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Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 24, Dok. 165
volume linkZürich/Locarno/Genève 2012
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E7113A#1980/62#285* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 7113(A)1980/62 85 | |
Dossiertitel | Délégation économique permanente (1969–1969) | |
Aktenzeichen Archiv | 771.2 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E7110#1980/63#33* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 7110(-)1980/63 7 | |
Dossiertitel | Ständige Wirtschaftsdelegationen (1969–1969) | |
Aktenzeichen Archiv | 229.0 |
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001E#1980/83#665* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(E)1980/83 179 | |
Dossiertitel | Ständige Wirtschaftsdelegation (1968–1970) | |
Aktenzeichen Archiv | C.41.110.1 |
dodis.ch/33034
Notiz über die Sitzung der Ständigen Wirtschaftsdelegation vom 28. August 19691
1. Die Ständige Wirtschaftsdelegation bespricht vorerst die bereinigten Zusammenfassungen der Arbeitsgruppenberichte2 und stellt eine Reihe von Abänderungsanträgen, insbesondere auf dem Gebiet der Fiskalpolitik und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer3. Die einzelnen Arbeitsgruppen werden den gewünschten redaktionellen Änderungen wenn möglich in den Zusammenfassungen und allenfalls in den Berichten Rechnung tragen. Daneben besteht auch die Möglichkeit, abweichende Meinungen der Ständigen Wirtschaftsdelegation als Anmerkung zu den Arbeitsgruppenberichten bzw. in einem Übermittlungsschreiben zum Gesamtbericht dem Bundesrat zur Kenntnis zu bringen.
Eine grundsätzliche Diskussion entsteht im Zusammenhang mit dem komplexen Problem der indirekten Steuern, wo sich hinsichtlich der Preiswirksamkeit der Steuern und deren wettbewerbspolitischer Bedeutung für unsere Exportindustrie selbst die wissenschaftlichen Geister scheiden. So wird unter anderem geltend gemacht, für die Konkurrenzfähigkeit unserer Exportindustrie sei nicht so sehr die Relation zwischen direkten und indirekten Steuern, sondern die Gesamtsteuerbelastung entscheidend. Im Hinblick auf das Umsatzsteuergefälle zwischen der Schweiz und den EWG-Staaten und den Grenzausgleich der Umsatzsteuern scheint es allgemein vertretbar, zumindest von der Möglichkeit gewisser wettbewerbsbenachteiligender Auswirkungen zu sprechen.
Beim Bericht «Freizügigkeit der Arbeitnehmer» macht Nationalrat Fischer den Vorschlag, angesichts unserer besonderen demographischen Verhältnisse von der Notwendigkeit eines «dauernden Sonderstatus» für die Schweiz zu sprechen. Der Vorsitzende weist darauf hin, dass die Arbeitsgruppe Freizügigkeit mit der Forderung nach einem Sonderstatut ihr Mandat einer reinen Bestandesaufnahme – wenn auch verständlicherweise – bereits in dem Sinne überschritten habe, als bestimmte Lösungsmöglichkeiten skizziert wurden. Es wäre jedoch nicht tunlich, unsere Verhandlungsposition bereits im heutigen Stadium zu präzisieren, obwohl naheliegend sei, dass eine zeitlich befristete Übergangslösung nicht genügen würde. Schliesslich einigt sich die Ständige Wirtschaftsdelegation darauf, eine Teilnahme der Schweiz an der EWG komme nur in Frage, wenn uns auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer «nicht lediglich eine Übergangslösung, sondern ein Sonderstatut zugestanden werde».
2. Der Vorsitzende4 stellt anschliessend den vom Integrationsbureau ausgearbeiteten «Gesamtbericht über wirtschaftliche und politische Probleme einer Teilnahme oder Nichtteilnahme der Schweiz an der EWG»5 zur Diskussion, der eine Synthese der Zusammenfassungen der Arbeitsgruppenberichte enthält. Zugleich soll er einleitend den integrationspolitischen Hintergrund der Bestandesaufnahme schildern und in der Schlussfolgerung eine vorläufige Lagebeurteilung vornehmen, die wenn möglich die einhellige Meinung der Verwaltung und der Spitzenverbände der Wirtschaft zum Ausdruck bringen soll.
