Das State Department hat sich gegen die Ernennung von Patterson an die amerikanische Botschaft in Bern ausgesprochen. Bedeutung und Einfluss von Senator McCarthy. Ankündigung eines baldigen Rückzugs der amerikanischen Truppen aus Korea.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 18, doc. 79
volume linkZürich/Locarno/Genève 2001
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#1193* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 501 | |
Dossier title | Washington, Politische Berichte und Briefe, Militär- und Sozialberichte, Band 52 (1951–1951) |
dodis.ch/8578 Der Legationsrat der schweizerischen Gesandtschaft in Washington, R. Hunziker, an den Chef der Abteilung für Politische Angelegenheiten des Politischen Departements, A. Zehnder1
Ich beehre mich, Ihnen folgendes mitzuteilen
1. Ernennung von Botschafter Patterson zum amerikanischen Gesandten in Bern.
Verschiedene Beamte des Staatsdepartements haben sich spontan dahingehend geäussert, dass Botschafter Patterson sich Präsident Truman für den Berner Posten selber vorgeschlagen hat. Das Staatsdepartement sei nach wie vor gegen seine Ernennung2, weil es sich einerseits der Wichtigkeit des Postens in der Schweiz und anderseits der mangelnden Eignung des neuen Gesandten wohl bewusst sei. Demzufolge werde hier versucht, Botschafter Patterson zu seiner Demission zu veranlassen, um zu verhindern, dass er sein Amt in der Schweiz antrete.
Die politischen Hintergründe der Ernennung Pattersons zum Gesandten in Bern sind übrigens hier niemandem verborgen geblieben. Jedermann weiss, dass er seinerzeit einen namhaften Betrag zur Deckung der Kosten der Wahlkampagne Präsident Trumans beigesteuert hat.
In diesem Zusammenhang dürfte Sie auch eine Glosse Drew Pearsons in der «WashingtonPost» vom 12. Februar interessieren, deren Text ich diesem Schreiben beilege3.
2. Senator McCarthy.
Wer in diesen Tagen in Washington ein politisches Gespräch überhört, kann mit Bestimmtheit damit rechnen, dass binnen weniger Minuten der Name McCarthy fällt. Geht man den Gründen nach, weshalb ein vor zwei Jahren noch völlig Unbekannter heute eine so grosse Rolle spielt, so ist dies wohl auf eine ganze Anzahl verschiedener Faktoren zurückzuführen.
Bis zu einem gewissen Grad ist die Tatsache, dass weite Kreise der Bevölkerung einer Administration, die schon so lange am Ruder ist wie die heutige, überdrüssig sind, und dass man somit jedem, der etwas gegen sie vorbringen kann, willig Gehör schenkt. Ausserdem liebt man hier das Sensationelle. Wenn nun eine Person, der Kraft ihres Amtes eine gewisse Bedeutung zukommt, in einer Senatssitzung aufsteht und auf ihre Fragestellung «Warum ist China in die Hände der Kommunisten gefallen?» antwortet: «Weil der Staatssekretär selber ein Kommunist, und das Staatsdepartement von Kommunisten durchsetzt ist», so wird diese demagogische Behauptung eines «terrible simplificateur» und skrupellosen Menschen zugleich bestimmt von zahlreichen Leuten geglaubt. Der Brunnenvergifter aber, der unter dem Schutze der parlamentarischen Immunität dutzendweise Beamte des Aussenministeriums angeklagt, hat sich aber wohl gehütet, je ausserhalb des Senates seine Behauptungen zu wiederholen, sodass die Betroffenen rechtlich keine Möglichkeit haben, sich Genugtuung zu verschaffen.
McCarthy verfügt offenbar über genügend Geldmittel, um sich einen ganzen Stab von Detektiven zu halten, die das Privatleben zahlreicher Parteigegner und Staatsbeamter aufs genaueste unter die Lupe nehmen. Im Fall des kürzlich in der Schweiz verhafteten Spitzels Davis4 hat McCarthy selber zugegeben, dass jener sich an einen seiner in Paris stationierten Agenten gewendet habe, um ihm Informationen über kommunistische Umtriebe in der Schweiz und Frankreich anzubieten.
