Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
2. Allemagne
2.3. Fortifications de Huningue
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 4, doc. 372
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#9237* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 17.01.-20.01.1902 (1902–1902) |
dodis.ch/42782
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 17 janvier 19021
196. Deutsche Festungswerke in der Nähe von Basel
Procès-verbal de la séance du 17 janvier 19021
In jüngster Zeit war in den Zeitungen vielfach davon die Rede, dass Deutschland beabsichtige, auf der Anhöhe von Lüllingen oberhalb Riehen Festungswerke zu errichten. Vermessungen, welche im vorigen Sommer von deutschen Offizieren in jener Gegend vorgenommen wurden, scheinen zu diesem Gerücht Anlass gegeben zu haben.
Die Regierung des Kantons Baselstadt hat mit Schreiben vom 14. Dezember 19012 den Bundesrat ersucht ihr mitzuteilen, was ihm über die Richtigkeit dieser Annahme etwa bekannt geworden sein möchte, und ferner zu erwägen, ob nicht einer in der That bestehenden Absicht, Befestigungen auf Tüllingen anzulegen, durch geeignete Schritte könnte begegnet werden.
Das politische Departement sah sich daher veranlasst, am 17. Dezember abhin3 den schweizerischen Gesandten in Berlin zu ersuchen, sich unter der Hand – d. h. ohne eine direkte Anfrage an die deutsche Regierung zu richten – zu erkundigen, was in Wirklichkeit von deutscher Seite geplant sei.
Auch das eidgenössische Militärdepartement hat sich mit dieser Angelegenheit befasst und dem politischen Departement am 18. Dezember einen Bericht des Generalstabsbureaus vom 17. Dezember4 übermittelt.
Das politische Departement geht mit der in diesem Berichte vertretenen Ansicht einig, wonach – in Ermangelung internationaler Abmachungen – Deutschland auf dem rechten Rheinufer so viel Festungen errichten darf, als es ihm beliebt, ohne dass die Schweiz dagegen Widerspruch erheben könnte. Anders liegen dagegen die Verhältnisse auf dem linken Rheinufer, auf elsässischem Gebiete. Hier dürfen nach dem klaren Wortlaut des Pariser Vertrages vom 20. November 1815 (Art. 3, Abs. I)5 keine Festungswerke errichtet werden. Anderer Meinung scheint jedoch die deutsche Regierung zu sein.
Am 28. Dezember hat der deutsche Gesandte, Hr. von Bülow, dem Sekretär des politischen Departements eine ihm von seiner Regierung zugestellte Denkschrift vorgelesen6, in welcher der Standpunkt vertreten wird:
1) dass, wenn Deutschland zur Errichtung von Festungswerken in Hüningen schreiten sollte, die Schweiz keinen Widerspruch dagegen erheben dürfte. Die Schweiz sei nämlich bei dem Vertrag von 1815 nicht beteiligt gewesen und besitze daher keine Aktiv-Legitimation, um sich wegen Aufhebung der Hüninger Klausel zu beschweren.
Zur Unterstützung dieser Ansicht verweist die deutsche Denkschrift u. a. auf Holtzendorffs Handbuch des Völkerrechtes, III, S. 79;
2) dass Art. 3, Absatz 1, des zweiten Pariser Friedens vom 20. November 1815 hinfällig geworden sei, weil die Umstände sich seither völlig verändert hätten. Deutschland sei von Beifort her bedroht und müsse auf eine wirksame Verteidigung seiner Grenze Bedacht nehmen. Moltke habe dem Grundsatz gehuldigt, dass bei Ausbruch eines Krieges rasch die Offensive zu ergreifen sei, daher auf die Errichtung von Festungswerken keinen grossen Wert gelegt; heute herrschten aber im deutschen Generalstab andere Ansichten.
Zur Begründung der Ansicht, dass veränderte Umstände das Erlöschen eines Vertrages zur Folge haben können, werden in der deutschen Denkschrift u.a. citiert:
S. Rivier, II, S. 128; Holtzendorff III, S. 81; von Martens, Bd.I, 427; Calvo, III, 403; Pradier-Fodéré, II, 928.
Inzwischen (13. Januar) hat Hr. Minister Roth in Berlin beim Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Freiherrn von Richthofen, privatim Schritte getan, um zu erfahren, ob wirklich beabsichtigt sei, die Tüllinger Anhöhe zu befestigen.
