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Die Schweiz und die Konstruktion des Multilateralismus, Bd. 3. Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte der UNO 1942–2002, vol. 15, doc. 32
volume linkBern 2022
Dettagli… |Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 27, doc. 21
volume linkZürich/Locarno/Genève 2022
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2003A#1990/3#16* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2003(A)1990/3 5 | |
Titolo dossier | Coordination de la politique suisse à l'égard des org. int. (1976–1978) | |
Riferimento archivio | o.104.2 |
dodis.ch/51500Notiz der Direktion für internationale Organisationen des EPD1
Vertrauliche Weisungen für die schweizerischen Delegationen (Zusammenfassung)
Die folgenden Weisungen ersetzen diejenigen vom 10. März 19722 und gelten für die schweizerischen Delegationen in Versammlungen und Exekutivorganen der internationalen Organisationen sowie an internationalen Konferenzen.
Im Politischen Departement ist die Direktion für internationale Organisationen (Sektion UNO/IO) zuständig,3 im Einvernehmen mit den jeweils interessierten Diensten Weisungen zu politischen, rechtlichen, institutionellen und budgetären Fragen, zu Wahlen und zu Problemen der Regionalgruppen in den internationalen Organisationen zu erteilen. Der Delegationschef ist für die Stellungnahmen der Delegationsmitglieder verantwortlich und informiert die Presse über den Konferenzablauf und die schweizerische Haltung.
Vor den Sessionen und Konferenzen setzen sich die Delegationen mit der Sektion UNO/IO in Verbindung, um die unter Ziff. 2 erwähnten Fragen zu prüfen. In der Regel ist die Sektion UNO/IO bei wichtigeren Konferenzen in der Delegation vertreten. Wenn nötig, erbitten die Delegationen im Verlauf der Sessionen zusätzliche Instruktionen. Bei wichtigen Abstimmungen sollten Erklärungen zur Stimmabgabe gemacht werden.
Die Delegationen müssen sich bei ihren Stellungnahmen an folgende Grundsätze halten:
– Neutralitätspolitik: keine Stellungnahme zu Gunsten einer Konfliktspartei;
– Objektivität und Unparteilichkeit;
– Befolgen der Rechtsvorschriften (insbesondere Verfassung und Reglemente der internationalen Organisationen);
– Berücksichtigung der humanitären und sozialen Aspekte;
– Möglichkeit der guten Dienste und Vermittlung;
– Rolle der Schweiz als Sitzstaat (Genf).4
Besondere Aufmerksamkeit muss den administrativen und budgetären Entscheidungen5 gewidmet werden. Instruktionen sollen auch eingeholt werden für die Einführung neuer Sprachen und für die Abhaltung von Versammlungen ausserhalb des Sitzes der Organisation. In der Regel nehmen die schweizerischen Delegationen an allen Abstimmungen teil. Ohne spezielle Weisungen schliessen sie sich keinem «walk out» an.
a) Bei Aufnahme eines Staates in eine internationale Organisation, dessen Status umstritten ist, ist für das Abstimmungsverhalten der Schweiz massgebend, ob sie den Staat diplomatisch anerkannt hat. Im Hinblick auf die Universalität unserer Beziehungen mit dem Ausland sind wir im Prinzip gegen den Ausschluss eines Staates aus einer internationalen Organisation, sofern nicht erwiesenermassen ein in der Verfassung der Organisation aufgezählter Ausschlussgrund vorliegt.
In diesem Zusammenhang können folgende Länder Probleme stellen:
– Vietnam: Beide Vietnam sind Mitglieder von Spezialorganisationen, nicht aber der UNO.6 Wiedervereinigungsbestrebungen sind im Gange. Die Schweiz hat eine Botschaft in Hanoi, musste dagegen ihre Vertretung in Saigon schliessen.7 Für jegliche Frage in diesem Bereich müssen Instruktionen eingeholt werden.
– Korea: Süd- und Nordkorea sind Mitglieder von Spezialorganisationen, nicht aber der UNO. Die Schweiz unterhält mit beiden diplomatische Beziehungen8 und stimmt jeweils der Aufnahme Süd- wie Nordkoreas in eine Organisation zu.
