Discussion sur l'éventuelle présence du président de la Confédération à la cérémonie de remise du prix Balzan à Rome. Des implications politiques sont en jeu.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 22, doc. 90
volume linkZürich/Locarno/Genève 2009
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1976/17#432* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1976/17 65 | |
Dossier title | Protokollfragen des Bundesrates anlässlich der Gründungszeremonie der Stiftung BALZAN in Bern und der ersten Preisverleihung (1961–1962) | |
File reference archive | B.22.11.0.4.Uch |
dodis.ch/30135 Interne Notiz des Politischen Departements1
Einladung der Stiftung Balzan an den Herrn Bundespräsident2
Das Direktionskomitee der Balzan-Stiftung3 hat durch Vermittlung von Herrn Nationalrat Maspoli, Delegierter des Bundesrates in diesem Komitee, den schweizerischen Bundespräsidenten zur Teilnahme an der auf den 25. Oktober 1962 festgesetzten Zeremonie der Übergabe des erstmals verliehenen Preises der Balzan-Stiftung nach Rom eingeladen. Der schwedische König4 wird den der Nobel-Preis-Stiftung zuerkannten Preis von 1 Mio. Franken persönlich in Empfang nehmen. Der italienische Staatspräsident Segni wird an der Feier anwesend sein.
Gemäss einer langjährigen bewährten Praxis erwidert der schweizerische Bundespräsident Besuche ausländischer Staatschefs nicht und er nimmt auch nicht an offiziellen Anlässen im Ausland teil. Zwar begaben sich die jeweiligen Bundespräsidenten anlässlich der Einweihungsfeier des Simplontunnels (l906)5 und des 50-jährigen Jubiläums (l956) jeweils nach Mailand6. In beiden Fällen handelte es sich aber um einen einzigen zusammenhängenden Festakt, dessen einer Teil sich auf schweizerischem und dessen anderer Teil sich auf italienischem Territorium abspielte. Die Bedeutung des Simplontunnels7 für die Schweiz und unsere Beziehungen zu Italien kann überdies nicht in Parallele mit der Übergabe des Balzan-Preises gesetzt werden. Als es sich um die Frage der Teilnahme von Präsident Gronchi an der Zeremonie in Bern handelte8, wurde den Italienern klar zu verstehen gegeben, dass sie nicht mit der Teilnahme des Bundespräsidenten an der Zeremonie in Rom rechnen können, dass dies sogar sehr unwahrscheinlich sei. Wir haben in dieser Beziehung somit freie Hand.
Herr Chaudet ist von Präsident Segni nun allerdings nicht in seiner Eigenschaft als Bundespräsident, sondern von der Stiftung als deren Ehrenpräsident eingeladen worden. Theoretisch könnte man wohl in Betracht ziehen, dass der Bundespräsident in Rom einen «offiziösen» Besuch macht und seine Teil nahme an der Zeremonie dementsprechend organisiert wird. Aus verschiedenen Gründen dürfte dies aber schwer zu realisieren sein.
Die italienische Öffentlichkeit ist mit unseren verfassungsrechtlichen Nuancen nicht vertraut und wird Herrn Chaudet, in welchem Rahmen sein Besuch in Rom auch durchgeführt würde, als schweizerisches Staatsoberhaupt betrachten. Sein Besuch würde zum Gegenbesuch desjenigen von Präsident Gronchi in Bern. Obwohl es sich bei diesem um einen «privaten» Besuch handelte, erhielt er schliesslich beinahe das Gepräge eines Staatsbesuches (Empfang des Bundesrats in corpore, Austausch offizieller Begrüssungsadressen, 16 Begleitpersonen, Extrazug etc.).