Freiherr von Richthofen gab ihm folgenden Bescheid7:
«Hr. Minister von Bülow habe die Angelegenheit vor wenigen Tagen zum Gegenstand einer Besprechung mit dem Hrn. Bundespräsidenten gemacht. Vorderhand liege absolut kein Grund vor, derselben diplomatisch näher zu treten; sie befinde sich noch im ersten Stadium der Vorprüfung durch die militärischen Sachverständigen; es stehe für den Moment noch nicht annähernd fest, ob und eventuell was und wann und wo gebaut werden solle. Hr. Minister Roth möge ihm daher erlauben, auf eine weitere Besprechung der Frage nicht einzugehen, sei es doch also keineswegs ausgeschlossen, dass er sich andernfalls in die Behandlung eines Falles einlassen würde, der gar nicht eintreten werde.
Im Vorbeigehen liess er dann allerdings noch die Bemerkung fallen, man vertrete übrigens im Auswärtigen Amte die Auffassung, es würde der Errichtung des in Frage liegenden Festungswerkes ‹nichts entgegenstehen›. Aus noch ändern, leicht hingeworfenen Andeutungen des Staatssekretärs, glaube Hr. Minister Roth ferner den Schluss ziehen zu sollen, dass wir uns täuschen würden, wollten wir annehmen, Deutschland erachte sich ohne weiteres als gebunden, die einschlägigen Stipulationen des 1815er Vertrages betreffend das linke Rheinufer (Hüningen etc.) als Rechtsnachfolger von Frankreich einzuhalten, seien doch – bemerkte von Richthofen – die Grenzverhältnisse im allgemeinen ganz andere geworden.
Damit hatte unsere Konversation über diesen Gegenstand ein Ende genommen, denn die Art und Weise, wie ich dieselbe veranlasst und eingeleitet hatte – bemerkt Hr. Minister Roth – und ferner auch der von Freiherr von Richthofen in so bestimmter Form ausgesprochene Wunsch, sich auf obige Mitteilungen beschränken zu dürfen, liess es mir als nicht angezeigt erscheinen, weitere Fragen an ihn zu stellen oder mit ihm sogar contradiktorisch über die von ihm gestreiften Rechtsfragen zu verhandeln.
Es würde für mich von grossem Interesse und wohl auch der eventuell später meiner Gesandtschaft zufallenden offiziösen oder offiziellen Behandlung dieser Frage förderlich sein, wenn Sie die Güte haben wollten, mir genauer mitzuteilen, wie Hr. von Bülow sich dort hat vernehmen lassen.»
Wenn heute nicht annähernd feststeht, ob und eventuell was und wo gebaut werden soll, so fragt sich das politische Departement, warum sich die deutsche Regierung veranlasst gesehen hat, in einem Memorandum ihre rechtliche Auffassung betreffend die Hüninger Klausel darzulegen und sie – wenn auch auf indirektem Wege – dem Bundesrat zur Kenntnis zu bringen. Diese Mitteilungen hatten doch, wie übrigens Hr. von Bülow deutlich zu verstehen gab, den Zweck, den Bundesrat zu veranlassen, ebenfalls seine Ansichten kundzugeben, um sich vielleicht danach so oder anders zu verhalten.
Bei dieser Sachlage ist das Departement der Ansicht, dass der Bundesrat nicht zögern sollte, die deutsche Regierung wissen zu lassen, welchen Standpunkt er in der Hüninger Festungsfrage vertritt, damit nicht etwa aus seinem Stillschweigen geschlossen werde, dass er mit den im deutschen Memorandum entwickelten Ansichten einig gehe.
Nach Einsicht der vom politischen Departement gegebenen historischen Darstellung der Angelegenheit und seines rechtlichen Exposés wird antragsgemäss beschlossen, es sei an Hrn. Minister Roth in Berlin durch das politische Departement folgendes Schreiben zu richten:
«Herr Minister,
Wir haben Ihre Berichte vom 17. und 31. Dezember 1901 und vom 4. Januar ds. Js.8, betreffend die Angelegenheit der eventuellen Befestigung der Tüllingerhöhe bei Basel erhalten.
Wir sind nun in der Lage, Ihnen folgende Mitteilungen zu machen:
Am 28. Dezember abhin hat der deutsche Gesandte Herr von Bülow beim Sekretär des Politischen Departements vorgesprochen und ihm ein Memorandum vorgelesen, in welchem die rechtliche Auffassung der deutschen Regierung bezüglich der durch Art. 3 des zweiten Pariser Friedens vom 20. November 1815 zu Gunsten der Schweiz begründeten Staatsdienstbarkeit unter vielfachen Hinweisen auf die Meinung hervorragender Völkerrechtslehrer dar gelegt ist. Die deutsche Regierung vertritt den Standpunkt:
1) dass der Schweiz für den Fall, dass DeutschlandHüningen befestigen würde, kein Widerspruchsrecht zustände, da sie bei dem Vertrage vom 20. November 1815 nicht beteiligt gewesen sei;
2) dass die Hüninger Klausel hinfällig geworden sei, weil sich die Umstände seit 1815 verändert hätten.