– China: Die Schweiz hat bereits 1950 diplomatische Beziehungen mit Peking aufgenommen9 und stimmt daher für Peking, wenn sich der Vertretungsanspruch Peking oder Taiwan stellt.10 Spezielle Weisungen wären erforderlich, wenn Taiwan ein Gesuch stellen sollte, als gesondertes Mitglied neben Peking in eine Organisation aufgenommen zu werden.
– Rhodesien: Die einseitige Unabhängigkeitserklärung von 1965 ist auch von der Schweiz nicht anerkannt worden.11 Ein Aufnahmegesuch Rhodesiens würde sie daher ablehnen. Im Rahmen der ihm früher von Grossbritannien zugestandenen Autonomie ist Rhodesien Mitglied der OMM (suspendiert) und assoziiertes Mitglied der OMS. Sollte sein Ausschluss verlangt werden, wären spezielle Weisungen anzufordern.
– Südafrika: Die Schweiz hat sich klar von der Apartheid-Politik distanziert.12 Diese Verletzung der Menschenrechte rechtfertigt aber keinen Ausschluss aus internationalen Organisationen. Wird ein solcher ohne Hinweis auf die Verfassung der Organisation verlangt, stimmt die Schweiz dagegen mit kurzer Erklärung zur Stimmabgabe.13 Sollte der Ausschluss wegen der Verletzung einer von Südafrika eingegangenen gesetzlichen Verpflichtung verlangt werden, müssten Instruktionen erbeten werden.
– Israel: Die Schweiz stimmt gegen jeden Ausschluss Israels aus politischen Gründen und erklärt ihre Stimmabgabe. Wird Israel vorgeworfen, es habe eine von ihm eingegangene Verpflichtung nicht erfüllt, müssen Weisungen verlangt werden.14
b) Bei Abstimmungen über den Beobachterstatus von Befreiungsbewegungen15 und die Übernahme von deren Reisekosten enthält sich die Schweiz der Stimme. Eine andere Haltung könnte als Stellungnahme zu Gunsten einer Konfliktpartei gewertet werden.
c) Humanitärer und sozialer Hilfe an Befreiungsbewegungen kann die Schweiz trotz Nichtanerkennung der Bewegungen mit entsprechender Erklärung zur Stimmabgabe zustimmen.16
d) Nach der UNO-Resolution, die den Zionismus dem Rassismus gleichstellt,17 muss die Schweiz klar zu verstehen geben, dass sie diese Gleichstellung nicht anerkennt. Sie stimmt mit Erklärung zur Stimmabgabe gegen jede Formulierung dieser Art und gegen jeden Hinweis auf die UNO-Resolution. Dagegen lehnt sie nicht unbedingt den ganzen Text ab, der einen solchen Hinweis enthält. Im Einzelfall sind Instruktionen einzuholen.
e) Abrüstung:18 Bei Abstimmungen darüber, dass die durch die Abrüstung frei werdenden Mittel für Entwicklungshilfe verwendet werden sollten, enthält sich die Schweiz der Stimme. Wegen der bewaffneten Neutralität könnte die Schweiz keine einseitigen Abrüstungsmassnahmen treffen, ausser aufgrund eines allgemeinen Plans mit praktisch universeller Anwendung.
f) Wissenschaftliche und technische Fragen können bedeutende rechtliche und politische Auswirkungen haben.19 Instruktionen müssen bei der Wissenschaftssektion eingeholt werden.
g) Die Überprüfung der Vollmachten gibt oft Anlass zu politischen Diskussionen über den Ausschluss eines Teilnehmers. Die schweizerischen Delegationen äussern sich nur zur formellen Gültigkeit der Vollmachten. Ist diese erwiesen, so genehmigt sie die Vollmachten, sofern sie den fraglichen Staat anerkannt hat, sonst enthält sie sich der Stimme.
h) Verfahrensabstimmungen sind oft politisch bedingt. Nach Möglichkeit sollten in diesem Fall Weisungen verlangt werden.