Zu einer grundsätzlichen Diskussion gibt der Satz auf Seite 2 des Gesamtberichtes «… behält die Schweiz stets ihr Fernziel einer Teilnahme an einer gesamteuropäischen Regelung im Falle einer Erweiterung der EWG im Auge» Anlass. Diese Formulierung entspricht sinngemäss der Stellungnahme des Bundesrates in den «Richtlinien für die Regierungspolitik»6. Nationalrat Fischer, unterstützt von Direktor Aebi, würde jedoch die vom Bundesrat in der Beantwortung der Interpellation Weber im Juni 19677 verwendete Formulierung «… Fernziel einer Mitwirkung am Ausbau eines integrierten europäischen Marktes» vorziehen, weil sonst auf das Anstreben einer Mitgliedschaft in der EWG geschlossen werden könnte. Der Vorsitzende erachtet diese Version deshalb als unzweckmässig, weil, neben den rein wirtschaftlichen Aspekten, im Falle einer gesamteuropäischen Regelung auch der politische Standort der Schweiz, nämlich die besondere Rolle, die ein neutraler und unabhängiger Kleinstaat weiterhin in Europa spielen kann, überprüft und zum Ausdruck gebracht werden müsste. Schliesslich einigt sich die Ständige Wirtschaftsdelegation auf den Wortlaut «… hat die Schweiz als Fernziel die Beteiligung in einer für sie annehmbaren Form an einer gesamteuropäischen Regelung stets im Auge behalten».
Die Lesung der «Beurteilungselemente der Integrationsfrage» gibt dem Vorsitzenden Gelegenheit, zur Frage einer Assoziierung der Schweiz mit der EWG zu präzisieren, dass eine nähere Prüfung der Österreich-Verhandlungen8 zeige, dass sich die EG-Kommission der Satellisierungsgefahr der Österreicher bewusst gewesen sei und beabsichtigt habe, dieser Problematik durch Einschränkung des Vertragsinhaltes zu begegnen. Die sich damals abzeichnende, wegen des italienischen Vetos allerdings schubladisierte Regelung hätte einen Ansatzpunkt für eine beschränkte Zwischenlösung darstellen können.
3. Die Schlussfolgerungen des Gesamtberichtes werden von der Ständigen Wirtschaftsdelegation grundsätzlich genehmigt. Sie sind durch einen Hinweis auf die Schwierigkeiten, die sich im weiteren Verlauf der Entwicklung, sowohl im Falle einer Teilnahme als auch bei einer Aussenseiterstellung, ergeben können, zu ergänzen.
Anschliessend skizziert der Vorsitzende die neueste integrationspolitische Entwicklung. Wiewohl die Fronten etwas in Bewegung zu geraten scheinen, sei wohl kaum mit baldigen Grossbritannien-Verhandlungen9 zu rechnen. Mit der Idee einer Gipfelkonferenz der Sechs10, an der vorerst eine gemeinschaftsinterne Einigung erzielt werden sollte, hätten die Franzosen einen Sieg errungen. Immerhin steht eine wichtige Etappe bevor, indem die Kommission den Erweiterungsbericht vom September 196711 à jour bringen soll. Es wäre für unser Land von einigem Vorteil, wenn der Fall Schweiz in diesem Dokument in positivem Sinne erwähnt würde, um in die Gesamtüberlegungen der Gipfelkonferenz einbezogen zu werden. Da aufgrund von Gesprächen mit Kommissionsmitgliedern Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dies ohne entsprechende schweizerische Initiative nicht der Fall sein wird, gedenkt der Vorsitzende, dem Bundesrat vorzuschlagen, es sei in Brüssel – ähnlich wie 196712 – auf diplomatischem Wege eine Demarche zu unternehmen. Anschliessend könnte auch in den EG-Hauptstädten an unser pendentes Verhandlungsgesuch von 196113 erinnert und die Erwartung ausgesprochen werden, dass die Schweiz angesichts ihrer wirtschaftlichen Bedeutung von Anfang an in die Erweiterungsgespräche einbezogen wird.