Herr von Biilow machte diese Mitteilungen nicht direkt dem Herrn Bundespräsidenten, um wie er sagte, seinem Schritt einen rein privaten Charakter zu bewahren. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass die deutsche Regierung damit beabsichtigte, dem Bundesrate von ihrer Auffassung Kenntnis zu geben und ihm Gelegenheit zu bieten, seine Ansichten ebenfalls kund zu thun.
Wir haben uns daher veranlasst gesehen, dieser Frage näher zu treten und sie zum Gegenstand eines Berichtes an den Bundesrat zu machen, von welchem wir hier eine Abschrift beilegen.
Der Bundesrat geht mit der in diesem Berichte vertretenen Auffassung über die Rechtsstellung der Schweiz in betreff der Nichtbefestigung Hüningens einig und hat gefunden, dass wir, obwohl es nach den Versicherungen des Freiherrn von Richthofen noch nicht feststeht, ob und eventuell was und wo gebaut werden wird, nicht zögern sollten, der deutschen Regierung unsere Auffassung mitzuteilen. Es gilt hier insbesondere mit Entschiedenheit dem gefährlichen Princip entgegenzutreten, dass Staatsverträge durch ‹Änderung der Umstände› ohne weiteres dahinfallen.
Erhaltenem Aufträge zufolge möchten wir Sie demnach ersuchen, sich zu dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes zu verfügen und ihm zu eröffnen, dass der Bundesrat folgenden Standpunkt vertritt:
Der zwischen Österreich, Preussen, Russland und Grossbritannien einerseits, und Frankreich andererseits, abgeschlossene Vertrag vom 20. November 1815 habe der Schweiz ein Recht darauf eingeräumt, dass auf elsässischem Gebiet in einem Umkreise von drei französischen Meilen um Basel keine Festungen errichtet werden.
Dieses Rechtsverhältnis stelle sich als eine Staatsdienstbarkeit dar, welche das Deutsche Reich im Jahre 1871 infolge der Erwerbung des belasteten Gebiets der schweizerischen Eidgenossenschaft gegenüber übernommen habe.
Die Hüninger Klausel bestehe noch zu Recht, indem sie durch die seit 1815 eingetretenen politischen Umwälzungen nicht habe affiziert werden können.
Es erscheine als rechtlich nicht zulässig, dass sich Deutschland einseitig vom Vertrage lossage.
Zur Begründung dieser Ansicht verweisen wir auf die in unserem Berichte an den Bundesrat enthaltenen historischen und rechtlichen Ausführungen.
Mit Bezug auf Tüllingen geben wir zu, dass in Ermangelung vertraglicher Abmachungen wir von Deutschland nichts fordern können. Hier kommen lediglich freundnachbarliche Rücksichten in Betracht, und wir geben uns der zuversichtlichen Hoffnung hin, dass aus diesen Rücksichten schon Deutschland sich enthalten wird, Festungen in so unmittelbarer Nähe einer der bedeutendsten Städte der Schweiz anzulegen.
Ihrem Berichte über die Ausführung dieses Auftrages entgegensehend, benutzen wir diesen Anlass, etc.»
Das politische Departement hat seinem Berichte noch folgende Aktenstücke9 beigefügt, welche es im Bundesarchiv vorgefunden hat, nachdem sein Bericht schon verfasst war:
a) einen Bericht des Bundesarchivars Dr. Kaiser vom 26. Juni 1871 über die vertragsrechtliche Stellung der Schweiz in betreff der Festung Hüningen;
b) ein von Prof. Vogt dem politischen Departement erstattetes Rechtsgutachten betreffend die Hüninger Festungsfrage vom 3. Juli 187110.
Auch von diesen Schriftstücken sind Kopien dem Hrn. Minister Roth zu seiner Orientierung zu übermitteln.
- 1
- E 1004 1/208.↩
- 2
- Cf. E 2001 (A)/220.↩
- 3
- Ibid.↩
- 4
- Ibid.↩
- 5
- Voici le texte de cette clause: Les fortifications d’Huningue ayant été constamment un objet d’inquiétude pour la ville de Bâle, les hautes Parties contractantes, pour donner à la Confédération helvétique une nouvelle preuve de leur bienveillance et de leur sollicitude, sont convenues entre Elles de faire démolir les fortifications d’Huningue; et le Gouvernement français s’engage, par le même motif, à ne les rétablir dans aucun temps, et à ne point les remplacer par d’autres fortifications à une distance moindre que trois lieues de la ville de Bâle. Cité dans le rapport du Bureau d’Etat-major du 17 décembre 1901 (E 27 23307).↩
- 6
- Cf. (E 2001 (A) 220).↩
- 8
- Cf. E 2001 (A) 200.↩
- 9
- Ibid.↩
- 10
- Cf. E 2/1772.↩
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