Besprechung mit dem Departementschef
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 21, Dok. 154
volume linkZürich/Locarno/Genève 2007
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2808#1974/13#249* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2808(-)1974/13 50 | |
Dossiertitel | Eidgenössisches Politisches Departement (1956–1961) | |
Aktenzeichen Archiv | F-44.2 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001E#1976/17#1070* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(E)1976/17 256 | |
Dossiertitel | Eventuelle Vertretung südafrikanischer Interessen in der Vereinigten Arabischen Republik (1961–1961) | |
Aktenzeichen Archiv | B.24.1 • Zusatzkomponente: Südafrika |
dodis.ch/16005 Interne Notiz des Politischen Departements1
Besprechung mit dem Departementschef
1. Vertretung der südafrikanischen Interessen in der RAU 2
Der Departementschef zieht zu der Besprechung die HH. Minister Burckhardt und Dr. Probst bei. Wir diskutieren nochmals alle Argumente für oder gegen eine ablehnende Antwort an Südafrika.
Gegen die Übernahme der Interessen sprechen namentlich: a) Die Politik der Apartheid, die die Südafrikanische Union gegenüber der schwarzen Rasse befolgt. Die Konsequenz war der Austritt Südafrikas aus dem Commonwealth. b) Die Reaktionen, die die Übernahme der südafrikanischen Interessen in der RAU, namentlich aber in den jungen afrikanischen Staaten hervorrufen müssten. Die Tatsache, dass das Vereinigte Königreich an der UNO-Generalversammlung in New York nicht gegen Portugal gestimmt hat, veranlasste
Ghana bereits die Frage aufzuwerfen, ob nicht das Vereinigte Königreich aus dem Commonwealth ausgeschlossen werden solle! Jede vernünftige Erklärung, die wir gleichzeitig mit der Übernahme der südafrikanischen Interessen abgeben könnten, würde in allen jenen Staaten ohne jede Wirkung bleiben. Wir dürfen nicht ausser acht lassen, dass wir es heute nicht mehr mit einer «Völkerrechtsgemeinschaft» oder, wenn man will, mit den Staaten des christlichen
Kulturkreises zu tun haben, sondern dass sich die Mehrheit der unabhängigen
Staaten heute aus Gebilden zusammensetzt, die ausserhalb des antik-christlichen Kulturkreises und damit der völkerrechtlichen Tradition stehen. c) Es ist richtig, dass die Schweiz bis anhin nie die Übernahme der Vertretung der Interessen eines fremden Staates abgelehnt hat. So haben wir während des letzten Weltkrieges die Interessen des nationalsozialistischen Deutschland vertreten3. Heute haben wir aber bereits insofern ein gestörtes Gleichgewicht in der Übernahme der Mandate, als wir einzig und allein westliche Staaten vertreten4. Dieses Ungleichgewicht würde durch eine Zusage an Südafrika noch wesentlich verstärkt. d) Die südafrikanischen Interessen in der RAU sind ausserordentlich klein
(20–30 Staatsangehörige, etwa 6–7 Mio. Schweizerfranken Ausstände aus dem laufenden Warenverkehr). Der Schaden, der uns aus der Übernahme der südafrikanischen Interessen erwachsen würde, wäre in keinem Verhältnis zu dem geringen Nutzen für Südafrika. e) Es hat den Anschein, als hätte Südafrika bereits bei einem andern Staat angefragt und eine negative Antwort erhalten. Jedenfalls ist die Südafrikanische
Union erst 14 Tage nach Abbruch der Beziehungen an uns herangetreten. f) Wenn wir die südafrikanischen Interessen übernehmen wollten, müssten wir gleichzeitig eine Erklärung abgeben, mit der wir uns von der südafrikanischen Politik distanzieren würden. Dieses Vorgehen ist unbefriedigend, namentlich im Verhältnis zu Südafrika, während die Erklärung uns bei den afrikanischen Staaten nichts nützen würde.