Die Folge all dieser ständigen Bespitzelungen ist eine Angstpsychose, nicht nur unter den Staatsbeamten in Washington, sondern im ganzen Lande. Beiläufig sei vermerkt, dass gegenwärtig von einer Loyalitätsuntersuchungskommission, gestützt auf beschlagnahmte Dokumente, das «Institute of Pacific Relations» durchleuchtet wird; in den fraglichen Beweisstücken sollen die Namen von Alger Hiss und Botschafter Jessup mehrmals mit denjenigen von notorischen Kommunisten in Beziehung stehen.
Es wird sich nun weisen, ob es der Nimitzkommission5 (über die ich Ihnen letzte Woche Bericht erstattete6) gelingt, gegen die überhandnehmende Psychose des «McCarthytums» gewissermassen ein Gegengewicht zu schaffen.
Die republikanische Partei hat indessen erkannt, dass McCarthy für den Stimmenfang eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommt, und dass man mit ihm gewisse politische Gegner erfolgreich einzuschüchtern vermag. Dazu kommt, dass der ambitiöseste Mann in Washington, Senator Taft, welcher heute der unumstrittene Führer der Republikaner ist, McCarthy zu seinem Schützling erkoren hat; er hofft offenbar, dass letzterer durch seine Praktiken dazu beitragen werde, die nächste Präsidentschaftskampagne zu seinen (d. h. Tafts) Gunsten zu entscheiden. Bei der grossen aussenpolitischen Debatte ging es – nach Meinung scharfer Beobachter – im Lager der Republikaner eigentlich gar nicht darum, ob Truppen nach Europa zu entsenden seien oder ob Europa die Priorität vor anderen strategisch wichtigen Gebieten zukommen solle, sondern vielmehr darum, wer bei der nächsten Präsidentschaftswahl der Kandidat der Grand Old Party sein werde (d. h. Taft, Dewey oder sonst jemand).
Eine wichtige Entwicklung der letzten Tage war die Ernennung McCarthys zum Mitglied eines 21-köpfigen Senatsausschusses, welcher über das Finanzwesen und das Budget des Staatsdepartements berät; obschon sich in diesem Ausschuss die Demokraten in der Mehrheit befinden, ist es klar, dass McCarthy nun in erhöhtem Masse die Aussenpolitik der Vereinigten Staaten wird beeinflussen können; denn schon bisher war es so, dass jedesmal, wenn Staatssekretär Acheson in irgendeinem Punkt gegenüber der Sowjetunion keine allzu schroffe Haltung einnehmen wollte, McCarthy ihn des «Appeasement» beschuldigte. Nun wird Acheson wahrscheinlich einen guten Teil seiner Zeit darauf verwenden müssen, sich gegen die verantwortungslosen Angriffe des Senators zur Wehr zu setzen.
3. Koreafront.
Wie ich aus bester Quelle erfahren habe, beabsichtigt das Staatsdepartement, die amerikanischen Truppen noch im Laufe dieses Jahres aus Korea zurückzuziehen. Als Datum für den Abschluss dieser Operation wurde der Monat Dezember 19517 genannt. (Ich bitte Sie, diese Mitteilung als streng vertraulich zu behandeln.)
Walter Lippmann hat wahrscheinlich ähnliche Informationen erhalten; denn in seinem heutigen Artikel in der «NewYork Herald Tribune», welcher zum Teil auf einem Frontbericht General MacArthurs beruht, deutet er an, dass man es in Korea zu einer Stabilisierung der Fronten, zu einem allmählichen Übergang zur Waffenruhe und schliesslich zur Einstellung der dortigen Feindseligkeiten überhaupt kommen lassen solle.
- 1
- Politischer Bericht: E 2300 Washington/52.↩
- 2
- Handschriftliche Anmerkung: Contrairement au télégramme de la Légation.↩
- 3
- Nicht abgedruckt.↩
- 4
- Vgl. DDS, Bd. 18, Dok. 74, dodis.ch/7976.↩
- 5
- Commission on Internal Security and Individual Rights unter dem Vorsitz des Flottenadmirals Chester W. Nimitz.↩
- 6
- Vgl. das Schreiben von R. Hunziker an A. Zehnder vom 9. Februar 1951. Nicht abgedruckt.↩
- 7
- Handschriftliche Anmerkung: ?↩
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