Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 21, doc. 17
volume linkZürich/Locarno/Genève 2007
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E1003#1970/344#7* | |
Old classification | CH-BAR E 1003(-)1970/344 2 | |
Dossier title | 1958, Protokolle der 1.-90. Sitzung, mit Register A-Z, 1958 (Dossier) (1958–1958) | |
File reference archive | 4.31 |
dodis.ch/15258 BUNDESRAT
Verhandlungsprotokoll der 61. Sitzung vom 16. September 19581
Verhandlungsprotokoll der 61. Sitzung vom 16. September 19581
Mitteilungen des Vorstehers des EPD
Kulturelle Beziehungen zu den kommunistischen Staaten2
Im Zusammenhang mit dem chinesischen Pavillon am Comptoir3 und einer
Anfrage, des Direktors der Genfer Museen4 wegen Ausstellungsofferten von
Oststaaten, weist Herr Petitpierre darauf hin, dass er immer wieder veranlasst werde, sich zu äussern über die Wünschbarkeit von Reisen, schweizerischer
Wissenschaftler, Künstler usw. in die Oststaaten und von Ausstellungen, Vorführungen und Besuchen mit kulturellen Zwecken aus den kommunistischen
Staaten bei uns. Die Haltung des EPD bei der Erteilung von diesbezüglichen
Ratschlägen muss die sein, dass wir gegen jede Diskriminierung sind, dabei aber darauf aufmerksam machen, wie unsere öffentliche Meinung in dieser
Frage reagiert. Herr Petitpierre fürchtet, dass je länger je mehr die erteilten
Ratschläge mit der Reaktion unserer Öffentlichkeit nicht mehr zu vereinbaren sein werden. Dabei suchen die anderen westlichen Länder die kulturellen Beziehungen zu den Oststaaten auszubauen, allen voran die USA. Es wäre gut, wenn der Bundesrat über dieses Problem einmal eine Aussprache auf Grund eines Exposés des Vorstehers des EPD hätte.
An diese Ausführungen schliesst sich eine Aussprache an, woran sich alle
Mitglieder des Rates beteiligen. Herr Feldmann stellt fest, dass die kommunistischen Staaten die Pflege der kulturellen Beziehungen benützen als Tarnung oder Vorwand für eine intensive politische Propaganda. Interessant ist, dass die Frauen bei der SAFFA5 die Versuche einer kommunistischen Infiltration entdeckt und abgestoppt haben, während dies offensichtlich der Leitung des
Comptoir in Lausanne nicht gelungen ist. Die Ablehnung jedes kulturellen
Austausches allerdings könnte als Angst ausgelegt werden. Deshalb sollte bei der Vereinbarung solcher Veranstaltungen gewisse Kautelen wenigstens im
Sinne, der Verhinderung einer augenfälligen politischen Propaganda eingebaut werden. Man sollte sich auch darum kümmern, wie es mit dem Gegenrecht stünde, wenn wir Ausstellungen in den Oststaaten zu politischen Zwecken ausnützen würden! Wir müssen eine Lösung suchen, die uns den Vorwurf erspart, jeden Kontakt meiden zu wollen, die aber verhindert, dass wir überspielt werden, weil wir sonst den Widerstandswillen und die Wachsamkeit des Volkes beeinträchtigen. Der Herr Bundespräsident weist darauf hin, dass es sich bei den kulturellen Kontakten um ein Gebiet handelt, das ausserhalb der staatlichen Einflusssphäre liegt. Zudem gehen darüber die Auffassungen des Volkes in der deutschen Schweiz und in der Welschschweiz auseinander. Schliesslich aber stelle sich die grundsätzliche Frage, ob man aus der Gegnerschaft zum kommunistischen Regime die Konsequenz ziehen soll, jeden Kontakt zu vermeiden oder ob es richtiger ist, Kontakte zu suchen, in der Hoffnung, dadurch einen gewissen Einfluss auf die Entwicklung hinter dem Eisernen Vorhang auszuüben? Der Redner benützt den Anlass, um der Darstellung des Präsidenten des Comptoir Suisse, Dr. Stadler, gegenüber der Presse, wie sie im
