Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 22, doc. 62
volume linkZürich/Locarno/Genève 2009
Plus… |▼▶Emplacement
Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2200.40-02#1984/34#37* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2200.40-02(-)1984/34 13 | |
Titre du dossier | The Six and The Seven (CEE), Teil 1 (1961–1965) | |
Référence archives | P.71.25.12 |
dodis.ch/18924 Notiz des Delegierten des Bundesrates für Handelsverträge, P. R. Jolles1
Am 5. April fand auf der Amerikanischen Botschaft ein Abendessen statt, an dem Herr Bunderat Wahlen, der französische Botschafter2, Herr Dr. Aschinger und der Unterzeichnete teilgenommen haben.
Herr Botschafter McKinney, der soeben aus Washington zurückgekehrt war, erklärte, er hätte gute Nachrichten, da es ihm gelungen sei, den schweizerischen Standpunkt in der Integrationsfrage3 auf Grund der Erläuterungen, die er schweizerischerseits vor seiner Abreise erhalten habe, allen verantwortlichen Personen in Washington darzulegen. Diese hätten erklärt, es sei das erste Mal, dass ihnen der schweizerische Standpunkt klargemacht werde. Obschon die amerikanische Regierung noch nicht von der Zweckmässigkeit der Assoziationslösung für die Schweiz überzeugt sei, werde sie nichts gegen das Zustandekommen einer derartigen Regelung unternehmen, sondern das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Europäern abwarten, bevor sie darüber ein Urteil fällt.
Diesen Erklärungen hielt Herr Bundesrat Wahlen die Meldungen entgegen, die wir über die Äusserungen Balls in Paris und London sowohl durch die Presse als auch offiziellem Wege erhalten haben. Sie stehen in direktem Widerspruch zu den Behauptungen McKinneys. Es sei völlig unverständlich, wie Ball zur Auffassung gelangen konnte, die Schweiz verzichte auf eine Assoziation. Nachdem zudem viel vordringlichere Diskussionsthemen mit Frankreich und England für Ball bestehen würden, könne man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Ball absichtlich eine Kampagne gegen die Neutralen führe. Wenn man Staaten wie die Schweiz, die den Amerikanern nie Sorgen bereitet hätten, nun einfach als in Europa unerwünscht bezeichne, werde dies einen verheerenden Eindruck auch auf aussereuropäische Länder ausüben. In den schweizerisch-amerikanischen bilateralen Beziehungen hätte seit langem keine derartige Verständnislosigkeit bestanden.
Im Anschluss an diese Aussprache wurden mir gegenüber folgende Kommentare gemacht:
1. McKinney: Die assoziationsfeindlichen Gedanken gingen nicht direkt von Ball aus, sondern von seinen beiden Mitarbeitern Schaetzel und Vine. Glücklicherweise sei nun eine Reorganisation des Staatsdepartements durchgeführt worden, was zu einer Zusammenlegung der politischen und wirtschaftlichen Abteilungen geführt habe. Schaetzel und Vine seien nicht sehr direkt Herrn Ball, sondern Tyler unterstellt. Auch Rostow, der direkte Berater Kennedys, sei aus dem Weissen Haus ins Staatsdepartement versetzt und der politischen Oberleitung unterstellt worden.
2. Aschinger: Er zeigte mir den Brief eines amerikanischen Journalisten, der in Paris mit Ball zusammengetroffen war. Ball hätte drei Gründe genannt, weshalb die Schweiz sich nicht assoziieren wolle: Bedeutung unseres Handels mit Lateinamerika; Notwendigkeit eines Sonderstatuts für die Landwirtschaft; Unmöglichkeit einer Ausdehnung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte, insbesondere für Familienangehörige. Der amerikanische Journalist gibt den Eindruck, dass sich diesen Schwierigkeiten gegenüber die Zolldiskriminierung, die ohnehin abgebaut werden dürfte, als geringeres Übel erweise.
3. Botschafter Baudet erklärte lächelnd, er hätte von seinem britischen Kollegen die Mitteilung erhalten, die schweizerischen Vorbereitungen für eine Assoziationskonzeption seien weit fortgeschritten, würden in sehr konstruktivem Geist geführt und am guten Willen der Schweiz, eine annehmbare Lösung zu finden, könne nicht gezweifelt werden; 24 Stunden später habe er aus Paris vernommen, George Ball habe konkrete Anhaltspunkte darüber, dass die Schweiz zur Einsicht gelangt sei, eine Assoziationslösung sei unmöglich. Paris habe sich erkundigt, ob dies zutreffe. Er, Baudet, sehe ein, dass sowohl die Engländer als auch die Amerikaner mit den Neutralen Taktik betrieben, die Engländer, weil sie die Verhandlungen beschleunigen und alle positiven Elemente in den Vordergrund rücken wollen, die Amerikaner, weil sie den Klub der Aussenseiter zu vergrössern trachten und zudem Israel und Spanien nicht schlechter behandeln wollen als die Neutralen. Die Franzosen würden derartigen Informationen keine grosse Bedeutung beimessen, da sie annehmen, dass die Schweiz zu gegebener Zeit ihren Standpunkt den Franzosen direkt eröffnen wird. Es sei Sache der Neutralen, eine Lösung vorzuschlagen. Frankreich verstehe das neutralitätspolitische Sonderproblem und sei gerne bereit, Vorschläge für eine konstruktive Lösung verständnisvoll zu prüfen.
Aus diesen Gesprächen gewinnt man den Eindruck, dass jede auch noch so vorsichtige Erläuterung unserer Stellungnahme gegenüber interessierten Ländern verhandlungstaktisch ausgewertet und unsere Zurückhaltung gegenüber den Sechs dazu benützt wird, widersprechende Gerüchte über unsere grundsätzliche Auffassung in Umlauf zu setzen.
- 1
- E 2200.40(-)1984/34/13. Diese Notiz ging an A. Daeniker.↩
- 3
- Vgl. thematisches Verzeichnis: Europäische Integration.↩
Tags
États-Unis d'Amérique (USA) (Politique) États-Unis d'Amérique (USA) (Général) Union européenne (CEE–CE–UE)