Unterredung mit einem hohen sowjetischen Beamten über die Schliessung der Lebensmittelverteilungsstelle in Erfurt, die Schweizerische Vertretung beim alliierten Kontrollrat in Berlin und die Erteilung von russischen Visa an die Mitglieder der schweizerischen Delegation.
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 17, doc. 73
volume linkZürich/Locarno/Genève 1999
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
Old classification | CH-BAR E 2200.56-05(-)1000/652 1 |
dodis.ch/4980 Interne Notiz der Schweizerischen Heimschaffungsdelegation1
NOTIZ ÜBER DIE UNTERREDUNG VOM 15. 4. 48 MIT HERRN GRIBANOW
Gegenstand der Unterredung:
1. Schliessung der Lebensmittelverteilungsstelle in Erfurt.
2. Schweizerische Vertretung beim Kontrollrat bezw. bei der SMA.
3. Erteilung von Russischen Visa an die Mitglieder der Delegation.
1. Auf meine Frage, ob die Angelegenheit der Schliessung der Verteilungsstelle in Erfurt, die Gegenstand meiner letzten Vorsprache und meines Aidemémoire vom 24. 3. 19482 gebildet habe, geprüft worden sei und mit der Wiedereröffnung der Ausgabestelle gerechnet werden könne, antwortet Herr Gribanow, dass das Generalkonsulat in Karlshorst von ihm beauftragt wurde, die Sache zu prüfen und insbesondere festzustellen, wieviele Verteilungsstellen notwendig seien und an welchen Orten. Der Bericht des Generalkonsulates stehe noch aus. Indessen werde der Bescheid voraussichtlich in einigen Tagen mitgeteilt werden können.
2. Die Behandlung der Angelegenheit, fährt Herr Gribanow fort, habe sich verzögert und sei etwas heikel, weil die Delegation kein offizielles Statut habe. Bekanntlich sei die Zulassung einer schweizerischen Vertretung im Februar 1948 im Kontrollrat besprochen worden3. Die Frage sei dem politischen Direktorat zur Prüfung überwiesen worden. Die SMA sei bereit, die Genehmigung für die Schweiz zu erteilen. In letzter Zeit habe jedoch keine Sitzung des politischen Direktorats stattgefunden. Im übrigen seien mit dem Antrag der Schweiz noch die Gesuche von 8 bis 10 weiteren Ländern zu prüfen. Auf meine Frage, ob unter den heutigen Umständen noch damit zu rechnen sei, dass die Angelegenheit im politischen Direktorat werde beraten und dem Kontrollrat werde unterbreitet werden, antwortet Herr Gribanow, dies sei zu hoffen. Ich bemerke hierauf, die Erfahrung habe mich in Berlin gelehrt, dass für alles viel mehr Zeit in Rechnung zu stellen sei, als man gewöhnlich annehme und als man wünsche. Vielleicht könne in Erwägung gezogen werden, dass in Erwartung einer anderen Lösung die Delegation bei der SMA offiziell zugelassen werde. Ich erwähne, dass schweizerischerseits ein Interesse daran bestehe, wegen der Betreuung der ca. 5000 Schweizer in der Sowjetzone4 und dass das Interesse beiderseits vorhanden sei mit Bezug auf den Warenaustausch zwischen der Schweiz und der Sowjetzone5. Seit bald zwei Jahren bestünde ein Warenaustauschabkommen und nach Angaben, die aus Bern stammen, habe die Schweiz im Jahre 1947 für 22 Millionen Franken Waren aus der Sowjetzone bezogen. Ich füge bei, die Schweiz sei in der französischen Zone durch ein Konsulat in Baden-Baden, in der britischen durch eine konsularische Hauptvertretung in Hamburg und neuerdings in der amerikanischen Zone u. a. durch ein Generalkonsulat in Frankfurt offiziell vertreten. Es bestehe der Wunsch, keinen Unterschied zwischen den einzelnen Besatzungszonen zu machen und deshalb wäre es zu begrüssen, wenn die Schweiz auch bei der SMA eine offizielle Vertretung haben könnte. Herr Gribanow erwidert, die SMA habe keine ausländische Konsulate für ihre Zone zugelassen. Sie anerkenne lediglich die Missionen, die bei den vier Besatzungsmächten gemeinsam, d. h. beim Kontrollrat akkreditiert seien. Wenn die Errichtung eines Konsulates nicht in Frage komme, erwidere ich, so könne die Delegation vielleicht als Schweizerische Interessen- und Handelsvertretung anerkannt werden. Die Hauptsache sei, dass die Delegation für die Wahrung der schweizerischen Interessen und für die Handelsbeziehungen im Verhältnis zur SMA auf einen etwas festeren Boden gestellt werde. Herr Gribanow erkundigt sich über das Warenaustauschabkommen. Er will insbesondere wissen, ob das Abkommen von Behörde zu Behörde abgeschlossen wurde, welche Aufgabe der Delegation bei der Abwicklung dieses Abkommens zukomme, ob diese Tätigkeit vertraglich festgelegt sei, ob die Zahl der Delegationsmitglieder vertraglich limitiert sei und ob die Delegation für die Ausübung der Tätigkeit ein Dienstgebäude besitze. Nachdem ich ihm den gewünschten Aufschluss erteilt habe, erklärt Herr Gribanow, er werde die besprochene Frage noch prüfen. Er ersucht mich, ihn Montag den 19. April anzurufen, um zu erfahren, wann die Angelegenheit weiter erörtert werden kann6.