Bund und in andern Blättern wiedergegeben wurde, entgegenzutreten. Vor allem wird durch diese Darstellung in der Öffentlichkeit völlig zu Unrecht der Eindruck erweckt, als ob der Bundesrat der chinesischen Volksrepublik den Vorzug gegenüber Israel gegeben hätte. Zunächst seien Österreich und
Südafrika als Ausstellungsstaaten im Vordergrund gestanden. Im August hätte sich auch Israel darum beworben und man habe damals gefunden, dass bei der bestehenden Spannung im Nahen Osten die Beteiligung Israels nicht gerade erwünscht wäre. Erst gegen Ende des Jahres hin sei eine Kandidatur Rotchinas aufgekommen und wegen Rücktritts Österreichs und Südafrikas die einzige geblieben. Es habe sich dann für den Bundesrat die Frage gestellt, ob man bei dieser Lage China ablehnen könne und diese Frage musste notgedrungen verneint werden. Der Redner fragt sich, ob er nicht bei der Eröffnung des
Comptoirs Herrn Stalder diesen Werdegang in Erinnerung rufen solle. Herr
Petitpierre ergänzt diese Darstellung noch durch das Détail, dass man vorher schon Sowjetrussland abgelehnt habe. Zur Frage des Gegenrechts sei zu sagen, dass diese Länder ja gar nichts anders wünschen als die Gegenseitigkeit, natürlich in der Form, wie sie sie verstehen. Herr Petitpierre glaubt, dass auf längere
Sicht diese Kontakte im Interesse des Westens liegen. Besonders für unsere
Wissenschaft besteht ein Interesse zu erfahren, was die russische Wissenschaft erreicht hat. Herr Chaudet berichtet über eine Unterhaltung mit verschiedenen
Herren des Comptoirs und deren Befürchtungen, dass die Affäre «chinesischer
Pavillon» der Ausstellung schaden werde. Er ist der Auffassung, dass man die ganze Frage grundsätzlich prüfen sollte, und zwar in dem Sinne, ob man die bisherige Politik gegenüber den Oststaaten fortsetzen könne. Herr Lepori ist der Auffassung, dass mit jeder künstlerischen oder technischen Manifestation in einem gewissen Ausmass auch eine politische Propaganda verbunden sei. Den
Erfolg der russischen Propaganda betrachtet er als nicht sehr gross, nachdem bei uns aus allen bisherigen Anstrengungen nicht viel herausgeschaut hat. Man kann aber überdies die Hoffnung haben, dass die Kontakte die Wirkung haben, dass sich in den Ostländern allmählich eine andere Meinung entwickelt. Wenn sie in ihrer Presse schreiben, dass in der Schweiz der Arbeiter vom Unternehmer ausgebeutet werde und grosses Elend herrsche, so ist es doch das beste für uns, wenn sie möglichst zahlreich kommen, um sich an Ort und Stelle selbst von der tatsächlichen Lage zu überzeugen. Man sollte gewisse Spielregeln für diese
Manifestationen aufstellen. Im übrigen werde man mit unserer öffentlichen
Meinung in dieser Frage immer Schwierigkeiten haben. Zum Schlusse schildert
Herr Feldmann, auf welche Art im chinesischen Pavillon politische Propaganda betrieben wird und erinnert an den Prestigezuwachs Hitlers auf Grund der grossen internationalen Beteiligung an der Olympiade von 1936.
- 1
- E 1003(-)1970/344/2. Vorsitz: Bundespräsident Dr. Holenstein. Abwesend: Herren Etter und Streuli. Schriftführer: Oser und Weber.↩
- 2
- Zu dieses Thema vgl. auch DDS, Bd. 21, Dok. 7, dodis.ch/14420.↩
- 3
- Es handelt sich dabei um das jährlich in Lausanne durchgeführte Comptoir suisse d’exposition.↩
- 4
- Es handelt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um M. Noul.↩
Tags
China (General) China (Others) Cultural relations