- 1
- CH-BAR#E2003A#1990/3#16* (o.104.2), DDS, Bd. 27, Dok. 21. Diese Aktennotiz wurde von Marianne von Grünigen von der Direktion für internationale Organisationen des EPD verfasst. Es handelt sich um eine Zusammenfassung der am 9. Juni 1976 an den Vorsteher des EPD, Bundesrat Pierre Graber, übermittelten vertraulichen Weisungen für die schweizerischen Delegationen in Versammlungen und Exekutivorganen internationaler Organisationen sowie an internationalen Konferenzen, vgl. dodis.ch/51738. Die Weisungen wurden von der Direktion für internationale Organisationen im März 1976 ausgearbeitet und dem Generalsekretär des EPD, Botschafter Albert Weitnauer, den Abteilungen I und II der Politischen Direktion, der Direktion für Völkerrecht und dem Politischen Sekretariat zur Stellungnahme unterbreitet, vgl. dodis.ch/51516. Für die Stellungnahmen der Direktion für Völkerrecht und der Politischen Abteilung II vgl. dodis.ch/51510 resp. dodis.ch/51737.↩
- 2
- DDS, Bd. 25, Dok. 123, dodis.ch/35861.↩
- 3
- Zu den Kompetenzen der Direktion für internationale Organisationen vgl. die Notiz der Chefin der Politischen Abteilung III der Politischen Direktion, Botschafterin Francesca Pometta, an den Vorsteher des EPD, Bundesrat Pierre Aubert, vom 30. Januar 1978, dodis.ch/51509.↩
- 4
- Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 25, dodis.ch/48714.↩
- 5
- Für das Engagement der Schweiz für die Kontrolle des Budgetwachstums innerhalb der UNO und deren Sonderorganisationen vgl. dodis.ch/51593 und dodis.ch/51594.↩
- 6
- Vgl. dazu QdD 15, Dok. 28, dodis.ch/40106.↩
- 7
- Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 9, dodis.ch/50288.↩
- 8
- Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 91, dodis.ch/39265.↩
- 9
- Vgl. das Telegramm des Vorstehers des EPD, Bundesrat Max Petitpierre, an den chinesischen Staatschef Mao Zedong vom 17. Januar 1950, dodis.ch/8016.↩
- 10
- Vgl. dazu DDS, Bd. 25, Dok. 102, dodis.ch/34306.↩
- 11
- Vgl. dazu DDS, Bd. 24, Dok. 171, dodis.ch/30859.↩
- 12
- In diesem Zusammenhang verwies das EPD üblicherweise auf die schweizerische Erklärung an der UNO-Menschenrechtskonferenz in Teheran vom 2. Mai 1968, vgl. DDS, Bd. 24, Dok. 80, dodis.ch/33245. Vgl. ferner DDS, Bd. 27, Dok. 106, dodis.ch/49365, Punkt 2.↩
- 13
- Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 165, dodis.ch/49309 sowie die Zusammenstellung dodis.ch/C2254.↩
- 14
- Vgl. dazu das Schreiben von Bundesrat Graber an den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund vom 3. Februar 1976, dodis.ch/51949.↩
- 15
- Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 24, dodis.ch/38891.↩
- 16
- Vgl. dazu DDS, Bd. 27, Dok. 106, dodis.ch/49365, Punkt 4; Dok. 108, dodis.ch/52507, Punkt 3 sowie Dok. 191, dodis.ch/49163.↩
- 17
- Resolution der UNO-Generalversammlung vom 10. November 1975, UN doc. A/RES/3379(XXX). Vgl. dazu DDS, Bd. 26, Dok. 193, dodis.ch/37207.↩
- 18
- Zum Engagement der Schweiz im Rahmen der UN-Abrüstungsverhandlungen vgl. DDS, Bd. 27, Dok. 166, dodis.ch/48273.↩
- 19
- Vgl. dazu auch DDS, Bd. 27, Dok. 68, dodis.ch/49412.↩
Collegamenti ad altri documenti
http://dodis.ch/51500 | si riferisce a | http://dodis.ch/35861 |
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ONU – Generale Questioni dell'organizzazione del DPF/DFAE