Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 4, doc. 21
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#1236* | |
Dossier title | Wien, Politische Berichte und Briefe, Militär- und Konsularberichte, Band 25 (1890–1892) |
dodis.ch/42431
So sehr auch alle Welt darüber im Klaren sein darf, dass durch den Rücktritt des Fürsten Bismarck vom Reichskanzleramt eine Änderung in den Beziehungen der drei centraleuropäischen Friedensmächte nicht eingetreten sei, schien es mir doch wünschbar, noch die Ansichten unseres Ministers des Äussern hierüber zu vernehmen. Beim gestrigen Empfang lenkte ich daher die Unterredung auf diesen Gegenstand, über welchen sich Graf Kälnoky ungefähr in folgender Weise aussprach.
Der Rücktritt des Fürsten Bismarck sei doch nicht so überraschend eingetreten. Schon bei seinem vorgerückten Alter habe man voraussehen können, dass er in nicht zu ferner Zeit der Leitung der politischen Angelegenheiten des Deutschen Reiches entrückt werde. Indem man sich mit diesem Gedanken vertraut gemacht, habe man gleichzeitig die Beruhigung hegen dürfen, dass die bestehenden internationalen Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn dadurch nicht tangirt werden, indem sie in so hohem Masse in den allgemeinen politischen Verhältnissen Europa’s und in den tiefsten Interessen der beiden Mächte begründet seien und nicht bloss von den Monarchen, sondern auch, im grossen und ganzen, von den Bevölkerungen getragen werden, dass deren Fortdauer als ausser allem Zweifel liegend betrachtet werden musste. Von dem neuen Deutschen Reichskanzler lässt sich in der That auch sagen, dass er sich bisher in der auswärtigen Politik ganz in den Geleisen seines Vorgängers bewegt habe und keinerlei Vermuthung begründet werden könnte, dass er neue aufsuchen werde. Auch das selbständige Auftreten des jugendlichen deutschen Kaisers, der ganz den von seinen Vorgängern eingenommenen Standpunkt theile, könne zu keinen Besorgnissen Veranlassung geben, zumal er gegenwärtig vorab mit den innern Angelegenheiten des Reiches beschäftigt sei. Wenn er sich aber veranlasst glauben sollte, auch in die Allianz berührenden, auswärtigen einzugreifen, so dürfte man doch versichert sein, dass es nicht ohne Übereinstimmung mit dem Kaiser Franz Joseph geschehen würde, da die persönlichen Verhältnisse der beiden Monarchen so intim seien, dass ein einseitiges Vorgehen des Kaisers Wilhelm ganz ausgeschlossen erscheine. Da die Aufrechterhaltung des Friedens ein so eminentes Interesse für Österreich-Ungarn darbiete, liege daher eine Garantie für letztere gerade auch in den persönlichen Beziehungen der beiden Monarchen. Auch die Verhältnisse beider Mächte zu Italien seien durchaus die gleichen geblieben, wie sie es vor dem Rücktritt des Fürsten Bismarck waren.
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