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Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 23, doc. 16
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2804#1971/2#175* | |
Old classification | CH-BAR E 2804(-)1971/2 29 | |
Dossier title | Nationalrätliche Kommission für auswärtige Angelegenheiten: Sitzungsprotokolle (1961–1965) | |
File reference archive | 041.2 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1978/84#7157* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1978/84 437 | |
Dossier title | Militärdienstpflicht der Schweizer in den USA (1964–1967) | |
File reference archive | B.37.21.0 • Additional component: Vereinigte Staaten von Amerika |
dodis.ch/30942 Notiz des Stellvertreters des Chefs der Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements, R. Probst1 Nationalrätliche Kommission für Auswärtiges. Beantwortung der Fragen von Herrn Sauser vom 5. Februar betreffend Militärdienst von Schweizern in den Vereinigten Staaten2
Frage a
Das Politische Departement hat sich seit Jahren dauernd mit dem Problem der jungen Schweizer beschäftigt, die sich vermittelst eines Einwanderungsvisums nach den Vereinigten Staaten begeben und dort in der Folge teils zum Militärdienst in den amerikanischen Streitkräften einberufen werden3, obwohl der schweizerisch-amerikanische Vertrag von 18504 bestimmt, dass die Bürger jedes der beiden Vertragsstaaten vom Militärdienst im anderen Staate befreit sein sollen.
Die Bestrebungen des Departements und die unablässigen Demarchen unserer Botschaft in Washington scheinen nun allmählich doch Früchte zu tragen. Das amerikanische Staatsdepartement ist in der Tat, wie bekannt, seit einiger Zeit bemüht, in dieser Frage eine Anpassung der internen amerikanischen Gesetzesvorschriften an die staatsvertraglichen Verpflichtungen der Vereinigten Staaten herbeizuführen. Es hatte dem Kongress zu diesem Zweck schon am 29. Mai 1962 eine Gesetzesänderungsvorlage unterbreitet, gemäss welcher die in den Vereinigten Staaten lebenden Ausländer, und zwar sowohl die Immigranten wie die Nichtimmigranten, sich auf Gesuch hin vom obligatorischen Militärdienst – wenn auch unter Verlust der späteren Einbürgerungsmöglichkeit in den USA – befreien lassen könnten, sofern zwischen ihrem Heimatstaat und den Vereinigten Staaten hierüber eine vertragliche Abmachung besteht. Dies ist namentlich in Bezug auf die Schweiz der Fall. Die fragliche Gesetzesvorlage war übrigens im Geschäftsbericht des Bundesrates für das Jahr 19625 bereits näher erläutert worden (vgl. Beilage6).
Der im November 1960 gewählte 87. Kongress der Vereinigten Staaten, dessen Mandat Ende 1962 zu Ende ging, hat sich leider über diese Gesetzesvorlage nicht ausgesprochen. Das Staatsdepartement sah sich deshalb genötigt, die Vorlage am 15. März 1963 dem 88. Kongress, und zwar zunächst der Kommission für die bewaffneten Streitkräfte des Repräsentantenhauses, einzureichen. Die neue Gesetzesvorlage (H. R. 6440) ist mit jener vom 29. Mai 1962 identisch. Der 88. Kongress hat darüber indessen bis heute noch nicht Beschluss gefasst.
Dagegen haben wir in praktischer Hinsicht gewisse Fortschritte erzielen können. Da diese einen vertraulichen Charakter aufwiesen, war es nicht möglich, darüber im bundesrätlichen Geschäftsbericht für das Jahr 19637, der demnächst den eidgenössischen Räten vorgelegt werden wird, im einzelnen Auskunft zu erteilen. Die Fragen von Herrn Sauser bieten jedoch eine Gelegenheit, dies im engeren Rahmen der Kommissionen8 für Auswärtiges zu tun. Die betreffenden Massnahmen weisen in der Tat nicht nur provisorischen Charakter auf, sondern scheinen auch mit der gegenwärtigen amerikanischen Gesetzgebung nicht mehr völlig in Einklang zu stehen. Wenn amerikanische Kongresskreise davon nähere Kenntnis erhielten, könnte dies die weitere Förderung der Gesetzesvorlage H. R. 6440 gefährden. Es ist deshalb erforderlich, die Angelegenheit in unserem eigenen Interesse diskret zu behandeln. Nachstehend das wichtigste dieser Regelung:
Die für die Einberufung von Militärpersonen zuständige amerikanische Behörde ist das Selective Service System (SSS). Um schon zum voraus die dem Kongress vorgelegte Gesetzesvorlage (H. R. 6440) zu berücksichtigen und uns entgegenzukommen, hat diese Behörde einen Weg gesucht, der es vermeiden lässt, dass die dem amerikanischen Militärdienst grundsätzlich unterliegenden jungen Schweizer Einwanderer zwischen 18½ und 26 Jahren effektiv ein berufen werden. Dieser Weg besteht in einem provisorischen und individuellen Aufschub der Marschbefehle an unsere Landsleute. Der Aufschub wird vom SSS gestützt auf ein Gesuch der schweizerischen Botschaft in Washington gewährt, das eingereicht wird, sobald ein Schweizer, der einen Marschbefehl befürchtet, an unsere diplomatische Vertretung gelangt. Das SSS wird auf diese Weise darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um einen Schweizer handelt, der sich auf sein Statut eines «treaty alien» beruft, um seine Dienstleistung aufschieben zu lassen. Die fragliche Behörde sieht demgemäss davon ab, den lokalen Rekrutierungsstellen für den betreffenden Fall weitere Weisungen zu erteilen, die die Einberufung zur Folge hätten, und lässt das Dossier ruhen («freezes the case»). – Solange sich das SSS an diese Praxis hält, ist damit zu rechnen, dass unsere in Betracht fallenden Landsleute nicht mehr unter die Fahnen gerufen werden. Der Aufschub kann allerdings jederzeit rückgängig gemacht werden. Wir hoffen jedoch, dass die amerikanischen Behörden dieses Vorgehen bis zur Annahme der Gesetzesvorlage H. R. 6440 oder bis zum Ende der Amtsdauer des gegenwärtigen Kongresses im Dezember 1964 aufrecht erhalten. Eine formelle Zusicherung hiefür besitzen wir freilich nicht. Die schweizerische Botschaft wird jedoch alles in ihrer Macht Stehende tun, damit diese Regelung solange als möglich angewandt wird.
Im vorliegenden Zusammenhang ist noch die Verordnung des amerikanischen Präsidenten vom 10. 9. 1963 zu erwähnen, durch welche die verheirateten Männer von der Einberufung in den amerikanischen Militärdienst generell befreit werden. Diese Bestimmung kommt den verheirateten schweizerischen Einwanderern ebenfalls zugute und bewirkt eine weitere Lockerung.
In praktischer Hinsicht hatte die geschilderte Entwicklung zur Folge, dass in letzter Zeit u. W. Schweizerbürger in den Vereinigten Staaten nicht mehr rekrutiert wurden. So erfreulich dieser Zustand für das erste ist, bildet er indessen noch keine voll befriedigende endgültige Lösung. Unser Ziel ist deshalb weiterhin, die Annahme der Gesetzesvorlage H. R. 6440 zu erwirken.
Frage b
Bei der Zusammenkunft des Chefs des Politischen Departements9 mit Staatssekretär Dean Rusk anlässlich der Beisetzungsfeierlichkeiten für Präsident Kennedy10 war es verständlicherweise nicht möglich, alle zwischen den beiden Ländern hängigen Fragen aufzuwerfen; die Gesprächspartner mussten sich auf einige davon beschränken. Das Staatsdepartement ist jedoch über die Bedeutung, die die schweizerischen Behörden der Militärdienstfrage beimessen, vollauf orientiert.
- 1
- Notiz: E 2804(-) 1971/2 Bd. 28 (041.2).↩
- 2
- Vgl. dazu auch das Telegramm Nr. 220 des Politischen Departements an die schweizerische Botschaft in Washington vom 29. Juli 1965, dodis.ch/31187; die Notiz Service militaire aux EtatsUnis von V. Martin vom 9. Dezember 1965, dodis.ch/31190 und das Schreiben von W. Spühler an W. Allgöwer vom 24. Mai 1966, dodis.ch/31889.↩
- 3
- Vgl. DDS, Bd. 19, Dok. 117, dodis.ch/9225; DDS, Bd. 20, Dok. 81, dodis.ch/11260, und Dok. 128, dodis.ch/11355; DDS, Bd. 21, Dok. 24, dodis.ch/14868, und Dok. 136, dodis.ch/14961.↩
- 4
- Vgl. den Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika, BS, Bd. 5, S. 201–228. Zur Entstehung dieses Vertrags vgl. DDS, Bd. 1, Dok. 82, dodis.ch/41081, Dok. 103, dodis.ch/41102, Dok. 127, dodis.ch/41126, Dok. 145, dodis.ch/41144, Dok. 221, dodis.ch/41220.↩
- 5
- Vgl. den Bericht des Bundesrates über seine Geschäftsführung im Jahre 1962 vom 9. April 1963, S. 90–91.↩
- 6
- Vgl. Doss. E 2001(E) 1978/84 Bd. 437 (B.37.21.0).↩
- 7
- Vgl. den Bericht des Bundesrates über seine Geschäftsführung im Jahre 1963 vom 7. April 1964, S. 109–111.↩
- 8
- Handschriftliche Korrektur: Kommission.↩
- 10
- Vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 181, dodis.ch/18903.↩
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