Für die Annahme des Mandats sprechen: a) Die Notwendigkeit, im Falle der Ablehnung eine bewährte Praxis aufgeben zu müssen. b) Dass mit der Ablehnung ein Präzedenzfall geschaffen würde, der uns auch rein praktisch in Schwierigkeiten führen könnte. Es wäre zum Beispiel kaum denkbar, dass wir die Wahrung der Interessen eines Drittstaates in Südafrika übernehmen könnten. Ebenso wäre es wohl schwer zu rechtfertigen, die
Interessen Portugals (d. h. eines EFTA-Mitgliedes!) in einem afrikanischen
Staat anzunehmen.
Der Departementschef beschliesst, die Frage nochmals dem Bundesrat vorzulegen5. Eine ablehnende Antwort sollte möglichst bald erfolgen und zwar im Sinne einer Empfehlung an die südafrikanische Regierung, das Gesuch zurückzuziehen, um eine Absage zu vermeiden. Begründet könnte die Absage auch damit werden, dass wir in der RAU bereits die französischen und belgischen Interessen vertreten und schon wegen der materiellen Voraussetzung
(Personalmangel) das neue Mandat nicht mit der Zuverlässigkeit ausführen könnten, zu der wir gewohnt sind6.
[…] 7
- 2
- Zur Frage der Übernahme der Interessen Südafrikas in der Vereinigten Arabischen Republik vgl. das Telegramm von J.- L. Pahud an M. Petitpierre vom 15. Juni 1961, E 2001(E)1976/17/256 (dodis.ch/16006).↩
- 3
- Zur Frage der Interessenvertretung des nationalsozialistischen Deutschland vgl. DDS, Bd. 13, Dok. 146, dodis.ch/46903; DDS, Bd. 14, Dok. 85, dodis.ch/47271 mit Beilage und DDS, Bd. 16, Dok. 1, dodis.ch/195(dodis.ch/195).↩
- 4
- Die wichtigsten Interessenvertretungen durch die Schweiz waren 1961, die französischen Interessen in Ägypten, Jordanien, Irak und Syrien, vgl. DDS, Bd. 20, Dok. 117, dodis.ch/13159, den Bericht von G. Bucher vom 24. November 1956, E 2001(E)1976/17/431 (dodis.ch/12737) und die Notiz von M. Petitpierre vom 26. November 1956, E 2800(-)1967/60/8 (dodis.ch/12909); die irakischen Interessen in Frankreich, vgl. DDS, Bd. 20, Dok. 89, dodis.ch/12047; die iranischen Interessen in Israel, vgl. den Bericht von A. Ganz vom 30. Januar 1958, E 2001(E)1980/83/492 (dodis.ch/16141), das BR-Prot. Nr. 264 vom 11. Februar 1958, E 1004.1(-)1000/9/610 (dodis.ch/16137) und die Notiz von J. de Rham an M. Petitpierre vom 13. Februar 1959, E 2001(E)1976/17/72 (dodis.ch/16213); die Interessen der Vereinigten Staaten in Kuba, vgl. Nrn. 116 und 124 in diesem Band und die belgischen Interessen in Ägypten, vgl. den politischen Bericht von J.- L. Pahud an M. Petitpierre vom 8. März 1961, E 2300(-)1000/716/175 (dodis.ch/15554).↩
- 5
- Schon an der Bundesratssitzung vom 19. Juni 1961 wurde die Vertretung der südafrikanischen Interessen in der VAR diskutiert, vgl. das Verhandlungsprotokoll der 46. Sitzung des Bundesrates vom 19. Juni 1961, E 1003(-)1994/26/1 (dodis.ch/16007) und das Verhandlungsprotokoll der 48. Sitzung des Bundesrates vom 27. Juni 1961, ibid.↩
- 6
- Die ablehnende Antwort wurde den schweizerischen Botschaften in Kairo und Pretoria am 28. Juni 1961 übermittelt, cf. das Telegramm vom 28. Juni 1961, E 2001(E)1976/17/256. Das Gesuch wurde von der südafrikanischen Botschaft in Bern zurückgezogen, cf. die Notiz von R. Probst vom 3. Juli 1961, ibid.↩
- 7
- Weitere besprochene Themen waren der Besuch des Aussenministers von Nord-Vietnam beim Departementschef und der Auslandschweizertag.↩
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Südafrika (Politik) Südafrika (Allgemein)