dodis.ch/10212
Der Vorsteher des Militärdepartements,
K. Kobelt, an die Mitglieder des
Bundesrates
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WEISUNGEN AN DEN GENERAL
Geheim. Persönlich!
Bern, 22. September 1953
Als Grundlage zu einer Aussprache im Bundesrat, die wenn möglich kurz nach Abschluss der Herbstsession der eidgenössischen Räte durchgeführt werden könnte, beehre ich mich, Ihnen einen Entwurf in deutscher und französischer Sprache zu Weisungen an den General im Falle einer Kriegsmobilmachung vorzulegen.
Zu diesen Weisungen gestatte ich mir die folgenden, erläuternden Bemerkungen:
1. Bis zur Revision des 5. Teiles der Militärorganisation im Jahre 1949 bildete Artikel 204, Absatz 2, der Militärorganisation von 1907 die hauptsächlichste Grundlage für die Weisungen an den General. Diese Bestimmung lautete:
«Der General führt den Oberbefehl über die Armee. Er erhält vom Bundesrate Weisung über den durch das Truppenaufgebot zu erreichenden Endzweck.»
Auf Grund dieses Textes war es sowohl in den Jahren 1914 wie 1939 möglich, die Weisungen des Bundesrates an den General als ein allgemein gehaltenes und daher einmaliges und vollständiges Dokument zu redigieren.
2. In der Fassung des Bundesgesetzes vom 1. April 1949 über die Abänderung der Militärorganisation (Heeresklassen, Ausbildung, aktiver Dienst), lautet die entsprechende Bestimmung in Artikel 208 der Militärorganisation:
«Der Bundesrat ist auch nach der Wahl des Generals die oberste vollziehende und leitende Behörde. Er bestimmt die vom Heere zu erfüllenden Aufgaben.»
Der Bundesrat kann sich auf Grund dieser Neufassung nicht mehr wie früher damit begnügen, allgemein gehaltene Instruktionen in Bezug auf den durch das Truppenaufgebot zu erreichenden Endzweck zu erlassen; er muss vielmehr den durch die Armee zu erfüllenden Auftrag präzisieren und sich zu diesem Zweck auf die politische und militärische Lage des Augenblickes stützen.
3. Da einerseits am Grundsatz festzuhalten ist, später zu ergreifende Massnahmen in ruhigeren Zeiten weitgehend vorzubereiten, andererseits aber nicht die Möglichkeit besteht, heute schon Aufträge an die Armee zu formulieren, welche jeder Situation gerecht werden, hat sich eine Zweiteilung der Weisungen des Bundesrates an den General in der nachstehenden Weise aufgedrängt:
a) Ein allgemeiner Teil der Weisungen, in jeder Lage gültig und daher heute schon vorbereitet, regelt die grundlegenden Fragen bei der Ausübung des Oberkommandos und die durch den Oberbefehlshaber einzunehmende Haltung im Falle eines überfallartigen Angriffs auf unser Land, bei welchem sich eine Fühlungnahme zwischen General und Bundesrat vorgängig der Anordnung tiefgreifender Massnahmen als unmöglich erweisen könnte.
b) Ein besonderer Teil wird sich mit jenen Fragen, deren Regelung von der militärpolitischen Lage des Augenblicks abhängig ist, zu befassen haben. Dieses Schriftstück schon heute zu redigieren, ist nicht möglich.
4. Das beiliegende Dokument2 stellt den ersten, allgemeinen Teil der Weisungen des Bundesrates an den General dar und spricht sich über alle jene Fragen aus, auf deren Regelung die Tagesereignisse keinen Einfluss haben. Sie erhalten in der Beilage die Nr. 4 des geheimen Entwurfes zu Weisungen an den General.