3. Abschliessend teile ich Herrn Gribanow mit, dass ich kurz vor Ostern für mich und meine Mitarbeiter im Hinblick auf eine Reise in die britische Zone beim russischen Generalkonsulat ein Visum beantragt habe. Zuerst habe sich das Generalkonsulat bereit erklärt, die Visa (Dauervisa für 3–6 Monate) zu erteilen; als dann aber die Pässe dorthin gebracht wurden, habe man wissen lassen, dass dem Antrag wegen der Besonderheit unserer Stellung ohne Zustimmung der Politischen Abteilung (Herr Gribanow) nicht entsprochen werden könne. Das Generalkonsulat erteile fast täglich an Schweizer aus der Sowjetzone und aus dem sowjetischen Sektor in Berlin Aus- und Rückreisevisa und befürworte laufend die Ausstellung von Visa durch die Sowjetgesandtschaft in Bern an schweizerische Geschäftsleute, die in vielen Fällen sogar Dauervisa erhalten. Ich stosse mich daran, dass bei dieser Sachlage die Mitglieder der Delegation, die soviel beitrage, um den Warenverkehr zu fördern, und ohne deren Mitarbeit der Warenaustausch nicht möglich wäre, kein Visum erhalten. Herr Gribanow scheint für den dargelegten Standpunkt Verständnis zu haben, verweist allerdings auf die Sonderstellung der Delegation, verspricht aber, die Angelegenheit mit dem Generalkonsul Sosnowski zu besprechen und Bericht zu erteilen.
- 2
- Nicht ermittelt.↩
- 3
- Vgl. E 2200.56(-)-/9/1.↩
- 4
- Zur Frage der Schweizerbürger in der SBZ vgl. DDS, Bd. 16, Dok. 62, dodis.ch/1697, das Protokoll des EPD vom 18. Oktober 1945, E 2001(D)-/3/239 (dodis.ch/1740), und die Notiz des EPD vom 14. August 1945, E 2001(D)-/3/394 (dodis.ch/1744).↩
- 5
- Zum Abschluss eines Waren- und Zahlungsabkommens zwischen der Schweiz und der SBZ vgl. DDS, Bd. 17, Dok. 13, dodis.ch/1580 sowie das Schreiben von M. Troendle vom 19. Juli 1947, E 2001(E)-/1/261 (dodis.ch/1743), und das Schreiben von M. Troendle an F. de Diesbach vom 28 Juni 1948, E 2001(E)-/1/340 (dodis.ch/4386).↩
- 6
- Zur weiteren Entwicklung der Stellung der schweizerischen Heimschaffungsdelegation in Berlin vgl. E 2200.56(-)-/9/1 (dodis.ch/5000, 5001), das Schreiben von F. de Diesbach an M. Troendle vom 29 Oktober 1948, E 2001(E)-/1/261 (dodis.ch/4383), das Schreiben von M. Troendle an F. de Diesbach vom 26. Juni 1948, E 2001(E)-/1/261 (dodis.ch/4386), und das Schreiben des EPD an F. de Diesbach vom 19. Januar 1949, E 2001(E)1967/113/526 (dodis.ch/4385).↩
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