Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 26, Dok. 121
volume linkZürich/Locarno/Genève 2018
Mehr… |▼▶Aufbewahrungsort
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001E-01#1987/78#1001* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(E)-01/1987/78 265 | |
Dossiertitel | Äthiopische Geldanlagen in der Schweiz, u.a. Hailé Selassié, Kaiser, etc.: Band 1, 1.4. - 31.12.1974; Band 2, 1.1. - 31.12.1975 (1973–1975) | |
Aktenzeichen Archiv | C.41.129.1.(20) |
dodis.ch/38888 Der Direktor der Direktion für Völkerrecht des Politischen Departements, E. Diez, an den schweizerischen Botschafter in Addis Abeba, H. Langenbacher1
Lieber Heinz,
Wie Du ja aus unseren Telegrammen2 erfahren hast, werde ich die ominöse äthiopische Delegation empfangen müssen. Aus den Gründen, die auch in Deinem Schreiben vom 18. November3 dargelegt sind, bin ich in keiner Weise unglücklich, dass dieser Besuch verschoben wurde. Ich glaube, dass ein nütz liches Gespräch nur dann zustande kommt, wenn die äthiopische Seite möglichst gut dokumentiert ist. Dein Gespräch mit dem äthiopischen Rechtsberater4 lässt immerhin hoffen, dass wenigstens von dieser Seite ein gewisser Wille zur Objektivität besteht.
Wie Du ja weisst, werden wir zur Auffindung des Geldes im Grunde genommen nichts beitragen können5. Wir müssen uns deshalb darauf beschränken, die schweizerische Rechtslage zu erklären6, wobei immerhin einige nicht zum vornherein aussichtslose Möglichkeiten bestehen, an das Geld heranzukommen, zum Beispiel Eigentumsklage. Dies setzt aber natürlich den eindeutigen Nachweis der Verfügungsberechtigung, bzw. des Eigentumsrechts voraus. Gerade hier sehe ich aber sehr grosse Schwierigkeiten angesichts der sehr wenig überblickbaren Verhältnisse in Addis Abeba und der meines Erachtens immer klarer werdenden Unstabilität des heutigen Regimes7. Nicht nur wir, sondern vor allem auch die Banken werden sich davor hüten müssen, das Geld, soweit es dem äthiopischen Staat gehört, an irgendwelche Leute auszuhändigen, die in kurzer Zeit wieder von der politischen Bühne verschwinden und das Geld mit ihnen. Schon allein dies auferlegt uns eine ausserordentliche Vorsicht, auch in bezug auf allfällige Empfehlungen an die Banken, da sonst der Bund später direkt schadenersatzpflichtig gemacht werden könnte. Zieht man alle diese Dinge in Betracht, so scheint das Problem im Moment beinahe unlösbar. Ich hoffe deshalb wirklich, dass die Zeit Rat bringt. Die Verschiebung auf ein Datum nach dem 9. Dezember ist aber nicht etwa taktisch bedingt. Vom 26. November an bin ich für eine Woche in Berlin bei Hans Miesch, um dort die zweite Verhandlungsrunde für die Entschädigungen in der DDR8 zu führen; auch dies übrigens eine höchst undankbare und unsichere Angelegenheit. Die Woche darauf habe ich, vor allem auch weil ich die vergangene Woche vom 18. November im Hinblick auf den äthiopischen Besuch weitgehend frei gehalten habe, bereits soviele einzelne Engagements, dass ich mich zu wenig frei halten könnte. Nach dem 18. Dezember werde ich für etwa einen Monat nicht mehr greifbar sein, da wir zu Beginn des neuen Jahres eine Landesverteidigungsübung haben.
Ich gebe mir durchaus der grossen Schwierigkeiten Rechenschaft, die sich für Dich und Deine Mission in Äthiopien im Zusammenhang mit dem Kaiservermögen ergeben. Ich weiss auch, dass es leicht ist, vom sicheren Schreibtisch in Bern aus gute Ratschläge zu erteilen. Ich verzichte deshalb bewusst darauf. Meine Zeilen wollten Dir nur in Ergänzung der etwas rudimentären Telegramme einen Hinweis auf meine persönliche Auffassung geben.
Rosi und ich denken viel an Euch und hoffen, dass diese schwierige Periode bald vorübergeht. Mit herzlichen Grüssen von Haus zu Haus bin ich Dein [EmanuelDiez
- 1
- Schreiben (Kopie): CH-BAR#E2001E-01#1987/78#1001* (C.41.129.1.(20)). Dieses Exemplar ging an M. Gelzer.↩
- 2
- Vgl. Doss. wie Anm. 1.↩
- 3
- Schreiben von H. Langenbacher an E. Diez vom 18. November 1974, dodis.ch/39803. Vgl. dazu auch DDS, Bd. 26, Dok. 119, dodis.ch/38887, bes. Anm. 4.↩
- 5
- Zur Problematik des angeblich in der Schweiz angelegten Vermögens von Haile Selassie vgl. das Schreiben von H. Schärer an E. Thalmann vom 24. September 1974, dodis.ch/39792; das Schreiben H. Langenbacher an E. Thalmann vom 7. Oktober 1974, dodis.ch/39794; das Telegramm Nr. 293 von H. Langenbacher an das Politische Departement vom 10. Oktober 1974, dodis.ch/39797; die Schreiben von H. Langenbacher an E. Thalmann vom 14. Oktober 1974, dodis.ch/39799 und vom 15. November 1974, dodis.ch/39802; das Schreiben von H. Langenbacher an E. Diez vom 25. Februar 1975, dodis.ch/39805 sowie das Schreiben von H. Langenbacher an P. Graber vom 20. Mai 1975, dodis.ch/39806.↩
- 6
- Vgl. dazu das Memorandum der schweizerischen Botschaft in Addis Abeba vom 1. Oktober 1974, dodis.ch/39795; das Rundschreiben von H. Langenbacher vom 3. Oktober 1973, dodis.ch/39796 sowie das Interview mit H. Langenbacher vom November 1974, dodis.ch/39800.↩
- 7
- Vgl. dazu die Notiz von J.-J. Indermühle vom 18. November 1974, dodis.ch/39804 sowie das Schreiben von H. Langenbacher an E. Thalmann vom 9. Dezember 1974, dodis.ch/39789. Zu den Auswirkungen der politischen Situation auf die Entwicklungszusammenarbeit vgl. DDS, Bd. 26, Dok. 131, dodis.ch/38889.↩
- 8
- Zu den vermögensrechtlichen Verhandlungen mit der DDR vgl. DDS, Bd. 26, Dok. 150, dodis.ch/39074, Punkt 1 sowie DDS, Bd. 26, Dok. 160, dodis.ch/38322, Punkt 1.↩
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