Intervention Österreichs zugunsten des Skispringers Bradl, dem die Schweiz das Einreisevisum zur Teilnahme an den olympischen Spielen verweigert hat.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 17, doc. 53
volume linkZürich/Locarno/Genève 1999
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E4001C#1000/783#1013* | |
Old classification | CH-BAR E 4001(C)1000/783 102 | |
Dossier title | A - C (1948–1948) | |
File reference archive | 0035 |
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001E#1000/1571#1204* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(E)1000/1571 93 | |
Dossier title | Bradl, Josef, Skispringer (1948–1948) | |
File reference archive | B.44.32 • Additional component: Oesterreich |
dodis.ch/5341
Der österreichische Gesandte, Herr Minister Seemann, hatte beim Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements, Herrn Bundesrat von Steiger, auf Sonntag Vormittag, den 25. Januar eine Audienz zur Besprechung der Einreiseangelegenheit des österreichischen Skispringers JosefBradl, zwecks Teilnahme an den olympischen Spielen in St. Moritz3, nachgesucht. Diese Vorsprache erfolgte um 11.30 Uhr.
Herr Minister Seemann stellte gegenüber Herrn Bundesrat von Steiger das Ersuchen, den am Vortag getroffenen negativen Entscheid in Wiedererwägung zu ziehen und die Einreise zu bewilligen4. Er wies darauf hin, dass seine Regierung der Einreiseerlaubnis und der Teilnahme Bradls an den olympischen Spielen sehr grosse Bedeutung beimesse5.
Am Schluss der Unterredung, die in Abwesenheit des Unterzeichneten erfolgte, fasste Herr Bundesrat von Steiger dann in Gegenwart des Unterzeichneten die Ergebnisse der Unterredung gegenüber Herrn Minister Seemann in folgendem Sinn zusammen:
Dem Ersuchen der österreichischen Regierung, JosefBradl zu dem angeführten Zweck, in Wiedererwägung des Samstag, den 24. Januar getroffenen Entscheides, die Einreiseerlaubnis zu erteilen, kann leider trotz Würdigung aller durch den österreichischen Gesandten auch im Namen seiner Regierung geltend gemachten Gründe nicht entsprochen werden. Eine andere, als die getroffene Entscheidung würde der in analogen Fällen eingenommenen Haltung des eidg. Justiz- und Polizeidepartements widersprechen.
Herr Bundesrat von Steiger verwies in diesem Zusammenhang auf die sehr strenge Ausweisungspraxis (Ausweisung von NSDAP-Angehörigen, vor allem aber von Angehörigen nationalsozialistischer Sportgruppen)6. Man sei sich bewusst, dass diese Praxis vielfach strenger sei als die durch die Alliierten gehandhabte. Herr Minister Seemann erklärte hierauf, dass JosefBradl nicht Parteimitglied gewesen, sondern dass er für seine sportlichen Leistungen lediglich mit der Ernennung zum Unterscharführer ausgezeichnet worden sei, was dem Grade eines Leutnants entspreche.
Herr Bundesrat von Steiger betonte jedoch, dass die schweizerische Behörde bei solchen Verbindungen zwischen Sport und nationalsozialistischem System eine äusserst strenge Praxis befolgt habe und heute noch befolge. Dies vor allem wegen der bekannten besonderen Einsatzbereitschaft solcher Leute bezw. wegen ihres je nach Umständen auf militärischem Gebiet liegenden Verwandlungszweckes. Der Verleihung des Ranges eines Unterscharführers komme deshalb im vorliegenden Fall eine besondere Bedeutung zu, und es würde der Praxis widersprechen, wenn Bradl gerade für einen sportlichen Anlass in die Schweiz einreisen könnte. Der bereits getroffene Entscheid könne daher nicht abgeändert werden.
Herr Bundesrat von Steiger fügte ferner bei, dass über die am Sonntagmorgen bei ihm erfolgte Vorsprache des österreichischen Gesandten öffentlich nichts bekanntgegeben werde, es sei denn, dass ein entsprechender Wunsch durch Herrn Minister Seemann angebracht würde.
Auf Ersuchen des Herrn Minister Seemann würde die schweizerische Behörde bestätigen, dass dieser sein Möglichstes vorgekehrt habe, um die Einreise des Skispringers JosefBradl erwirken zu können.
- 2
- (Kopie): E 2001(E)-/1/93.↩
- 3
- Vgl. das Dossier zu den Olympischen Winterspielen in St. Moritz, E 2001(E)-/1/262.↩
- 4
- Vgl. das Schreiben von E. von Steiger an A. Zehnder vom 24. Januar 1948, ebd.↩
- 5
- Vgl. die Reaktionen von Aussenminister K. Gruber und Justizminister J. Gerö im Schreiben von P. A. Feldscher an M. Petitpierre vom 30. Januar 1948, E 4001(C)-/1/102.↩
- 6
- Vgl. DDS, Bd. 16, Dok. 6, dodis.ch/1993, Anm. 6, und E 4001(C)-/1/40.Hinsichtlich der strikten Handhabung des EJPD gegenüber der Einreise von Ausgewiesenen vgl. das Kreisschreiben des EJPD an die obersten Polizeibehörden der Kantone vom 22. Dezember 1947, E 4001(C)-/1/43.↩
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Questions about sports Visa and Entry Issues