dodis.ch/50652Der schweizerische Botschafter in Pretoria, Roy Hunziker, an den Generalsekretär des Politischen Departements, Pierre Micheli1
Studentendemonstrationen in Kapstadt und Johannesburg
Pretoria, 27. August 19681968-08-27
Im Nachgang zu meinen Schreiben vom 15. und 23. August2 teile ich Ihnen folgendes mit:
Ministerpräsident Vorster3 hielt am 24. dieses Monats, anlässlich einer Versammlung der Nationalistischen Partei Transvaals in Vereeniging, eine Ansprache, in welcher er sich unter anderem auch mit den jüngsten Studentenunruhen in Südafrika befasste. Er betonte, dass er den Studenten wohl das Recht der freien Meinungsbildung sowie auch die Möglichkeit, ihre Auffassung kund zu tun, einräume. Unter Hinweis auf die kürzlichen Vorfälle in Frankreich4, wo es den Studenten mit Unterstützung linksgerichteter Arbeiterscharen beinahe gelungen sei, die Nation «auf die Knie zu bringen», erklärte Herr Vorster, dass die südafrikanische Regierung den hiesigen Studenten niemals derartige Ausschreitungen erlauben würde. Mit den Worten: «the honeymoon is over», warnte er die Studenten in Kapstadt, welche wegen der behördlich verhinderten Anstellung des Negerlektors Mafeje5 einen «sit-in» veranstaltet hatten, sowie die aus Sympathie zu den Kapstadter Kommilitonen demonstrierenden Studenten an der Universität Witwatersrand in Johannesburg, unverzüglich ihre Protestaktion einzustellen. Er setzte ihnen hierfür eine Frist bis zum 26. August um 11.00 Uhr morgens. Wenn seiner Weisung nicht nachgekommen werde, sagte der Ministerpräsident, würden um 11.05 Uhr die Polizeiorgane einschreiten und Ordnung schaffen. Diese Drohung erwies sich insofern als ein Schlag ins Wasser, als die Studenten beider Universitäten ihre Protestaktion – kurz bevor Ministerpräsident Vorster sein Ultimatum ausgesprochen hatte – einstellten.
Gestern versammelte sich in Kapstadt der «University Council», um zum Begehren der Studenten hinsichtlich des Lektors Mafeje Stellung zu nehmen. In Anbetracht dessen, dass die hiesigen Universitäten weitgehend von staatlichen Zuschüssen abhängig sind, war es keineswegs überraschend, dass dieser Rat dem Anliegen der Demonstranten «unter den obwaltenden Umständen nicht glaubte entsprechen zu können». Ob die Sache damit ihr Bewenden haben wird, ist zu bezweifeln, da heutigen Meldungen aus Kapstadt zufolge die Unzufriedenheit der Studenten andauert.
Lektor Mafeje, wegen dessen Hautfarbe der ganze Streit entstanden war, ist kein unbeschriebenes Blatt. Wie ich aus zuverlässiger englischer Quelle erfahren habe, wurde der Genannte im Jahre 1964 mit einem Bombenattentat in Zusammenhang gebracht. Allerdings spielte er, wie mir mein Gewährsmann sagte, beim fraglichen Vorfall eine rein passive Rolle. Es wurde ihm zur Last gelegt, er sei «implicated by association». Mafeje hält sich seither in London auf, wo er seine akademischen Studien mit Auszeichnung abgeschlossen haben soll.