Der schwedische König wird, wie sich dies gehört, gewiss nicht als reine Privatperson, sondern mit grossem italienischen Pomp und Zeremoniell zu einem Staatsbesuch empfangen. Wir sind der Meinung, dass dem schweizerischen «Staatsoberhaupt» – die schweizerische demokratische Bescheidenheit in allen Ehren – grundsätzlich die nämliche protokollarische und zeremonielle Behandlung und gleiche Ehren zukommen sollten wie dem schwedischen Staatsoberhaupt. Dies liesse sich aber schwerlich mit dem Charakter eines nur «offiziösen», unserer Tradition allenfalls noch entsprechenden Besuches vereinbaren. Würde andererseits die Teilnahme des Bundespräsidenten konsequent als privatoffiziös organisiert, so könnten daraus schiefe, für sein persönliches Prestige und desjenigen der Schweiz unangenehme Situationen entstehen. Das Interesse würde sich auf den schwedischen König und Präsident Segni konzentrieren. Sie würden im Zentrum des Geschehens stehen und es könnte geschehen, dass der Schweiz. Bundespräsident nolens volens etwas in den Hintergrund gedrängt würde. Der Umstand, dass der schwedische König den Millionen-Check persönlich entgegennimmt, darf schliesslich nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Ansehen und internationale Prestige der Stiftung noch auf sehr schwachen Füssen steht. Die Errichtung der Italienischen Stiftung Premi war mit Nebenerscheinungen verbunden, die nicht durchwegs erfreulich sind. Man ist das Gefühl nie ganz los geworden, dass das grosse Stiftungsvermögen italienischerseits zum Objekt politischer Einflussnahme, von finanziellen Interessen und des persönlichen Ehrgeizes verschiedener Gruppen und Einzelpersönlichkeiten gemacht wurde, deren Integrität nicht immer über alle Zweifel erhaben ist. Wohl nicht umsonst trug sich Herr Bundesrat Bourgknecht mit dem Gedanken, aus dem Finanzkomitee der Stiftung auszutreten9. Herr Bundesrat Tschudi gab seinen Bedenken dadurch Ausdruck, dass er es ablehnte, dem «Comité-Prix» beizutreten. Die Behörden in Bern und Rom sind sich einig darüber, dass das juristische Fundament der Stiftung sehr unvollkommen ist und revidiert werden muss. Offenbar sieht man sich schweizerischerseits auch genötigt, gewissen Ansprüchen der italienischen Organe auf Gewährung fiskalischer Privilegien zu Gunsten der Stiftung entgegenzutreten, und die Errichtung durch die Stiftung eines von ihr zu verleihenden eigentlichen Ordens (Initiative des sattsam bekannten Mazzolini) hat hier und in Rom sehr unangenehm berührt.
Aus allen diesen Gründen muss man sich tatsächlich fragen, ob die Teilnahme des Bundespräsidenten an der Zeremonie in Rom opportun ist10. Allenfalls kann vielleicht die Anwesenheit eines ehemaligen Mitgliedes des Bundesrates in Erwägung gezogen werden, wobei natürlich in 1. Linie der Gedanke auf Herrn Alt Bundesrat Etter fällt, der mit der Entstehungsgeschichte dieser Stiftung verbunden ist und deren leitende Persönlichkeiten in Rom kennt.
- 1
- E 2001(E)1976/17/65. Paraphe: AD. Diese Notiz wurde von R. Aman verfasst und unterzeichnet und war an F. T. Wahlen gerichtet.↩
- 2
- P. Chaudet.↩
- 3
- Vgl. DDS, Bd. 22, Dok. 22, dodis.ch/18968, insbesondere Anm. 11. Siehe auch das BR-Prot. Nr. 792 vom 26. April 1963 (dodis.ch/18783) und das Schreiben von Ph. Zutter an Wahlen vom 14. Mai 1963 (dodis.ch/18784).↩
- 4
- Gustav VI.↩
- 5
- Vgl. DDS, Bd. 5, Dok. 120, dodis.ch/42975.↩
- 6
- Vgl. E 2001(E)1970/217/102.↩
- 7
- Vgl. DDS, Bd. 19, Dok. 101, dodis.ch/9014(dodis.ch/9014). Siehe auch das Schreiben von Ch. Lenz an das Politische Departement vom 22. Juli 1963 (dodis.ch/18752).↩
- 8
- Vgl. E 2001(E)1976/17/500.↩
- 9
- Vgl. das Schreiben von J. Bourgknecht an H. P. Tschudi vom 6. November 1961, E 2804 (-)1971/2/9, und das Verhandlungsprotokoll der 16. Sitzung des Bundesrates vom 2. März 1962, E 1003(-)1994/26/1.↩
- 10
- In seiner Sitzung vom 16. Juli 1962, le Conseil fédéral décide: que M. le Président de la Confédération doit décliner l’invitation et que la Suisse sera représentée par son ambassadeur à Rome. Vgl. BR-Prot. Nr. 1292 vom gleichen Tag, E 1004.1(-)-/1/663.2.Siehe auch das Verhandlungsprotokoll der 50. Sitzung des Bundesrates vom 16. Juli 1962, E 1003(-)1994/26/1.↩
Tags
Italy (Politics) Cultural relations Italy (General) Italy (Economy) Diplomacy of official visits