Zum Abschluss verdankt der Vorsitzende die offen geführte Aussprache, die im Hinblick auf die Vorlage an den Bundesrat eine begrüssenswerte «unité de doctrine» und eine dementsprechend gewichtige und zuverlässige Meinungsgrundlage ergeben hat.
- 1
- Notiz: E7113A#1980/62#285* (771.2).↩
- 2
- Bericht von R. Bindschedler Die Schweiz und die EWG; Staatsrechtliche Probleme vom 15. März 1967, dodis.ch/33832. Für die anderen Berichte und Zusammenfassungen vgl. Doss. E2001E#1980/83#764* (C.41.770). Zu den Arbeitsgruppen vgl. die Notiz von P. R. Jolles an H. Schaffner vom 29. März 1967, dodis.ch/33315; das Protokoll von J. Iselin vom 2. Mai 1967, dodis.ch/33834; das Protokoll der Ständigen Wirtschaftsdelegation vom 4. Juli 1968, dodis.ch/33310; das BR-Beschlussprot. II der 27. Sitzung des Bundesrats vom 9. Juli 1969 vom 10. Juli 1969, dodis.ch/33302 und das BR-Prot. Nr. 502 vom 26. März 1969, dodis.ch/33691.↩
- 3
- Vgl. dazu die Notiz von J. Faillettaz vom 26. Juni 1968, dodis.ch/33512 und die Notiz zur Sitzung der Ständigen Wirtschaftsdelegation vom 26. Juni 1969, dodis.ch/33033.↩
- 5
- Bericht des Integrationsbüros vom September 1969, dodis.ch/33833. Zur Diskussion darüber im Bundesrat vgl. das BR-Beschlussprot. II der Sitzung vom 5. Dezember 1969 vom 13. Januar 1970, dodis.ch/33295.↩
- 6
- Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Richtlinien für die Regie rungspolitik in der Legislaturperiode 1968–1971 vom 15. März 1968, BBl, 1968, I, S. 1204–1248.↩
- 7
- Sten. Bull. NR, 1967, S. 297–304. Vgl. dazu auch DDS, Bd. 24, Dok. 33, dodis.ch/33238.↩
- 8
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 143, dodis.ch/33201, Anm. 7.↩
- 9
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 33, dodis.ch/33238, Anm. 3.↩
- 10
- Zur EWG-Gipfelkonferenz in Den Haag vom 1.–2. Dezember 1969 vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 180, dodis.ch/33243, Anm. 3.↩
- 11
- Avis de la Commission au Conseil concernant les demandes d’adhésion du Royaume-Uni de l’Irlande, du Danemark et de la Norvège en vertu des articles 273 du Traité CEE, 205 du Traité CEEA et 98 du Traité CECA vom 29. September 1967, E2001E#1978/84#1345* (C.41.765). Vgl. dazu die Notiz von P. R. Jolles an H. Schaffner vom 6. Oktober 1967, dodis.ch/33516; die Notiz von P. R. Jolles vom 20. Oktober 1967, dodis.ch/33518 und die Notiz von H. Schaffner an den Bundesrat vom 6. Oktober 1969, dodis.ch/33526.↩
- 12
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 68, dodis.ch/33241.↩
- 13
- DDS, Bd. 22, Dok. 34, dodis.ch/30143. Vgl. ferner, DDS, Bd. 22, Dok. 3, dodis.ch/30118; Dok. 4, dodis.ch/30120; Dok. 6, dodis.ch/30122; Dok. 17, dodis.ch/30126; Dok. 30, dodis.ch/30140 und Dok. 32, dodis.ch/30142 und die Notiz von J. Iselin vom 5. April 1967, dodis.ch/33845.↩