramm vgl. das Dossier CH-BAR#E14#1000/39#1171*.↩
- 4
- Vgl. dazu das BR-Prot. Nr. 1589 vom 4. April 1904, CH-BAR#E1004.1#1000/9#9627*.↩
- 5
- Vgl. das Schreiben von Edmund Milliet an Bundesrat Forrer vom 22. März 1905, CH-BAR#E1004.1#1000/9#9627*. Darin schreibt Milliet: Dr. Borel[Generalkonsul in Brüssel]rieth sehr zu einer Betheiligung der Schweiz. Er sprach sein Bedauern aus, dass zum Beispiel niemand zur Zuckerkonferenz gekommen sei; dadurch sei die Sache für uns schwieriger geworden. In hiesigen offiziellen Kreisen halte man uns für ein sehr tüchtiges, aber nicht sehr höfliches und dankbares Volk.[...] Im Silvestrellihandel habe man die Hilfe Belgiens (Vertretung der schweizerischen Interessen in Rom während des Interregnums) gesucht und gefunden. ↩
- 6
- König Leopold II.↩
- 7
- Note von Gontran de Lichtervelde an Bundespräsident Marc Ruchet vom 14. März 1905, CH-BAR#E14#1000/39#1171*.↩
- 8
- Für das Rundschreiben des Departements des Innern an die schweizerischen Vertretungen in Berlin, London, Wien, Rom und Paris vom 15. März 1904 sowie die Antwortschreiben vgl. das Dossier CH-BAR#E14#1000/39#1171*.↩
- 9
- Zur Silvestrelli-Affäre vgl. die Zusammenstellung dodis.ch/C2458.↩
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Democratic Republic of the Congo (General) Colonization and Decolonization