dodis.ch/31456

Notiz für den Vorsteher des Politischen Departements, F. T. Wahlen1

Notiz betreffend die Wahrung fremder Interessen2

In den letzten Monaten ist der Tätigkeitsbereich auf dem Gebiet der Wahrung fremder Interessen erweitert worden.

Die im Frühjahr bekundete Absicht Deutschlands, diplomatische Beziehungen mit Israel anzuknüpfen3, hat die bekannten Reaktionen in der arabischen Welt hervorgerufen4. Anlässlich der Zusammenkunft der arabischen Aussenminister am 14. und 15. März 1965 in Kairo wurde empfohlen, dass die diplomatischen Beziehungen mit der Bundesrepublik abgebrochen werden sollen5. Der Beschluss wurde während den anschliessenden Wochen von einigen arabischen Ländern in die Tat umgesetzt.

Unser Land wurde alsdann von der Bundesrepublik Deutschland ausersehen, ihre Interessen in Algerien6 wahrzunehmen. Fast gleichzeitig ersuchte uns Irak um Übernahme der Vertretung seiner Interessen in Bonn7. Durch die beidseitige Zustimmung des Bundesrates bot sich wiederum eine willkommene Gelegenheit, den Wert der schweizerischen Neutralität auf weltweiter Ebene zur Wirkung zu bringen. Die Tatsache, dass uns diesmal ein arabischer Staat um die Wahrung seiner Interessen in Deutschland ersuchte, stellt insofern ein neues positives Element dar, als wir damit ein wichtiges mittelöstliches Land in einem wichtigen westlichen Land vertreten, also nicht mehr so einseitig als Schutzmacht des Westens dastehen8.

Mit der Übernahme dieser zwei Mandate ist die Zahl der Länder, deren Interessen wir wahren, auf siebzehn angewachsen. (Vgl. beiliegende Liste9.)

Unsere guten Dienste werden in Kuba10 aktiv fortgesetzt, wo die Wahrung der Interessen der USA und von neun südamerikanischen Staaten11 unserem Lande ein wichtiges diplomatisches Tätigkeitsfeld in einem Teil der Welt eröffnet, auf den sich zufolge der Ereignisse in der dominikanischen Republik12 die Aufmerksamkeit erneut konzentriert hat.

Als illustratives Beispiel sei erwähnt, dass sich unsere Botschaft in Kuba mit den Fällen von verhafteten amerikanischen Staatsangehörigen, so von zwei Vertretern der Mission der Baptistenkirche, zu befassen hat13.

P. S.

Es erhebt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob unsere Tätigkeit auf diesem Gebiet – ein wichtiges Element unserer aktiven Neutralitätspolitik – im In- und Ausland genügend publik gemacht wird14. Gerade im Ausland könnte angesichts der z. T. unberechtigten Kritiken an unserer neutralen Haltung, die oft als «Drückebergerei»15 hingestellt wird, durch unsere Vertretungen vermehrt auf diese Dienste hingewiesen werden, beispielsweise auch durch Orientierung von Journalisten der betreffenden Länder. Auch im Inland könnte eventuell die Presse eingehender auf diese Aktivität aufmerksam gemacht werden16. Zweifellos wäre z. B. die «Neue Zürcher Zeitung» bereit, sich diesem Problem einmal speziell zu widmen. Die parlamentarische Diskussion könnte hiezu Gelegenheit bieten.